Lesenswerte Entscheidung im Beschwerdeverfahren um (rückwirkende) Bestellung eines Ersatzbeistands für Opfer einer Straftat bei Verhinderung des bestellten Beistands; umfangreiche Ausführungen zu Rechten von Nebenklage/Opferbeistand und das Opferrechtsreformgesetz
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle (OLG) hebt auf die Beschwerde der Nebenklagevertreterin einen Beschluss des Schwurgerichts des Landgerichts Verden auf, mit dem die Bestellung eines Vertretungs-Beistands abgelehnt worden war und ordnet diesen rückwirkend bei.
Beschwerdeführer*innen sind die Mutter bzw. Geschwister einer von ihrem Lebensgefährten getöteten Frau und im Strafverfahren gegen den wegen Totschlags Angeklagten als Nebenkläger*innen zugelassen. Das Gericht hatte ihnen die Nebenklagevertreterin C. zugeordnet. Als diese am 2. Sitzungstag verhindert war, erschien, in Absprache mit C., als Vertretung die Rechtsanwältin K. und stellte einen Antrag auf Beiordnung für diesen einzelnen Tag. Dies lehnte der vorsitzende Richter mit der Begründung ab, dass es keine gesetzliche Grundlage für eine solche Beiordnung gäbe. Nach § 226 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) sei die Anwesenheit der Nebenklagevertretung nicht zwingend vorgeschrieben, daher sei bei Verhinderung auch keine Beiordnung einer Vertretung erforderlich. Auch sonst lägen keine besonderen Umstände vor, die eine solche notwendig machten.
Die Nebenkläger*innen haben hiergegen Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dem Vorsitzenden sei die Verhinderung der Nebenklagevertreterin C. rechtzeitig mitgeteilt worden. Die Schwere des Tatvorwurfes und die Frage nach dem Motiv machten eine durchgehende Anwesenheit der Nebenklagevertreter*innen erforderlich.
Das OLG erklärt die Beschwerde für begründet und ordnet die Rechtsanwältin K. rückwirkend als Vertreterin bei. Die Ablehnung der K. als vertretende Opferanwältin für einen Sitzungstag sei zu Unrecht erfolgt. Die Frage, ob im Fall einer Terminverhinderung bestellter Opferanwält*innen auf Antrag der Nebenkläger*innen anwesende und zur Vertretung bereite Rechtsanwält*innen für diesen Termin als Ersatz-Opferanwält*innen beizuordnen seien, sei zwar in der Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden bzw. nicht behandelt worden und es fehle an einer gesetzlichen Regelung. Auch sei es zutreffend, dass im Falle einer Verhinderung des beigeordneten Beistands die Bestellung einer Vertretung nicht unbedingt notwendig sei, da die Anwesenheit der Nebenklagevertretung, also auch eines Opferbeistands, gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Der Senat legt die eingeschränkten Rechte des Opferbeistands insbesondere im Falle einer Terminverhinderung bzw. -vertretung und das damit verbundene Kostenrisiko der Nebenklage dar. Diese Beschränkungen der Rechte des Opferbeistands sieht der Senat kritisch, besonders im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzgebers mit § 397a Abs. 1 StPO für besonders schutzbedürftige Opfer der genannten Straftaten gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung und des Menschenhandels ein Recht auf kostenlosen Opferbeistand zu schaffen, damit diese Opfer unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen ihre Rechte wahrnehmen bzw. durchsetzen könnten. Diesem Opferschutzgedanken widerspräche es, wenn Nebenkläger*innen bei einer unverschuldeten Terminverhinderung des ursprünglich beigeordneten Beistandes zur Vermeidung eines Kostenrisikos, keinen anderen Beistand hinzuziehen, wenn dessen Beiordnung verweigert würde.
Dies gelte umso mehr, als die Nebenklageberechtigten keinen Anspruch darauf hätten, dass bei der Terminbestimmung die Verfügbarkeit ihres Beistandes berücksichtigt würde. Der im Gesetzesentwurf zum 2. Opferrechtsreformgesetz ausdrücklich formulierte Zweck sei die Stärkung der Opfer der im § 397a StPO genannten Straftaten und die Ermöglichung ihrer aktiven Teilnahme am Strafverfahren.
Dies spräche für die regelmäßige Beiordnung eines Ersatzbeistandes bei Verhinderung des eigentlichen Beistandes aus wichtigem Grund.
Eine solche sei in Fällen wie dem vorliegenden auch rückwirkend möglich.
Opferrechtsreformgesetz, Opferrechte, Opferbeistand Beiordnung Opferbeistand, Vertretung bei Terminverhinderung
Entscheidung im Volltext: