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NEUIGKEITEN

Einigung auf Reform der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel
Die belgische Ratspräsidentschaft und Vertreter*innen des Europäischen Parlaments haben am 23.01. eine vorläufige Einigung in Bezug auf die Überarbeitung und umfassende Ergänzung der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel erzielt. Zwangsheirat, illegale Adoption und erzwungene Leihmutterschaft sollen als weitere Ausbeutungsformen aufgenommen werden. Die neue Richtlinie enthält auch Maßnahmen, um der verstärkenden Wirkung entgegenzuwirken, die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf den Menschenhandel haben können. Zum Beispiel soll die Verbreitung von Bildern, Videos oder ähnlichem Material der Betroffenen, die die Täter*innen mithilfe von IKT erstellen oder verbreiten, unterbunden werden. Weiterhin sieht die Richtlinie vor, dass die EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen, Personen, die wissentlich Dienstleistungen von Betroffenen des Menschenhandels in Anspruch nehmen, zu sanktionieren. Die Unterstützung und Hilfe für Betroffene sowie Präventionsmaßnahmen sollen ebenfalls durch verschiedene Änderungen gestärkt werden. Bevor die Neufassung der Richtlinie in Kraft treten kann, muss sie noch formell vom EU-Parlament verabschiedet werden, dies ist für den 22.04. vorgesehen. Der neue Richtlinientext selbst ist noch nicht veröffentlicht.

 

 

Deutliche Verschärfungen beim Zugang zum Europäischen Asylsystem durch Annahme der GEAS Reform

In einer Plenarsitzung am 10. April 2024 stimmte das Europäische Parlament der Reform des Gemeinsamen Europäische Asylsystems (GEAS) zu. Dadurch wird das Gemeinsame Europäische Asylsystem grundlegend reformiert und vor allem deutlich verschärft. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen bspw. einheitliche beschleunigte Verfahren an den EU-Außengrenzen durchführen. Diese Verfahren sind vor allem für Schutzsuchende vorgesehen, die aus Ländern mit einer Schutzquote von 20 Prozent oder weniger kommen, für Personen, die keine Dokumente vorweisen können oder die bei der ersten Anhörung widersprüchliche Aussagen gemacht haben. Sie sollen währenddessen (bis zu zwölf Wochen) in Auffanglagern untergebracht werden. Der Zugang zu fairen Asylverfahren und zu Rechtsmitteln wird für Schutzsuchende insgesamt deutlich eingeschränkt, für besonders vulnerable Personen, wie z.B. Betroffene von Menschenhandel oder von geschlechtsspezifischer Gewalt verschärft sich die Situation deutlich, da sie in den beschleunigten Verfahren wohl meist nicht identifiziert werden.

PICUM sieht die Wahrscheinlichkeit weitreichender Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen durch die Reform.

Während der gesamten Verhandlungen äußerten zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch der KOK, vielfach Kritik an den Vorschlägen und der Verschärfung der Asylpolitik, in der sie einen Abbau der Menschenrechtsarchitektur in Europa sehen.  Die Appelle sprechen sich gegen die Entrechtung Geflüchteter und für eine menschenrechtskonforme Asylpolitik aus.

Eine detaillierte Übersicht über die beschlossenen Änderungen bietet der Mediendienst Integration.

 

Positionierung des Paritätischen Gesamtverbands zur Flüchtlingspolitik

In einer grundsätzlichen Positionierung zur Flüchtlingspolitik stellt sich der Paritätische Gesamtverband entschlossen gegen die Entrechtung und Ausgrenzung Geflüchteter. Der Verband nimmt zu zentralen Themen der gegenwärtigen politischen Diskussion Stellung. Er setzt sich für das individuelle Recht auf Asyl ein und fordert mehr legale Zugangswege für Geflüchtete, eine humane Gesellschaft sowie den Einbezug Geflüchteter in die sozialen Regelsysteme und eine soziale, gestaltende und solidarische Politik.

 

Deutsches Institut für Menschenrechte - Strategie 2024-28

Unter dem Titel „Die Herausforderungen unserer Zeit menschenrechtlich gestalten“ veröffentlichte das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) seine Strategie für die Jahre 2024-2028. Das Institut stellt die internen und externen Aufgabengebiete vor, denen es sich in den kommenden Jahren vorrangig widmen wird. Einen Fokus setzt das DIMR auf die Bekräftigung der Gleichheit aller Menschen und auf die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ziele in der Strategie sind u.a. die Weiterentwicklung des Gewaltschutzes und des Schutzes vor Menschenhandel, eine menschenrechtsbasierte Flucht- und Migrationspolitik oder die menschenrechtskonforme Gestaltung der Auswirkungen von Digitalisierung.

