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NEUIGKEITEN

Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag die Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans (NAP) zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgenommen. Das federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) leitete im September daher einen Konsultationsprozess ein, für den die Zivilgesellschaft und weitere Akteure aus dem Bereich Bekämpfung des Menschenhandels zu Eingaben aufgerufen wurden. Der KOK e.V. hat eine Kommentierung eingereicht, die sich an der Struktur des Diskussionspapiers des BMFSFJ, das als Grundlage für die Entwicklung des NAP dient, orientiert. Insbesondere sollten klare Verantwortlichkeiten der Bundesländer im NAP benannt werden. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte veröffentlichte eine Stellungnahme zum Diskussionspapier. Auch die Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Deutschen Instituts für Menschenrechte plädiert für eine Fortsetzung dieses integrativen Prozesses und betont dabei die Relevanz der Beteiligung verschiedener Akteure. Der NAP soll sich den Angaben der Bundesregierung zufolge auf alle Formen des Menschenhandels beziehen und noch in der verbleibenden Legislaturperiode durch das Bundeskabinett verabschiedet werden. 

 

Praxishandreichung zum neuen SGB XIV

Am 01.01.2024 tritt mit dem SGB XIV die Neuregelung des Sozialen Entschädigungsrechts in Kraft. Es bringt einige Verbesserungen für Betroffene von Menschenhandel mit sich und wird die tatsächliche Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Entschädigung im besten Fall erleichtern. Um die Handhabe der neuen Regelungen in der Praxis zu erleichtern, hat der KOK gemeinsam mit dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – bff und der Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatung bei sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend – BKSF die Broschüre „SGB XIV: Das neue Soziale Entschädigungsrecht - Eine Praxishandreichung zur Unterstützung Betroffener von sexualisierter Gewalt, häuslicher Gewalt und Menschenhandel“ erarbeitet, die von den drei Verbänden am 30.01.2024 von 12-13 Uhr im Rahmen eines digitalen Lunch-Talks vorgestellt wird. Informationen zur Anmeldung und Teilnahme werden Anfang 2024 verschickt.

 

UN-Menschenrechtsrat: Empfehlungen an Deutschland

Deutschland wurde am 9.11. zum vierten Mal vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf im Rahmen des Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review (UPR)) zur Entwicklung der Menschenrechtslage im Land angehört. Der finale Bericht des Menschenrechtsrats mit insgesamt 346 Empfehlungen, die von 123 Staaten an die Bundesregierung ausgesprochen wurden, ist nun veröffentlicht – einige der Empfehlungen zielen auf die Verbesserung des Schutzes Betroffener von Menschenhandel

Als Leiterin der Regierungsdelegation eröffnete die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, die Sitzung in Genf, wobei sie sowohl auf Fortschritte verwies sowie auch Herausforderungen benannte, bspw.  Geschlechterungleichheit, häusliche Gewalt und ein Hilfesystem, das den Bedürfnissen der Menschen nicht gerecht werde. Selbstkritisch erkannte sie an, dass auch Armut, insbesondere Kinderarmut, zu den Menschenrechtsproblemen, mit denen die Menschen in Deutschland konfrontiert seien, gehöre. Schließlich verwies sie auf Rassismus und Diskriminierung sowie Defizite in der Migrationspolitik als Herausforderungen, die die Bundesregierung angehen müsse und wolle.

Beim Thema Flucht und Migration wiesen mehrere Länder auf die große Diskrepanz zwischen den Ankündigungen im Koalitionsvertrag und den aktuellen politischen Entwicklungen hin. Dies berichtet Dr. Silke Voß-Kyeck, die die Anhörung im Menschenrechtsrat für das Forum Menschenrechte beobachtete, in einem Beitrag für die Rosa Luxemburg Stiftung.              
 

In einem gemeinsamen Bericht an den Menschenrechtsrat hatte das Forum Menschenrechte, zu dem auch der KOK gehört, Kritikpunkte und Empfehlungen der Zivilgesellschaft bereits im Vorfeld der Anhörung benannt, u.a. zum umfassenden Schutz vor den verschiedenen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt,, Schutz besonders vulnerabler Gruppe und zur Finanzierung sowie dem dringend nötigen zum Ausbau einer Unterstützungsstruktur für Betroffene von Menschenhandel.

 

Podcast des Forum Menschenrechte: Menschen und ihre Rechte

Das Forum Menschenrechte hat seine neue Podcastreihe Menschen & (ihre) Rechte gestartet. Bisher gibt es zwei Folgen, die erste beschäftigt sich mit dem Forum selbst und geht Fragen nach wie: Was macht das FORUM MENSCHENRECHTE aus? Was hat sich in den bald 30 Jahren seines Bestehens verändert? Und vor welchen Herausforderungen sieht es sich aktuell? In der zweiten Folge wird über den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und seine Aufgaben gesprochen und auch über die Anhörung Deutschlands vor dem Menschenrechtsrat im November berichtet.

