Interessante höchstrichterliche Revisionsentscheidung im Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung; umfassende Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Strafmilderung aufgrund eines Täter-Opfer-Ausgleichs; Senat rügt Annahme minderschweren Falls; Leistungen müssen nach objektivierendem Maßstab Unrecht und Folgen der Tat ausgleichen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hebt auf die Revision der Staatsanwaltschaft den Strafausspruch des Landgerichts (LG) auf und verweist zur neuen Verhandlung zurück.
Das LG hatte einen Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Der Angeklagte hatte Kontakt zu einer Frau in Tschechien, bei der die damals 13-jährige Nebenklägerin mit ihrer Freundin lebte. Die beiden Mädchen waren aus einem Erziehungsheim geflohen und gingen der Prostitution nach, wobei ihre Situation von ihrem Umfeld ausgenutzt wurde. Der Angeklagte holte die Nebenklägerin in Tschechien ab und fuhr mit ihr in seinem Auto zu seiner Wohnung. Die Nebenklägerin teilte ihm ihr Alter mit und bat ihn, sie zu ihrer Mutter zu bringen. Der Angeklagte lehnte dies vorgeblich mangels Benzins ab und führte mit der Nebenklägerin gegen ihren Willen sexuelle Handlungen durch. Danach fuhr er sie nach Tschechien zurück. Später gab er der tschechischen Polizei den Hinweis auf den Aufenthaltsort der beiden Mädchen bei der Frau und auch auf die Prostitutionstätigkeit der beiden.
Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin eine Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarung getroffen, nach der der Angeklagte insgesamt 1500 EUR zahlen sollte, 500 EUR am selben Tag und den Rest in Raten von jeweils 50 EUR monatlich. Die Nebenklägerin erkannte dies im Wissen um die schuldmildernde Wirkung als ausgleichende Maßnahme im Sinne von § 46a Strafgesetzbuch (StGB) an.
Das LG wertete die Taten des Angeklagten als schweren sexuellen Missbrauch nach § 176a Abs. 2 Nr.1 in Tateinheit mit Vergewaltigung nach § 177 Abs.1 StGB und nahm im Rahmen der Strafzumessung unter anderem wegen der Täter-Opfer-Vereinbarung einen Strafmilderungsgrund gem. § 46a StGB an. Zudem ging das LG von einem minderschweren Fall aus. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Die Revision hat Erfolg, da der BGH sowohl die Annahme eines minderschweren Falles als auch das Absehen von der Regelvermutung des § 177 Abs. 6 StGB für rechtsfehlerhaft hält. Der Senat macht umfassende Ausführungen zu den Voraussetzungen eines strafmindernd wirkenden Täter-Opfer-Ausgleichs. Vorliegend habe die Nebenklägerin die angebotene Zahlung zwar als Ausgleich akzeptiert, das LG hätte aber darüber hinaus eigenverantwortlich prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 46a StGB gegeben seien.
Für die Annahme eines friedenstiftenden Ausgleichs dürfe nicht nur auf die subjektive Bewertung durch Täter und Opfer abgestellt werden. Zu prüfen sei vielmehr, ob die konkret erbrachten oder ernsthaft angebotenen Leistungen des Täters als so beachtlich einzustufen seien, dass sie nach objektivem Maßstab das Unrecht der Tat bzw. deren Folgen ausgleichen können. Dies sah der Senat vorliegend nicht gegeben. So sah er die angebotene 500 EUR Sofortzahlung und weitere 50 EUR monatlich über einen Zeitraum von 2 Jahren im Verhältnis zur Tat und angesichts des monatlichen Einkommens des Angeklagten von 2.400 EUR nicht als angemessene Entschädigung und ernsthafte Bemühung um Wiedergutmachung.
Außerdem hätte das LG sich mit der Frage befassen müssen, ob der Angeklagte, indem er die Nebenklägerin in seine Wohnung brachte, nicht eine schutzlose Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 StGB ausgenutzt habe.
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