 

Bündnis AGG-Reform Jetzt! fordert die Annahme der Reform des AGG

Ein Offener Brief des zivilgesellschaftlichen Bündnisses AGG-Reform Jetzt! erinnert die Bundesregierung an ihr Koalitionsversprechen und fordert eine sofortige Annahme der Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Um die Demokratie zu schützen, bräuchte es einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen. Die Betroffenen erleben den Mangel an politischer Thematisierung und die wahrgenommene Sanktionsfreiheit laufend in ihrem Alltag. Der Rechtsruck in politischen und gesellschaftlichen Diskursen verschiebe auch das Sagbare nach rechts, mit Folgen für von Diskriminierung betroffene Menschen, so das Bündnis. Die Beratungsanfragen Betroffener an entsprechende Beratungsstellen seien in den letzten Monaten noch einmal stark angestiegen.  

 

Bericht der Menschenrechtskommissarin: Sexuelle und Reproduktive Gesundheit in Europa

Die Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatović veröffentlichte am 27.02. den Bericht„Sexual and Reproductive Health and Rights in Europe: Progress and Challenges“, der die Entwicklungen, Herausforderungen und Defizite im Bereich der sexuellen und reproduktiven Rechte in Europa analysiert. In diesem Rahmen präsentiert die Kommissarin eine Reihe von Empfehlungen, um die Rechte zu sexueller und reproduktiver Gesundheit in Europa in Einklang mit internationalen Menschenrechtsvorschriften zu bringen.

Im Vorfeld zur Veröffentlichung des Berichts hat sich die Menschenrechtskommissarin in einer Stellungnahme zu der Notwendigkeit des Menschenrechtsschutzes von Sexarbeiter*innen geäußert und die Mitgliedsstaaten des Europarates dazu aufgefordert, einen menschenrechtsbasierten Ansatz im Umgang mit Sexarbeit zu wählen, der den Schutz von Sexarbeiter*innen vor Gewalt und Missbrauch, ihren gleichberechtigten Zugang zu Gesundheit und anderen sozialen Rechten sowie ihr Recht auf Privatleben und Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben gewährleistet. Am 01.04.24 übernahm Michael O’Flaherty (vormals Direktor der Europäischen Agentur für Grundrechte) das Amt des Menschenrechtskommissars.

 

Definition geschlechtsspezifischer Gewalt

Die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ wird von den Mitgliedsorganisationen des Bündnisses Istanbul-Konvention (BIK), darunter der KOK e.V., unterstützt. In Anbetracht des gesellschaftspolitischen und rechtlichen Wandels, der sich seit der Verabschiedung des Übereinkommens auch in Deutschland vollzogen hat, sah es das BIK als notwendig, den Begriff der „geschlechtsspezifischen Gewalt“ und die strukturell betroffenen Personengruppen zu spezifizieren und einigte sich auf eine Definition. Dabei soll deutlich werden, wem ein Schutzanspruch außerhalb eines binären Geschlechterschemas zukommen soll.

 

Deutschland nimmt Großteil der Empfehlungen des Menschenrechtsrats an

Im Rahmen der Allgemeinen Periodischen Länderüberprüfung (Universal Periodic Review, UPR) erklärte Deutschland am 09.11.2023 vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf, wie es im eigenen Land die menschenrechtlichen Verpflichtungen umsetzt. Das FORUM MENSCHENRECHTE kritisierte im Vorfeld u.a. die unzureichende Strafverfolgung von Hasskriminalität sowie die fehlenden Reaktionen der Bundesregierung auf die rasant gestiegene Armut in Deutschland. Zur Menschenrechtssituation in Deutschland gaben die UN-Mitgliedsstaaten im Anschluss an die Anhörung 346 Empfehlungen ab, darunter auch mehrere Empfehlungen, die sich auf die Verbesserung der Bekämpfung von Menschenhandel und auf den Ausbau des Unterstützungssystems für Betroffene beziehen. Die Bundesregierung erklärte nun die Annahme von 282 dieser Empfehlungen. Viele der Empfehlungen zur Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und Hasskriminalität wurden von der Bundesregierung akzeptiert, struktureller Rassismus in den Institutionen wurde dagegen nicht erkannt. Auch zu einem besseren Schutz vor häuslicher Gewalt bekennt sich die Bundesregierung. Weitere angenommene Empfehlungen, die der KOK ebenfalls begrüßt, beziehen sich u.a. auf die Bekämpfung von Menschenhandel und den Ausbau der Unterstützungsstruktur für Betroffene von Menschenhandel Das FORUM MENSCHENRECHTE begrüßte den konstruktiven Austausch mit der Bundesregierung, fordert nun aber auch, dass konkrete politische Maßnahmen aus den Empfehlungen folgen.

 

Europol identifiziert die bedrohlichsten kriminellen Netzwerke in der EU

Eine bedeutende Gefahr für die innere Sicherheit der Europäischen Union (EU) bleibt die Organisierte Kriminalität. Um die Priorisierung von Ressourcen und die Lenkung politischer Maßnahmen effektiv voranzutreiben, sei es notwendig, dass Strafverfolgungsbehörden und politische Entscheidungsträger*innen kriminelle Netzwerke, die in der EU tätig sind, zu verstehen.