 

Beschwerde wegen Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz

Das seit dem 01.01.23 geltende Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten, das deutsche Lieferkettengesetz, verpflichtet Unternehmen, die Menschenrechtslage in ihren Lieferketten zu überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zu der Beseitigung und/oder Verhinderung von Verstößen gegen  die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Bezug auf u.a. Einhaltung von Arbeitsrechten, Arbeits- und Gesundheitsschutz oder das Verbot von Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung, einzuleiten und damit zur Einhaltung der Menschenrechte beizutragen. Gemeinsam mit der ecuadorianischen Gewerkschaft der Landarbeiter*innen und Bäuer*innen im Bananensektor ASTAC, Oxfam und Misereor reichte das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) am 02.11.23 eine Beschwerde gegen Rewe und Edeka beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aufgrund von Verstößen gegen das Lieferkettengesetz ein. Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen hatten Menschenrechtsverletzungen, z.B. Gesundheitsschäden aufgrund des Einsatzes von Pestiziden, ungleiche und unter dem Existenzminimum liegende Löhne und Diskriminierung gegen ältere, weibliche und migrantische Mitarbeiter*innen auf Bananen- und Ananasplantagen in Ecuador und Costa Rica dokumentiert.

Die Berichte wurden im Sommer 2023 den Unternehmen Aldi, Lidl, Rewe und Edeka vorgelegt. Während Aldi und Lidl bereit waren, sofortige Maßnahmen in Kooperation mit Gewerkschaften einzuleiten und somit ihren Sorgfaltspflichten gegenüber den Arbeiternehmer*innen und der Einhaltung der Menschenrechte im Rahmen des Lieferkettengesetzes nachzugehen, reagierten Rewe und Edeka zwar, veranlassten jedoch dahingehend keine ausreichenden, wirksamen Schritte. Die Beschwerde soll dies nun ändern. Zurzeit prüft das BAFA in insgesamt 13 Verfahren gegen fünf Unternehmen, ob es Verstöße gegen das Lieferkettengesetz gegeben hat.

Am 14.12. einigten sich EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten der EU außerdem auf ein europäisches Lieferkettengesetz. Dieses hat ebenfalls das Ziel, den Schutz der Umwelt und Menschenrechte in Lieferketten zu gewährleisten. Große Unternehmen, mit 500 oder mehr Beschäftigten sollen demnach zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie von Kinderarbeit oder Arbeitsausbeutung außerhalb der EU profitieren und müssen zudem sicherstellen, dass ihre Aktivitäten mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Das deutsche Lieferkettengesetz gilt ab dem 01.01.24 für Unternehmen ab 1000 Beschäftigte -bislang galt es lediglich für Unternehmen mit 3000 und mehr Beschäftigten. Es muss in diesem und einigen weiteren Punkten nachgeschärft werden, sobald die EU-Vorgaben als Richtlinie in Kraft treten. 

 

Für eine menschenwürdigere Asyl- und Migrationspolitik

Am 24.11. veröffentlichte die Bundesregierung den Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz). Vor dem Hintergrund antimigrantischer, rassistischer Stimmungsmache durch die AfD und den teils populistisch geführten Wahlkämpfen in Bayern und Hessen, stellte die Bundesregierung den Gesetzesentwurf vor, durch den Abschiebungsprozesse beschleunigt werden sollen. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteur*innen kritisierten, dass der Gesetzesentwurf die Grundrechte Geflüchteter missachte. In Rede stehen das Recht auf Freiheit, auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf die Privatsphäre. ProAsyl äußerte starke verfassungsrechtliche Bedenken. Darüber hinaus bedeute das Gesetz keine Entlastung der Kommunen, da strukturelle Probleme bezüglich Wohnraum, Kitaplätzen etc. nicht gelöst würden. Dies äußerte auch der Sachverständige, Berthold Münch vom Deutschen Anwaltsverein bei der Anhörung am 11.12. im Ausschuss für Inneres und Heimat des Bundestages. Er sieht in dem Gesetzentwurf zahlreiche rechtlich fragwürdige, unverhältnismäßige Maßnahmen, die nicht nur zu Lasten der nach Deutschland geflüchteten Menschen gehen, sondern auch zu ganz erheblichen Mehrbelastungen der beteiligten Behörden und Gerichte führen würden.

Der Regelungsbereich des Gesetzes ist sehr breit. Der Ausreisegewahrsam soll deutlich verlängert

und die Abschiebehaft ausgeweitet werden. Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften sollen erleichtert werden, sodass künftig auch unbeteiligte Personen, auch Familien, damit rechnen müssen, dass die Polizei ihre Wohnung betritt.

In einer gemeinsamen Stellungnahme äußerten sich außerdem 52 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch der KOK, gegen die mit dem Gesetzesvorhaben einhergehende Kriminalisierung und Einschränkung ziviler Seenotrettung. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter SOS Humanity, LeaveNoOnebehind und SeaWatch starteten eine Petition gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung.

