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LG Tübingen, Urteil vom 12.12.2024
Aktenzeichen 2 KLs 51 Js 4782/24

Stichpunkte

Umfangreiche Entscheidung im Strafverfahren wegen Zwangsprostitution, Zuhälterei, Vergewaltigung und Drogendelikten; mehr als sechsjährige Freiheitsstrafe; 40.000 EUR Schmerzensgeld für die Nebenklägerin im Adhäsionsverfahren

Zusammenfassung

Das Landgericht (LG) verurteilt den Angeklagten wegen schwerer Zwangsprostitution u. a. zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren und im Adhäsionsverfahren zur Zahlung von 40.000 EUR Schmerzensgeld an die Nebenklägerin. Außerdem ordnet es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 170.000 EUR an.

Der Angeklagte hatte für ca. ein Jahr die damals 15- bzw. 16-jährige Nebenklägerin, die Tochter seiner früheren Lebenspartnerin, in der Prostitution ausgebeutet. Die Minderjährige war bereits vorher aus Geldnot gelegentlich der Prostitution nachgegangen. Dies hatte der Angeklagte erfahren und beschlossen, ihre jugendliche Unerfahrenheit auszunutzen. Er spielte ihr ein luxuriöses Leben vor, das er auch ihr versprach, indem sie durch Prostitution viel Geld verdienen könne. Entsprechend manipulierte der Angeklagte die Nebenklägerin und brachte sie in Abhängigkeit, indem er ihr teure Gegenstände wie Uhren und Kleidung verkaufte, die sie dann bei ihm abarbeiten musste. Zugleich brachte er sie in emotionale Abhängigkeit.

Die Nebenklägerin intensivierte gemäß den Vorgaben des Angeklagten ihre Prostitutionstätigkeit erheblich. Dieser bestimmte dabei ihre Preise (250 EUR/Stunde) und verlangte wöchentlich Einkünfte von 5.000 EUR. Außerdem organisierte er Kunden über ein von ihm erstelltes Onlineprofil. Er fuhr die Nebenklägerin, die noch bei ihrer Mutter wohnte, zu den Kundenterminen. Die Erlöse musste sie vollständig an ihn abtreten. Sie erhielt gelegentlich Geschenke vom Angeklagten, hatte aber ansonsten keine Verfügung über das Geld.

Bei Nichterreichen der finanziellen Vorgabe, setzte er sie durch massive Beschimpfungen, Erniedrigungen und körperliche Misshandlungen unter Druck.
Als die junge Frau aufgrund einer Beziehung die Prostitution aufgeben wollte, drohte ihr der Angeklagte mit seinen Kontakten ins Milieu, so dass die Nebenklägerin aus Angst zunächst weiter der Prostitution nachging. 
Außerdem hat der Angeklagte die Nebenklägerin durch Drohungen mit der Offenlegung ihrer Prostitutionstätigkeit neunmal zum Geschlechtsverkehr gezwungen.

Darüber hinaus brachte er sie durch Drohungen dazu, einem Freier gegenüber wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dieser könne sie bei dem Angeklagten für 35.000 EUR freikaufen. Das Geld vereinnahmte der Angeklagte aber ausschließlich für sich, ohne sie aus der Zuhälterei zu entlassen.

So arbeitete die Nebenklägerin vom März 2021 bis März 2022 für den Angeklagten und nahm rund 90.000 EUR ein. Ihre Tätigkeit für den Angeklagten stellte die Nebenklägerin ein, nachdem es zum Streit zwischen ihrem Freund und dem Angeklagten gekommen war, in dessen Nachgang die junge Frau zusammen mit ihrem Freund beschloss, in die Wohnung des Angeklagten einzubrechen und einige Wertgegenstände zu entwenden als „Wiedergutmachung“. Im darauffolgenden Ermittlungsverfahren, zeigte die Nebenklägerin an, dass der Angeklagte sie prostituiert habe.

Der Angeklagte hatte noch eine weitere Frau, seine spätere Ehefrau, dazu gebracht, zwei Jahre für ihn in der Prostitution zu arbeiten. Als sie aufhören wollte, drohte er mit Offenlegung ihrem Arbeitgeber gegenüber und wandte auch massive Gewalt an. Von ihr erhielt er 45.000 EUR an Prostitutionseinnahmen. Außerdem geriet die Frau in hohe Schulden und musste Insolvenz anmelden.

Erst nach einem Streit im Mai 2023 trennte sie sich endgültig und hörte auf, sich zu prostituieren.

Beide Frauen befinden sich wegen der durch die Taten erlittenen Traumata in psychotherapeutischer Behandlung.

 

Entscheidung im Volltext:

LG_Tuebingen_12_12_2024 (PDF, 3,5 MB, nicht barrierefrei)