Der neue Europol-Bericht stellt eine Analyse krimineller Netzwerke in Europa aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden vor. Alle EU-Mitgliedsstaaten sowie 17 Partnerländer außerhalb der EU haben Daten für die tiefgehende Analyse an Europol geliefert. So ist ein detailliertes Profil von 821 kriminellen Netzwerke entstanden.

Der Bericht erläutert ausführlich, wie die Netzwerke strukturiert sind, welche kriminellen Tätigkeiten sie ausüben und wie und wo sie tätig sind. Die Analyse benennt zudem Merkmale der Bedrohung, die von den Netzwerken ausgehen: Sie arbeiten häufig agil, unabhängig von Ländergrenzen, haben vollständige Kontrolle über ihre Aktivitäten und arbeiten destruktiv in Bezug auf die innere Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wirtschaft der EU.

Zu den analysierten Netzwerken gehören Gruppen, die in Bereichen wie Drogenhandel, Menschenhandel oder Betrug tätig sind. Ihre Aktivitäten erstrecken sich häufig über mehrere EU-Mitgliedstaaten und erfordern somit eine koordinierte Reaktion auf EU-Ebene. Der Bericht kann die Grundlage für weitere Maßnahmen sein, die Netzwerke zu bekämpfen und deren Aktivitäten einzudämmen.

 

Europarat kritisiert die Menschenrechtslage in Deutschland

Die bis Ende März amtierende Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, besuchte Deutschland Ende 2023 und führte dabei u.a. Gespräche mit deutschen Behörden und Organisationen der Zivilgesellschaft. In ihrem nun veröffentlichten Länderbericht, der sich auf Strukturen und Rechtsrahmen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte sowie Zugang zu sozialen Rechten, insbesondere Schutz vor Armut und das Recht auf angemessenen Wohnraum konzentriert, kritisiert sie die Lage in Deutschland. So würden soziale Rechte oft nicht als Grund- und Menschenrechte angesehen, die der Staat verwirklichen muss. Besonderen Handlungsbedarf sieht sie u.a. in den Bereichen Kinderarmut, Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und beim Problem der Wohnungslosigkeit. Auch die Verwirklichung der Rechte von Kindern und Jugendlichen stünde bei Behörden und öffentlichen Einrichtungen häufig nicht im Fokus und müsse angegangen werden. Die Bundesregierung hat zu dem Bericht Stellung genommen.

Am 01.04.24 hat Michael O’Flaherty (vormals Direktor der Europäischen Agentur für Grundrechte) für eine nicht verlängerbare Amtszeit von 6 Jahren das Amt des Menschenrechtskommissars angetreten.

 

15 Jahre europäische Expert*innenkommission zu Menschenhandel: „The practical impact of GRETA’s work”

Im Zuge ihrer 50. Plenarsitzung hat GRETA, die Sachverständigengruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels des Europarates, eine Bilanz ihrer 15-jährigen Tätigkeit zum Monitoring der Umsetzung der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels gezogen. Hierzu wurde ein Bericht veröffentlicht, der die Auswirkungen der Arbeit von GRETA in den Vertragsstaaten beleuchtet und Beispiele, wie Änderungen der Kriminalisierung des Menschenhandels und Aufenthaltsgenehmigungen für Betroffene, hervorhebt. Noch ausstehende Handlungsempfehlungen werden nicht im Bericht berücksichtigt.

 

Der KOK in den Sozialen Medien

Der KOK hat seine Social-Media-Präsenz überarbeitet. Am 4. März 2024 haben wir X verlassen und sind nun bei Bluesky (@kok-antitraffic.bsky.social), Instagram (@kok_gegen_menschenhandel) und auf LinkedIn vertreten. Wir freuen uns über Follower*innen!

 

#ProtectNotSurveil Stellungnahme zum EU-KI-Gesetz

Das Europäische Parlament hat am 13. März den endgültigen Text des EU-Gesetzes über künstliche Intelligenz angenommen und so erstmals auf EU-Ebene Regelungen zum Einsatz von KI geschaffen.  Der Umgang mit KI soll so sicherer gemacht werden, etwa mit Auflagen für die Gesichtserkennung oder ChatGPT. Bereits im Vorfeld der Abstimmung gab aus der Zivilgesellschaft die Forderung, Grenzen für Überwachungstechnologien festzulegen, durch die unkontrollierte Formen der diskriminierenden und massenhaften Überwachung, bspw. im Bereich Migrationskontrolle, verhindert würden. Dies ist nicht gelungen, wie das Bündnis #ProtectNotSurveil in einer gemeinsamen Stellungnahme kritisiert. Die Gesetzgebung entwickelt einen separaten Rechtsrahmen für den Einsatz von KI durch Strafverfolgungs-, Migrationskontroll- und nationale Sicherheitsbehörden, bietet ungerechtfertigte Schlupflöcher und fördert sogar den Einsatz gefährlicher Systeme für die diskriminierende Überwachung der am stärksten ausgegrenzten Personen, so das Bündnis.

 

Wofür Ihre Spende benötigt und eingesetzt wird, können Sie in unserem betterplace-Projekt nachlesen und dort auch direkt spenden.

VERÖFFENTLICHUNGEN DES KOK

Orientierungshilfe für Sozialarbeitende zu Menschenhandel und Ausbeutung
Im Rahmen der aufsuchenden Arbeit oder in sozialen Einrichtungen können Sozialarbeitende in Kontakt mit Betroffenen von Menschenhandel und Ausbeutung kommen. Sie können so zentrale Akteure bei der Identifizierung Betroffener sein. Die neue KOK-Orientierungshilfe soll Praktiker*innen, insbesondere Sozialarbeitenden in der Wohnungslosenhilfe, in diesen Fällen konkrete Informationen an die Hand geben, was Menschenhandel ist, welche Rechte Betroffene haben und welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt.

 

Praxishandreichung zum Neuen Sozialen Entschädigungsrecht

Das SGB XIV – das neue Soziale Entschädigungsrecht (SER) – ist Anfang 2024 vollumfänglich in Kraft getreten. Betroffene von Gewalttaten, wie Menschenhandel, können hiernach unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch auf Leistungen haben. Welche Voraussetzungen diese sind, wie das Verfahren funktioniert, welche Leistungen das SER bereithält und wie Fachberatungsstellen im Verfahren am besten mitwirken können, fasst eine neue Praxishandreichung zusammen, die der KOK zusammen mit der BKSF (Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend) und dem bff (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) erarbeitet hat. Die Arbeitshilfe soll insbesondere Mitarbeitenden in spezialisierten Fachberatungsstellen einen ersten Überblick über die Regelungen des neuen Soziale Entschädigungsrecht geben und erläutern, wie sie Betroffene im Antrags- und Leistungsverfahren bestmöglich begleiten können.

 

KOK Informationsdienst 2023

Es sind bestimmte Anlässe, zu denen verstärkt über Menschenhandel berichtet wird, häufig z.B. wenn es große Razzien der Strafverfolgungsbehörden oder Gerichtsverfahren gibt. Nach wie vor werden dabei bestimmte Aspekte und Narrative medial häufiger aufgegriffen als andere, wodurch ein einseitiges Bild des Phänomens gezeichnet wird. Dies hat der KOK e.V. zum Anlass genommen, um im Informationsdienst 2023, der Ende Dezember erschien,  Menschenhandel in der medialen Berichterstattung aufzugreifen.

 

Veröffentlichungen zum Non-Punishment Prinzip

Um das Non- Punishment Prinzip in Deutschland besser umzusetzen, hat der KOK e.V. zusammen mit LSI – La Strada International und weiteren Organisationen des Netzwerkes Dokumente zum Non-Punishment Prinzip veröffentlicht, das Ausdruck eines betroffenen-zentrierten und menschenrechtsbasierten Ansatzes bei der Bekämpfung von Menschenhandel ist. Es bezeichnet das Recht auf Absehen von Strafe für Betroffene von Menschenhandel. Die Dokumente erläutern jeweils die nationalen und internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anwendung des Prinzips in verschiedenen Ländern. Auch für Deutschland wurden ein Advocacy Dokument und ein erläuternder Hinweis erstellt. Die Dokumente für Dänemark, Frankreich, Italien, Schweiz, Serbien und Spanien sind auf der Seite von La Strada International zu finden.

 

Forderungen des KOK zur Europawahl

Europa steht nicht im Juni nur vor einer Neuwahl des Europäischen Parlamentes, sondern vor großen Herausforderungen und Krisen. Es ist daher wichtiger denn je, für ein offenes, demokratisches und solidarisches Europa einzustehen, das auf den Grundwerten der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit basiert. Der KOK hat vor diesem Hintergrund seine Forderungen zur Europawahl veröffentlicht und an die demokratischen Parteien in Deutschland  geschickt.

KOK-INTERNE VERANSTALTUNGEN

KOK Mitgliederversammlung

Bei der KOK-Mitgliederversammlung, die vom 18.-19. März 2024 in Berlin stattfand, haben die Mitgliedsorganisationen den Vorstand für die nächsten zwei Jahre gewählt.

Die bisherigen Vorstandsmitglieder Andrea Hitzke (Mitgliedsorganisation Dortmunder Mitternachtsmission e.V.), Margarete Mureșan (Mitgliedsorganisation IN VIA), Claudia Robbe (Mitgliedsorganisation Fraueninformationszentrum FiZ) und Radostina Frevert-Todorova  (Mitgliedsorganisation Kobra e.V.) haben sich für eine weitere Amtsperiode zur Wahl gestellt und wurden wiedergewählt.

Als neues Mitglied können wir Dr. Adina Schwartz (Mitgliedsorganisation JADWIGA) im Vorstand begrüßen.

 

Lunchtalk für Mitarbeiter*innen der Wohnungslosenhilfe

Am 28.02. veranstaltete der KOK einen Lunchtalk, der sich an Mitarbeitende der Wohnungslosenhilfe richtete und bei dem die Orientierungshilfe für Sozialarbeitende zu Menschenhandel und Ausbeutung vorgestellt wurde (siehe KOK-Veröffentlichungen in diesem Newsletter). Dieser Lunchtalk kann als Auftakt für eine stärkere Vernetzung mit Akteuren der Wohnungslosenhilfe gesehen werden, da im Rahmen der aufsuchenden Arbeit oder in sozialen Einrichtungen Sozialarbeitende in Kontakt mit Betroffenen von Menschenhandel und Ausbeutung kommen können.

 

KOK-Veranstaltungen zum Neuen Sozialen Entschädigungsrecht

Ergänzend zur Veröffentlichung der Praxishandreichung zum Neuen Sozialen Entschädigungsrecht (siehe unter KOK-Veröffentlichungen in diesem Newsletter) fanden zwei Veranstaltungen statt. In einem gemeinsamen digitalen Lunchtalk von KOK, bff e.V. (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) und BKSF (Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend) wurde die Handreichung am 30.01. interessierten Fachakteuren vorgestellt und Fragen zur Handreichung und zur neuen Gesetzeslage diskutiert. Zusätzlich fand am 10.04. eine digitale Schulung zum neuen SGB XIV und zu dessen Anwendung in der Beratungspraxis für die KOK-Mitgliedsorganisationen statt.

VERANSTALTUNGEN

Die Einladung mit vorläufigem Programm, weiteren Informationen und Anmeldelink folgt in Kürze und wird auch auf der Website des KOK zu finden sein.

 

Fachtagung Kooperation bei Fällen häuslicher Gewalt

Am 21.11.2024 von 11:30 bis 17:15Uhr findet die Fachtagung „Kooperation in Fällen von häuslicher Gewalt: Täterarbeit als Bestandteil des Risikomanagements“ im Haus der Demokratie und Menschenrechte R.-Havemann-Saal Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin statt. Eine Anmeldung ist unter anmeldung(at)bag-taeterarbeit.de bis zum 30.05.2024 möglich.

 

Deutscher Präventionstag 2024 – Gemeinsamer Stand KOK und IN VIA

Vom 10.-11.06.2024 findet in Cottbus der 29. Deutsche Präventionstag mit dem Schwerpunktthema „Sicherheit im Wandel“ statt.
Der KOK wird gemeinsam mit IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit für das Erzbistum Berlin e.V. einen Infostand (Standnummer 1091) zum Thema Menschenhandel anbieten. Weitere Infos gibt es auf der Seite vom Deutschen Präventionstag.

 

Treffen des Migrationspolitischen Forums

Zum Anlass des 75. Jahrestags des Grundgesetzes und Asylrechts lädt das Migrationspolitische Forum zum Austausch am 23. Mai 2024 ein. Die Veranstaltung findet in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin statt. Auswärtigen Gästen ist es möglich die Diskussion per digitalem Streaming über Zoom zu verfolgen, jedoch ist eine direkte Beteiligung lediglich per Chat-Funktion möglich.

RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN

Einigung auf EU Richtlinie zu Gewaltschutz

Am 06.02.2024 einigten sich der Rat der Europäischen Union unter belgischer Ratspräsidentschaft und das Europäische Parlament auf eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. In einer Pressemitteilung begrüßte Bundesfrauenministerin Paus die Einigung als einen „Meilenstein für Europa“. Es ist das erste Mal, dass die Kriminalisierung bestimmter Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt EU-weit geregelt wird.

Die Richtlinie verspricht unter anderem einen verbesserten Zugang zu Justiz, EU-weite Standards zur Ahndung von weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsheirat, sowie einheitliche Standards zur Unterstützung und Betreuung von Betroffenen. Des Weiteren sieht die Richtlinie eine erstmalige Regelung von gegen Frauen gerichtete Online-Gewalt vor und ist somit ein wichtiger Schritt in der Bekämpfung von digitaler Gewalt. Insgesamt begrüßen auch zivilgesellschaftliche Organisationen die Einigung auf eine EU-Richtlinie zum Gewaltschutz, kritisieren aber die Weigerung einiger Mitgliedsstaaten (darunter auch Deutschland), den Tatbestand der Vergewaltigung in die Richtlinie aufzunehmen. In einem offenen Brief äußerten sich verschiedene internationale Organisationen dazu (u.a. La Strada International und PICUM), auch in Deutschland gab es deutliche Kritik, ebenfalls in einem offenen Brief, den über 100 Frauen aus Politik, Kultur und Wirtschaft sowie verschiedene Organisationen unterzeichneten. Für den 23.04. ist die Schlussabstimmung im Plenum des Parlaments über die Richtlinie vorgesehen. Nach in Kraft treten haben die Mitgliedsstaaten drei Jahre Zeit, die Bestimmungen auf nationaler Ebene umzusetzen.

 

Inkrafttreten des EU-Digital Services Act

Am 17.02.2024 ist der EU Digital Services Act (DSA) in Kraft getreten. Das Gesetz wurde in einer Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb) als Meilenstein für eine einheitliche europaweite Regulierung digitaler Dienste begrüßt. Es zielt darauf ab, ein sicheres Online-Umfeld zu schaffen und einen gewaltfreien Diskurs in der demokratischen Gesellschaft zu fördern. Der djb betont jedoch, dass vor allem Frauen und Mitglieder der LGBTIQ*-Community von digitaler Gewalt betroffen seien und der DSA weder die bestehenden Schutzlücken schließt noch wird die Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen verbessert. Kritisiert wird das Fehlen von Löschungsansprüchen, klaren Fristen für die Reaktion der Dienstanbieter*innen auf rechtswidrige Inhalte und einer klaren Definition dieser Inhalte.

Das von der Bundesregierung eingebrachte Digitale-Dienste-Gesetz zur nationalen Umsetzung des DSA, wurde am 21.03. vom Bundestag verabschiedet.

 

Stellungnahmen zur aktualisierten Opferschutzrichtlinie

Die FEMM und LIBE Ausschüsse des Europa Parlaments haben einen Entwurf ihrer Stellungnahme zu den überarbeiteten Vorschriften der EU-Opferschutzrichtlinie angenommen. Die aktualisierte Richtlinie zielt darauf ab, dass Betroffene von Straftaten mehr Unterstützung und einen besseren Zugang zu Informationen und Entschädigung erhalten. In einer Pressemitteilung von  der Platform on international Cooperation on Undocumented Migrants (PICUM) und La Strada International (LSI) werden die Überarbeitung und damit einhergehenden Verbesserungen für Opfer von Straftaten begrüßt. Gleichzeitig wird bedauert, dass die Richtlinie keinen umfassenden Schutz vor der Weitergabe sensibler Daten an Einwanderungsbehörden einführt. Bereits im Vorfeld haben mehr als 50 Menschenrechtsorganisationen, darunter der KOK, eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der die Verhandlungsführer*innen auf EU-Ebene aufgefordert werden, die Rechte aller Opfer von Straftaten zu stärken, unabhängig vom Aufenthaltsstatus.

 

Vorläufige Einigung über das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit in der EU

Der Europäische Rat und das Parlament erzielten am 05.03.2024 eine vorläufige politische Einigung über das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit in der EU. Die Einigung verbietet die Einfuhr, Bereitstellung und Ausfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit und legt Kriterien fest, die bei der Bewertung über die Wahrscheinlichkeit von Verstößen gegen die Verordnung anzuwenden sind. Entscheidet eine zuständige nationale Behörde über das Verbot eines Produkts, so gilt die Entscheidung nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in allen anderen Mitgliedstaaten. Die Einigung ist vorerst provisorisch und muss nun von beiden Organen gebilligt und förmlich angenommen werden.

 

EU stimmt für Lieferkettengesetz

Die EU-Staaten haben am 15.03. mehrheitlich für das EU-Lieferkettengesetz gestimmt, das zum Schutz von Arbeitnehmer*innen und von Kindern vor Ausbeutung und zum Schutz der Umwelt beitragen soll. Die nun abgestimmte Version wurde, im Vergleich zum Entwurf vom letzten Dezember, noch einmal abgeschwächt. Es gilt eine Übergangsfrist von fünf Jahren und für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von mindestens 450 Millionen Euro (statt für Unternehmen mit 500 Angestellten und einem Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro). Deutschland hat sich bei der Abstimmung enthalten, was wie eine Nein-Stimme gilt. Die Initiative Lieferkettengesetz bezeichnet die Einigung als Erfolg und einen guten Tag für Menschenrechte und Umweltschutz.

 

Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete

Am 10.04.2024 genehmigte der Ausschuss für Inneres und Heimat Änderungen am AsylbLG, die die Einführung der Bezahlkarte in den Bundesländern absichern sollen. Neben bereits bestehenden Regelungen zu Sachleistungen oder Geldleistungen wird mit dem Änderungsantrag die Option der Bezahlkarte explizit in das AsylbLG aufgenommen. Der Änderungsantrag besagt, dass die Bundesländer für die Einführung, Gestaltung und Höhe des verfügbaren Betrages der Bezahlkarte zuständig seien, damit die individuellen Bedürfnisse und Umstände vor Ort berücksichtigt werden könnten. Daher können die Leistungsbehörden im Rahmen der Ermessensausübung auch die Entscheidung treffen, die Karte im Einzelfall nicht zu verwenden. Die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender hat die Änderungen zur Bezahlkarte zusammengefasst.

Am 12. April 2024 stimmte nun der Bundestag für den Gesetzentwurf und damit für die bundesrechtliche Absicherung der Bezahlkarte für Asylsuchende.  Die Bezahlkarte steht in der Kritik. Der Ausschuss für Migrationsrecht der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisiert bspw., dass die Verwaltung die technische Option habe, den aktuellen Guthabenstand der Karte laufend zu überprüfen und eine unmittelbare Kartensperrung durchzuführen. Zudem sei es möglich, den Anwendungsbereich der Karte zu begrenzen, indem dieser an ein bestimmtes Postleitzahlgebiet gebunden werde oder konkrete Händlergruppen ausgeschlossen werden. Der Wareneinkauf, die Ortschaften für einen solchen Einkauf, der Besitz von Bargeld sowie der Ausschluss von Überweisungen könnten folglich von außen festgelegt werden.

Laut Migrationsausschuss der BRAK stellen die geplanten Funktionen einen Anknüpfpunkt für Eingriffe in das Grundrecht sowie Datenschutzbelange dar. Auch der Paritätische Gesamtverband findet deutliche Kritik an der Regelung und sieht sie als Instrument zur „Gängelung, Kontrolle und Diskriminierung Geflüchteter im Asylbewerberleistungsbezug“.

INFORMATIONSMATERIAL UND PUBLIKATIONEN

Studie zur Gesundheit von Sexarbeiter*innen

Die Deutsche Aidshilfe hat eine Studie zu den Gesundheitsbedürfnissen von Sexarbeiter*innen veröffentlicht. Sie basiert auf einem zweijährigen partizipativen Forschungsprojekt, wurde vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und zeichnet erstmals ein umfassendes Bild über die Bedarfe von Sexarbeiter*innen. 

Es werden vier Kernprobleme benannt, die Sexarbeiter*innen am aktiven Schutz ihrer Gesundheit hindern können:

  • Gewalterfahrung und/oder Angst vor Gewalt
  • finanzielle Not
  • psychische Belastungen, oft in Zusammenhang mit Stigmatisierung
  • fehlende Legalität und die Angst vor Strafverfolgung

Der letzte Punkt spiele unter anderem dann eine Rolle, wenn die Sexarbeiter*innen in Sperrbezirken arbeiten müssten, nach dem Prostituiertenschutzgesetz nicht angemeldet sind oder bei Menschen ohne Aufenthaltstitel, die Angst vor Abschiebung haben.     
Gleichzeitig sprechen die Teilnehmer*innen der Studie, die alle in verschiedenen Settings in der Sexarbeit tätig sind, dem Thema sexuelle Gesundheit und Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen eine hohe Bedeutung zu. Sie wünschten sich Zugang zu Informationen, um zum Beispiel auch neue Schutzstrategien vor HIV anwenden zu können.  
Die Studie hebt die entscheidende Funktion von Fachberatungsstellen als wichtige Anlaufstellen für Sexarbeiter*innen hervor. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine Stärkung der Hilfestrukturen dazu beitragen kann, ausbeuterische Situationen zu vermeiden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten Unterstützung und Beratung für Sexarbeiter*innen.

Die Ergebnisse der Studie sowie Empfehlungen zur Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Gesundheitsbedingungen von Sexarbeiter*innen sind auf der Seite der Deutschen Aidshilfe veröffentlicht.

 

DIW-Bericht: Verlängerte Leistungseinschränkungen für Geflüchtete – Negative Konsequenzen für Gesundheit

Der maximale Geltungszeitraum des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) wurde Ende Februar 2024 auf drei Jahre erhöht. Das Gesetz regelt die Höhe und Form von Sozialleistungen die Asylbewerber*innen in Deutschland erhalten können, bevor auch sie einen Anspruch auf Bürgergeld und andere Sozialleistungen haben. Einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge belastet dieses Gesetz besonders Menschen mit weniger Bildung und geringen Deutschkenntnissen. Die verlängerten Leistungseinschränkungen verschlechtern die Gesundheitsversorgung der Betroffenen und erhöhen langfristig die staatlichen Gesundheitsausgaben.

 

Informationsverbund Asyl: Handreichung zum Dublin-Verfahren

Der Informationsverbund Asyl, die Diakonie Deutschland und Pro Asyl haben eine Broschüre zum Dublin-Verfahren herausgebracht. Zahlreiche Entscheidungen, die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Asylverfahren getroffen werden, ergehen in Form eines Dublin-Bescheids. Die Antragsteller*innen werden darin darauf verwiesen, dass sie ihren Asylantrag in einem anderen europäischen Staat stellen sollten oder es wurde festgestellt, dass sie dies bereits getan hatten und deshalb in das Land des Erstantrags zurückkehren sollten. Die Handreichung bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Grundlagen der Dublin-III-Verordnung, den Ablauf des Dublin-Verfahrens, sowie konkrete Tipps als Arbeitshilfe für die Beratungspraxis.