 

Appell gegen Sozialrechtsverschärfungen für Geflüchtete

Ende Oktober schloss der KOK sich einem Appell von 154 Organisationen an, der sich gegen sozial-rechtliche Verschärfungen und für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes stark macht. Die Organisationen sprechen sich deutlich für ein menschenwürdiges Existenzminium aus. Außerdem wird die Politik aufgefordert, Ursachen für gesellschaftliche Missstände (wie fehlenden Wohnraum oder zu wenig Kitaplätze) nicht bei Geflüchteten, sondern in dem eigenen sozialpolitischen Handeln zu suchen und als strukturelle Probleme anzuerkennen.

 

Georgien und Moldau gelten nun als sichere Herkunftsstaaten

Am 16.11. stimmte der Bundestag und am 15.12. der Bundesrat für das Gesetz, durch das Georgien und die Republik Moldau künftig asylrechtlich als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.

Zuvor hatten zivilgesellschaftliche Organisationen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses kritisierten zivilgesellschaftliche Organisationen besonders die menschenrechtlichen Konsequenzen für vulnerable Gruppen und Personen. Der KOK hatte sich in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf im August deutlich gegen die Ausweitung des Konzeptes der sicheren Herkunftsländer auf weitere Staaten ausgesprochen. In Bezug auf Menschenhandel bedeutet die Zustimmung für den Gesetzesentwurf, dass viele Personen in schnelleren Verfahren oft nicht mehr als besonders Schutzbedürftige identifiziert werden und dadurch nicht ihre Rechte in Anspruch nehmen können.

 

Kooperationsleitfaden Menschenhandel Baden-Württemberg

Unter Mitarbeit der anerkannten spezialisierten Fachberatungsstellen (FBS) in Baden-Württemberg und mit Unterstützung des KOK aktualisierte das baden-württembergische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration den Leitfaden zur Bekämpfung von Menschenhandel Baden-Württemberg, der im Rahmen einer Fachtagung am 21.11. in Stuttgart veröffentlicht wurde. Der Leitfaden orientiert sich an den Vorgaben der Richtlinie 2011/36/EU des europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer. Er soll dazu beitragen, dass Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution in Baden-Württemberg adäquaten Schutz und Unterstützung erhalten und entsprechende Straftaten effektiv bekämpft werden. Beteiligt sind Behörden und die vom Land Baden-Württemberg anerkannten Fachberatungsstellen, wie es in der Pressemitteilung des Ministeriums heißt.

 

Aktionen der KOK-Mitglieder und weiterer Organisationen zum 25. November

In diesem Jahr fanden zahlreiche Aktionen von Mitgliedsorganisationen und Kooperationspartner*innen des KOK e.V. zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November statt. Im Folgenden seien nur einige beispielhaft genannt.

Die Fachberatungsstelle und KOK Mitgliedsorganisation FreiJa – Aktiv gegen Menschenhandel vom Diakonischen Werk Freiburg zeigte vom 03.12. bis 09.12 im Rahmen des Projekts „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ die Wanderausstellung zur Loverboy-Methode. Die Ausstellung informiert mit visuellen und auditiven Medien über diese Form des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung  und kann von Interessierten ausgeliehen werden.

Als Teil des Zusammenschlusses von Gewaltschutzeinrichtungen Netzwerk Frauenschutz Magdeburg beteiligte sich die KOK Mitgliedsorganisation Vera – Fachstelle gegen Frauenhandel und Zwangsverheiratung des AWO – Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. wieder an der sogenannten Brötchentüten-Aktion: „Gewalt kommt nicht in die Tüte“. Am 25.11. füllten über 60 Bäckereifilialen in Magdeburg bedruckte Brötchentüten, die ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen und auf die Thematik aufmerksam machen sollten.

Das Hilfetelefon rief zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen zur Aktion „Wir brechen das Schweigen“ unter dem Leitspruch „Unsere Stimmen gegen Gewalt an Frauen“ dazu auf, sich an Social Media Aktionen zu beteiligen, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen und Betroffenen Mut zu machen.

Auf internationaler Ebene wurde am 25.11. die UNiTE-Kampagne eröffnet- eine Initiative der Vereinten Nationen mit 16 Aktionstagen, die am Tag des Internationalen Tags der Menschenrechte, dem 10. Dezember endete. Die Kampagne UNiTE - Invest to Prevent Violence against Women & Girls zielte auf die Sensibilisierung der allgemeinen Öffentlichkeit und forderte Regierungen weltweit auf, sich für die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt einzusetzen. 

 

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VERÖFFENTLICHUNGEN DES KOK

Indikatorenliste zur Identifizierung von Betroffenen von Menschenhandel

Der KOK hat als Hilfsmittel zur Identifizierung von Betroffenen von Menschenhandel eine Indikatorenliste aktualisiert und veröffentlicht. Indikatoren ersetzen nicht die fachliche Expertise zur Erkennung von Betroffenen, können jedoch hilfreich und unterstützend sein, um mögliche Betroffene zu als solche erkennen zu können und mit den spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel in Kontakt zu treten. Die Indikatorenliste ist unterteilt in allgemeine Merkmale, die auf Ausbeutung und Zwang hinweisen und Indikatoren, die Hinweise auf bestimmte Ausbeutungsformen geben können. Zudem gibt es eine ergänzende Indikatorenliste zu Menschenhandel im Kontext von Flucht.

 

Studie Opferrechte im Ermittlungsverfahren

Die KOK-Studie Rechte von Betroffenen von Menschenhandel im Ermittlungsverfahren – Eine Untersuchung zur Bedeutung von Betroffenenrechten für das Strafverfahren wurde veröffentlicht. Angelehnt an die bereits 2021 veröffentlichte Studie Rechte von Betroffenen von Menschenhandel im Strafverfahren - Eine Untersuchung zur Umsetzung der Menschenhandelsrichtlinie 2011/36/EU wurde im Rahmen der aktuellen Untersuchung ein Fokus auf Betroffenenrechte im vorbereitenden Verfahren, dem sogenannten Ermittlungsverfahren, gelegt. Bereits hier sehen sich Betroffene allein schon aufgrund der vorangegangenen Ausbeutungssituation, von Menschenhandel einer hohen Belastung ausgesetzt. Viele Verfahren werden grundsätzlich eingestellt. Wenn Verfahren stattfinden, werden sie maßgeblich auf Grundlage von Zeug*innenaussagen durchgeführt. Es zeigt sich, dass der Schutz von Betroffenenrechten im Ermittlungsverfahren unmittelbaren Einfluss auf das Wohlergehen der Betroffenen und damit auch auf das Strafverfahren hat.

Die Studie wurde am 06.12.2023 einen digitalen Lunchtalk vorgestellt. In einem Panel diskutierten KOK-Vorständin und Mitarbeiterin des Fraueninformationszentrums (FiZ) Claudia Robbe, Autorin der Studie Anne-Kathrin Krug, sowie Rechtsreferentin des KOK Sophia Härtel mit den Teilnehmer*innen über die Ergebnisse. 

 

Datenerhebung zu Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland 2022 – Bericht des KOK

Zum Europäischen Tag gegen Menschenhandel am 18.10. veröffentlichte der KOK seinen vierten Datenbericht zu Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland. Die Datenerhebung spezialisierter Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel liefert wichtige Erkenntnisse aus der Beratungspraxis in Deutschland. Sie zeigt, in wieweit Betroffene von Menschenhandel in Deutschland Zugang zu Opferrechten und Schutz erhalten. Im Jahr 2022 wurden 875 Fälle von Menschenhandel von Fachberatungsstellen dokumentiert. Für die Datenauswertung wurden 733 Fälle freigegeben. Die Mehrheit der Betroffenen kommt aus westafrikanischen Ländern. In 47 % aller Fälle wurde Deutschland als Ort der Ausbeutung angegeben. In 35 % der Fälle wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Bei etwa der Hälfte der Klient*innen sind die Aufenthaltsperspektiven unsicher oder noch nicht abschließend geklärt. Dies ist aber häufig Voraussetzung für eine psychische Stabilität und die Durchsetzung ihrer rechtlichen Ansprüche, wie bspw. Alimentierung, sichere Unterbringung, Zugang zu Arbeit oder Durchsetzung von Lohn- oder Entschädigungsansprüchen“, erklärte Margarete Mureșan, KOK-Vorstand und Leiterin der Fachberatungsstelle IN VIA Berlin-Brandenburg Der Bericht steht auf Deutsch und Englisch zum Download bereit.

In einem digitalen Lunchtalk am 16.10.2023 wurde der Bericht präsentiert. Vertreter*innen der Geschäftsstelle des KOK und des Vorstandes stellten die wesentlichen Ergebnisse vor und diskutierten aufgekommene Fragen mit den zahlreichen Teilnehmer*innen.

 

Jahresrückblick 2023

Einen Überblick über wichtige Ereignisse, Publikationen und Veranstaltungen aus der Arbeit des KOK und seiner Mitglieder im vergangenem Jahr bietet der KOK Jahresrückblick . Dieser steht auf in englischer Sprache zum Download zur Verfügung. Ein  ausführlicherer Jahresrückblick findet sich in der Rubrik Wissen in diesem Newsletter.

KOK-VERANSTALTUNGEN

2. KOK Mitgliederversammlung

Vom 12.-13.10. fand die zweite Mitgliederversammlung 2023 digital statt. Themen waren u.a. der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung gegen Menschenhandel und zum Schutz der Betroffenen, die Reformbemühungen zur EU-Richtlinie gegen Menschenhandel und etwaige Implikationen für Deutschland, sowie die Gesundheitsversorgung für Menschen in besonderen Notlagen.

 

Web-Seminar: Betroffene von Menschenhandel - Hinsehen und Erkennen

Gemeinsam mit der spezialisierten Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel NADESCHDA und in Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Deutschland organisierte der KOK am 24.10.2023 ein Web-Seminar für Mitarbeitende der Rückkehrberatung mit dem Schwerpunkt Menschenhandel und Ausbeutung. Es fand im Rahmen des KOK-Projekts Flucht und Menschenhandel statt.

 

Schulung für Medienschaffende zum Thema Menschenhandel im Kontext von Flucht in Deutschland

Das Web-Seminar vom 18.12.2023 richtete sich an Journalist*innen, die zum Thema Menschenhandel berichten bzw. Interesse am Thema haben, mehr dazu erfahren und sich mit Expert*innen aus der Praxis austauschen wollten. Die Schulung lieferte Informationen zum Thema Menschenhandel – insbesondere im Kontext von Flucht – und ermöglichte den Austausch mit Expert*innen zu der Frage, wie sensible Berichterstattung zum Thema Menschenhandel funktionieren kann. Ziel war es, u.a. ein besseres Verständnis zu den Abgrenzungen von Menschenhandel, Prostitution, Schleusung und anderen Themen vermitteln und für die Komplexität des Themas und die Situation der Betroffenen sensibilisieren zu können.

VERANSTALTUNGEN

ECPAT Fachtag für Jugendämter

Die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung, ECPAT Deutschland e.V., lädt zum Fachtag „Beratungsangebote für Fachkräfte in Jugendämtern zu Schutz vor sexueller Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel“ am 01. Februar 2024 von 9.30 Uhr bis 16 Uhr ein. Der KOK wird auf der Fachtagung ebenfalls mit zwei Inputs vertreten sein. Es kann sich online über diesen Link angemeldet werden.

 

Fachtagung des KOK – Save the Date

Am 26. und 27.09.24 findet in Berlin eine internationale Fachtagung zum Thema Menschenhandel des KOK statt. Am Abend des 26.09. wird zudem das 25-jährige Bestehen des KOK e.V. gefeiert. Weitere Informationen zum Inhalt und Ablauf der Tagung folgen Anfang 2024.

 

Veranstaltung zu 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Vom 29. bis 30.11.2023 lud die Evangelische Akademie zu Berlin gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte und dem Forum Menschenrechte zu der Tagung „Universell, unteilbar und unverzichtbar – 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ ein.  Gemeinsam mit Politik, Ministerien und internationaler Zivilgesellschaft wurde zwei Tage lang diskutiert, wie es um die Verwirklichung der Menschenrechte und ihren weltweiten Geltungsanspruch steht.

 

Parlamentarisches Frühstück der CEDAW-Allianz Deutschland

Am 17.11. lud die CEDAW-Allianz Deutschland, deren Mitglied auch der KOK ist, Abgeordnete aller demokratischen Fraktionen im Bundestag zu einem parlamentarischen Frühstück unter dem Motto „Menschenrechte für alle verwirklichen – die UN-Frauenrechtskonvention als wirksames Instrument“ ein. Dabei wurden Möglichkeiten diskutiert, wie die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW als Instrument für die Verwirklichung von Gleichstellung und für mehr Frauenrechte besser in die Arbeit des Bundestages integriert werden kann.

 

Konsultationsveranstaltung zum Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen

Am 14.11. fand die Konsultationsveranstaltung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur geplanten Strategie der Bundesregierung zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Berlin statt. Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Ländern, Kommunen und Bundesressorts diskutierten im Plenum und in thematischen Workshops über Ansprüche und Erwartungen an die Gewaltschutzstrategie. Bundesministerin Paus eröffnete die Veranstaltung, deren Ergebnisse in die Erarbeitung der Strategie einfließen sollen.

RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN

GEAS –Einigung auf verschärfte Asylpolitik

Auf EU Ebene gab es nach zähen Verhandlungen am 20.12. eine Einigung auf eine grundlegende Reform des Asylsystems. Beschlossen wurden damit deutliche Verschärfungen in der gemeinsamen Asylpolitik. Die Einigung muss nun lediglich durch das Europaparlament und die EU-Staaten bestätigt werden.

Zahlreiche Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen haben ihr Entsetzen über die Einigung zum Ausdruck gebracht. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. kritisieren die Entrechtung Geflüchteter und die besonders drastischen Auswirkungen auf vulnerable Gruppen und Kinder hin.

Auch Pro Asyl verurteilte die Einigung: „Dieser von den europäischen Gesetzgebern beschlossene Abbau von Menschenrechten im Flüchtlingsschutz versperrt für viele den Zugang zu Schutz und errichtet ein System der Haftlager für Menschen, die fliehen und nichts verbrochen haben – selbst für Kinder und ihre Familien. Durch die Ausweitung des Konzepts der „sicheren Drittstaaten“ befürchten wir neue menschenrechtswidrige Deals mit autokratischen Regierungen, durch die EU-Länder sich vom Flüchtlingsschutz freikaufen wollen“, so Wiebke Judith von Pro Asyl.

Während der Verhandlungen äußerten zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch der KOK, vielfach Kritik an den Vorschlägen und der Verschärfung der Asylpolitik, in der sie einen Abbau der Menschenrechtsarchitektur in Europa sehen.

 

EU Richtlinie zur kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige

In einem gemeinsamen Statement äußern sich 18 NROs, Verbände und Gewerkschaften zur Überarbeitung der EU Richtlinie über die Verfahren zur Erteilung der kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich in einem Mitgliedsstaat aufzuhalten und zu arbeiten. Das zentrale Anliegen der Erklärung ist es, auf Abhängigkeiten und Ausbeutungen aufmerksam zu machen, die sich aus den Vorgaben der Richtlinie ergeben können. Durch das Kombinieren des Arbeits- und Aufenthaltsrechts für Drittstaatsangehörige, was dem Ziel des Abbaus bürokratischer Hürden dienen soll, ist der Aufenthaltsstatus von Migrant*innen an einen spezifischen Job und damit auch an eine*n einzige*n Arbeitgeber*in gebunden und es entstehen Abhängigkeitsverhältnisse. Diese erschweren einen Jobwechsel und können zu Ausbeutung führen.

 

EU-Gewaltschutzrichtlinie

In einem offenen Brief an die Regierung, Bundestagsausschüsse und die Medien fordern der Deutsche Frauenrat und die European Women’s Lobby (EWL) gemeinsam mit über 40 weiteren Organisationen, darunter auch der KOK, die Bundesregierung dazu auf, sich auf europäischer Ebene für Vergewaltigung als Tatbestand im EU-Gewaltschutzpaket stark zu machen. In der Europäischen Union steht die „Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ aktuell in den Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Kommission und Rat. Am 09.06.2023 verkündete der Europäische Rat, den Artikel zu Vergewaltigung aus dem Kommissionsvorschlag streichen zu wollen. Das Bundesjustizministerium und das Bundesfamilienministerium einigten sich laut einem Bericht im Tagesspiegel auf die Forderung, den Artikel zu streichen, der in einigen Mitgliedsländern zu einer Verschärfung des Strafrechts bei Vergewaltigungsfällen führen würde. Auch einem Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft habe Deutschland nicht zugestimmt berichtet der Tagesspiegel. Der Grund für die Blockade seien Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Europarecht.

 

Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für Ukrainer*innen

Die Aufenthaltserlaubnis für geflüchtete Ukrainer*innen wurde bis 2025 verlängert. Eine Verlängerung muss also in keiner Einwanderungsbehörde mehr beantragt werden. Nach der Verordnung zur Regelung der Fortgeltung der gemäß §24 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz erteilten Aufenthaltserlaubnisse für vorübergehende Schutzberechtigte aus der Ukraine sind Aufenthaltsgenehmigungen, die am 01.02.2024 noch gültig sind, automatisch bis zum 24. März 2025 verlängert (BMI).

INFORMATIONSMATERIAL UND PUBLIKATIONEN

Studie von UNODC und UN Women über Femizide

Laut einer Studie des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und UN Women mit dem Titel Gender-Related Killings of Women and Girls (Femicide/Feminicide) wurden im Jahr 2022 annähernd 89.000 Frauen und Mädchen vorsätzlich getötet. Trotz Rückgang der Gesamtzahlen der Tötungsdelikte scheinen die Daten des Jahres 2022 auf einen Anstieg der Tötungsdelikte an Frauen zu deuten.

Die meisten dieser Tötungen von Frauen und Mädchen seien geschlechtsspezifisch, und mehr als die Hälfte aller Tötungsdelikte an Frauen werden von Intimpartnern oder anderen Familienmitgliedern begangen. Das bedeute, dass im Durchschnitt jeden Tag mehr als 133 Frauen oder Mädchen von jemandem in ihrem eigenen Zuhause getötet werden.

Außerdem nehme das Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt und Femiziden infolge von Konflikten, humanitären Notsituationen, Umwelt- und Wirtschaftskrisen weiter zu. Daher seien besonders globale Maßnahmen erforderlich, um Gewalt vorzubeugen und zu verhindern. Neben Prävention und Ressourcen um Betroffene zu unterstützen, benötige es zudem bessere Strategien zur Datenerfassung und Forschung zu Gewalt gegen Frauen, um effektive Lösungen zu finden. Die Studie zeichnet Entwicklungen der vergangenen Jahre nach und unterstreicht die Notwendigkeit geeignete Präventionsmaßnahmen stärker in den Vordergrund zu stellen.

 

Entwicklung der Menschenrechtslage in Deutschland 2022-2023

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) veröffentlichte zum achten Mal den alljährlichen Bericht zur Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland, diesmal für den Zeitraum Juli 2022 und Juni 2023. Der Bericht befasst sich vertieft mit rassistischer Diskriminierung bei der polizeilichen Datenverarbeitung. Ein Kapitel beschäftigt sich mit den Entwicklungen in Bezug auf Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und kritisiert u.a. den bestehenden Mangel an Schutzräumen für Betroffene von häuslicher Gewalt und die Hürden beim Zugang zu Gewaltschutz für bestimmte Gruppen. Weitere Themen des Berichts sind u.a. fehlende Bemühungen zur Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wie ursprünglich im Koalitionsvertrag festgehalten oder Deutschland im Menschenrechtsschutzsystem.

 

Neuauflage der Zeitbild MEDICAL

Es gibt eine Neuauflage des MEDICAL „Gewalt gegen Frauen: erkennen und helfen“ (gefördert vom BMFSFJ) der Zeitbild-Stiftung. Die Publikation richtet sich hauptsächlich an Arztpraxen und Apotheken, um das Thema Gewalt gegen Frauen in den Praxisalltag zu integrieren und die Zusammenarbeit zwischen ambulanter ärztlicher Versorgung und Fachstellen zu stärken. Neben Hinweisen zu Gesprächsführung, Diagnostik und Dokumentation werden Hilfsangebote vorgestellt und betroffene Frauen dazu ermutigt, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Insgesamt ist die Neuauflage in fünf Sprachen erhältlich.

 

Feministische Halbzeitbilanz des Deutschen Frauenrates

Der Deutsche Frauenrat (DF) veröffentlicht nach der zweijährigen Amtszeit der Ampel-Koalition eine feministische Halbzeitbilanz unter dem Titel „Kein Fortschritt ohne Gleichstellung!“. Mit Bezug auf diverse Politikfelder evaluiert der DF dabei die Realisierung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen gleichstellungspolitischen Ambitionen der Bundesregierung und kommt zu einem enttäuschenden Ergebnis: „Viele Maßnahmen sind in Verzug geraten oder drohen zu scheitern. Das Fortschrittsversprechen der Ampel wartet in vielen Bereichen auf seine Einlösung.“

 

Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt

Die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte veröffentliche Anfang November die Analyse Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt – Umsetzungsempfehlungen zu Art. 59 Abs. 1-3 Istanbul-Konvention. Die Analyse hebt bestehende Schutzlücken für Betroffene häuslicher Gewalt in prekärer aufenthaltsrechtlicher Situation hervor. Es werden Vorschläge für eine menschenrechtskonforme Ausgestaltung der vollumfänglichen Umsetzung von Art. 59 Abs.1-3 Istanbul-Konvention in Deutschland gemacht. Die Berichterstattungsstelle empfiehlt in der Analyse insbesondere, einen verlängerbaren Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt aufgrund der persönlichen Lage und zur Mitwirkung im Ermittlungs- oder Strafverfahren in § 25 AufenthG mit aufzunehmen.

 

Leitfaden zum Non-Punishment Prinzip

Die thematische Arbeitsgruppe zum Thema Non-Punishment der NGO-Plattform von La Strada International, der auch der KOK angehört, hat zwei Leitfäden entwickelt, um eine bessere Anwendung des Straffreiheitsprinzips zu unterstützen und dafür zu sensibilisieren:

Ein Advocacy-Dokument zum Grundsatz der Straffreiheit, das sich an ein breites Publikum richtet und über das Prinzip der Straffreiheit und die Bedeutung seiner korrekten Anwendung informiert.

Einen Explanatory Brief zur ausführlichen Erläuterung des Grundsatzes, seine Verankerung in internationalen Instrumenten, die Verpflichtungen zur Anwendung des Grundsatzes auf der Grundlage der Menschenrechtsgesetze sowie Fallstudien, die die Anwendung des Grundsatzes in der Praxis veranschaulichen. Die beiden Dokumente werden in Kürze in weiteren Sprachen, darunter Deutsch, zur Verfügung stehen.

NEUIGKEITEN AUS DER KOK-RECHTSPRECHUNGSDATENBANK

Grundlegendes Urteil des EGMR zum Recht auf Schadensersatz bei Menschenhandel – unabhängig der Rechtmäßigkeit der ausgebübten Tätigkeit

Der EGMR leitet in dieser grundlegenden und richtungsweisenden Entscheidung vom 28.11.2023 eine positive Verpflichtung der Vertragsstaaten aus Art. 4 EMRK her, Betroffenen von Menschenhandel ein Recht auf Schadenersatz gegen Täter*innen wegen vorenthaltenen Lohns einzuräumen. Ein solches Recht soll unabhängig von der Frage eingeräumt werden, ob Prostitution in einem Vertragsstaat rechtmäßig ausgeübt werden kann. Entschädigung von Betroffenen von Menschenhandel sollte aus menschenrechtlicher Sicht die wichtigste Überlegung sein und werde u.a. vom Palermo-Protokoll und von der Europaratskonvention gegen Menschenhandel gestützt. Darüber hinaus macht der EGMR umfangreiche Ausführungen zum Tatmittel und zu Umständen, die die Abhängigkeit der Klägerin von dem Täter begründen.

Geklagt hatte eine Frau, die von einem Mann zur Prostitution gebracht worden war, der außer einem Taschengeld ihren ganzen Verdienst einbehalten hatte. Er hatte sie wiederholt zur Prostitution überredet, indem er vorgab, dass er und seine Familie von ihrem Verdienst abhängig seien. Er drohte ihr auch damit, ihrer Familie und den Nachbarn von ihrer Tätigkeit als Prostituierte zu erzählen. Ihren Personalausweis hatte er abgenommen.

RUBRIK WISSEN – JAHRESRÜCKBLICK 2023

Zum Ende des Jahres und zur Halbzeit der Amtsperiode der Bundesregierung blicken wir zurück. Viele der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel, Gewalt gegen Frauen und dem fairen Umgang mit Schutzsuchenden, die nach Deutschland und Europa kommen, wurden bisher (noch) nicht umgesetzt. Insbesondere die Schaffung eines humanitären Aufenthaltsrechts für Betroffene von Menschenhandel steht aus. Der KOK hat sich im vergangenen Jahr nachdrücklich für eine zügige Umsetzung dieses Vorhabens eingesetzt, der Politik konkrete Umsetzungsvorschläge vorgelegt und diese in Gesprächen mit verschiedenen Abgeordneten diskutiert.

Der Bericht Datenerhebung zu Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland 2022, der im Oktober veröffentlicht wurde, bekräftigt diese Forderung zusätzlich. Die Auswertung zeigte ein anhaltend hohes Fallaufkommen in den Fachberatungsstellen, mit vielen Klient*innen aus Drittstaaten. Ein humanitäres Aufenthaltsrecht ist für sie von entscheidender Bedeutung, um ihre Rechte auf Schutz und Unterstützung wahrnehmen zu können.

Auch die bundesgesetzliche Regelung zum Schutz vor Gewalt ist noch ausstehend, was die umfassende Versorgung von Gewaltbetroffenen und den Zugang zu Frauenhäusern und Schutzwohnungen behindert.

Besondere Besorgnis erregen die von Deutschland mitgetragenen Verschärfungen in der europäischen Migrations- und Asylpolitik, die das Risiko für Frauen und vulnerable Gruppen erhöhen, Opfer von Gewalt, Menschenhandel und Ausbeutung zu werden. Der KOK hat sich intensiv mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen und Bündnispartnern in Deutschland und auf europäischer Ebene ausgetauscht und sich an Kampagnen beteiligt, die die Wahrung der Menschenrechte für Geflüchtete einfordern. Anlässlich des 75. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wollen und werden wir nicht akzeptieren, dass dieser wichtige Kompass der Weltgemeinschaft an Weisungskraft verliert und nationalistische und menschenfeindliche Strömungen weiter erstarken.
Im Projekt Flucht und Menschenhandel hat der KOK sich weiter dafür eingesetzt, die Identifizierung Betroffener von Menschenhandel und anderer vulnerabler Gruppen im Asylverfahren zu verbessern. Durch einen gemeinsamen regionalen Praxisfachtag mit Sonderbeauftragten für Opfer von Menschenhandel des BAMF und Vertreterinnen der spezialisierten Fachberatungsstellen konnten hierfür erste konkrete Schritte umgesetzt werden, die Vernetzung auf regionaler Ebene wurde intensiviert. Zudem wurden Schulungen für verschiedene Berufsgruppen angeboten. In ersten bundesweiten digitalen Treffen für Mitarbeitende von Peer-Projekten der Fachberatungsstellen konnte das Thema Peer-to-Peer Arbeit in den Beratungsstellen auf Bundesebene diskutiert und erstmals ein bundeslandübergreifendes Format für den Austausch geschaffen werden.

Erfreuliche Entwicklungen und Ereignisse waren der Start der Berichterstattungsstelle Menschenhandel und der Beginn des Beteiligungsprozesses zur Entwicklung eines nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel. Der KOK reichte eine Kommentierung zur Ausgestaltung des Nationalen Aktionsplans (NAP) der Bundesregierung zur Bekämpfung des Menschenhandels ein. Anfang des Jahres wurde die Umsetzung der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels durch die Expert*innengruppe GRETA evaluiert, wozu der der KOK einen NGO-Bericht einreichte. Im Mai organisierte der KOK im Rahmen des Länderbesuchs der Expert*innengruppe ein Austauschtreffen mit Vertreter*innen von GRETA und den Mitgliedsorganisationen des KOK und Vernetzungspartnern, bei dem sehr konstruktiv über die im NGO-Bericht benannten Problemstellungen und Herausforderungen, sowie weitere aktuelle Entwicklungen diskutiert wurde. 

Das Thema Digitalisierung im Menschenhandel hat den KOK auch 2023 begleitet. Die bereits Ende 2022 veröffentlichte Studie Menschenhandel 2.0 – Digitalisierung des Menschenhandels in Deutschland und ihre Ergebnisse wurden in verschiedenen Veranstaltungen durch den KOK vorgestellt und diskutiert. Die Digitalisierung der Beratungsarbeit und Digital Streetwork war eines der Schwerpunktthemen auf der ersten Mitgliederversammlung 2023 und wurde auch im Anschluss mit den Mitgliedsorganisationen diskutiert.

Der Einsatz für Menschenrechte und für einen rechtebasierten Ansatz in der Politik zu Menschenhandel bleibt daher unverzichtbar und wird auch 2024 die Richtschnur der Arbeit des KOK sein. Durch diese Arbeit möchten wir auch weiterhin unsere Mitgliedsorganisationen unterstützen, denn es sind die spezialisierten Fachberatungsstellen, die diese unverzichtbare Menschenrechtsarbeit praktisch, oft unter finanzieller und personeller Ressourcenknappheit, leisten.

Weitere Aktivitäten des KOK und Ereignisse des Jahres 2023 finden Sie auch in unserem Jahresbericht.

Ein Ausblick auf 2024: Bitte merken Sie sich den 26. und 27. September für unsere internationale Fachtagung zum Thema Menschenhandel vor.

 

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