 

Amnesty International Bericht über Digitalisierung und Migrationskontrolle

Ein neuer Bericht von Amnesty International befasst sich mit der Digitalisierung von Grenzsicherung und Migrationskontrolle und den menschenrechtlichen Bedenken dazu. Er liefert einen Überblick über die zentralen Entwicklungen im Einsatz von digitaler Technologie zur Migrationskontrolle. Anhand von Fallbeispielen zeigen die Autor*innen, wie die Privatsphäre von Geflüchteten durch den Einsatz von Algorithmen verletzt werden kann. Hierbei kritisiert Amnesty International u.a. den im Dezember 2023 beschlossenen Entwurf eines EU-Gesetzes über Künstliche Intelligenz und dessen mögliche diskriminierende Auswirkungen insbesondere auf Migrant*innen, Menschen auf der Flucht und andere marginalisierte Gruppen.

 

Handreichung zur Erstellung und Umarbeitung von Kooperationsvereinbarungen zu Menschenhandel

Anlässlich des 11. Jahrestages der Europaratskonvention gegen Menschenhandel veröffentlichte das Deutsche Institut für Menschenrechte eine Handreichung zur Aus- und Umarbeitung von Kooperationsvereinbarungen. Diese wendet sich an alle Akteur*innen, die an der Umsetzung eines Nationalen Verweisungsmechanismus beteiligt sind und erläutert Mindeststandards für die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaften und Behörden. Ziel ist es, dazu beizutragen, die Unterstützung für (potenziell) Betroffene von Menschenhandel bundesweit zu vereinheitlichen.

 

Forschungsbericht: Sekundärbewegungen potenziell betroffener Frauen des Menschenhandels in Europa

Das IRES Piemonte Forschungsinstitut in Turin veröffentlichte kürzlich eine Studie, welche sich mit den Sekundärbewegungen von potenziell betroffenen Frauen des Menschenhandels in Europa befasst. Hierbei wurde ein Schwerpunkt auf die Migrationsbewegungen nigerianischer Frauen und alleinerziehender Eltern zwischen Italien und Deutschland gesetzt. Die Studie verfolgt das Ziel, einerseits Gründe für diese Migrationsphänomene zu verstehen und andererseits Risiken sowie negative Folgen zu analysieren, denen diese Personen und ihre in Deutschland geborenen Kinder nach einer etwaigen Rückkehr nach Italien ausgesetzt sind.

 

Eizellabgabe legalisieren: Policy Paper vom Deutschen Juristinnenbund e.V.

Bislang ist die Eizellspende in Deutschland gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ESchG verboten. In einem Policy Paper setzt sich der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) nun für die Legalisierung unter Gewissensvorbehalt ein. Der djb befürwortet insbesondere die Legalisierung der Eizellabgabe in den Fällen, in denen die Eizellenempfängerin das mit der Eizelle der Spenderin gezeugte Kind selbst austrägt und dies Teil eines Familiengründungsprojektes ist. Darüber hinaus engagiert sich der djb für eine leicht zugängliche psychosoziale Beratung für die Eizellen abgebende Person sowie die Wunscheltern. Darüber hinaus müssten auch medizinische Risiken beachtet werden. Eine eigenständige ärztliche Aufklärung sei daher genauso wichtig wie ein wirksamer Schutz vor Ausbeutung. Somit wirft die Eizellabgabe schwierige Fragen zur Gleichstellungspolitik, zum Recht, zur Medizin und zur Ethik auf, die vor allem Frauen und Kinder auf grundlegende Weise betreffen.

NEUIGKEITEN AUS DER KOK-RECHTSPRECHUNGSDATENBANK

VG Bremen zu Anforderungen an Anhörung Betroffener von sexualisierter Gewalt

In einer bemerkenswerten Entscheidung des VG Bremen vom 25.05.2023 geht es um die Konsequenzen einer nicht von spezialisierten Fachkräften (Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifisch Verfolgte) durchgeführten Asyl-Anhörung einer von sexualisierter Gewalt betroffenen trans* Frau aus dem Kosovo.

Das VG macht umfassende Ausführungen zu den besonderen, sich u.a. aus EU-Richtlinien ergebenden Anforderungen in diesen Fällen an die nötige Sensibilität der anhörenden Personen, um den Traumatisierungen der Betroffenen gerecht zu werden und die erforderliche Qualifikation, insbesondere bezüglich der Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf ihre sexuelle Ausrichtung und Geschlechtsidentität, vorzuhalten.

RUBRIK WISSEN – ENTSCHEIDUNG DES EUGH ZUR GESCHLECHTSSPEZIFISCHEN VERFOLGUNG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) befasst sich anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichts Sofia-Stadt/Bulgarien mit der Auslegung von mehreren Artikeln der Richtlinie 2011/95/EU und stellt in einer Grundsatzentscheidung klar, dass Frauen eines Herkunftslandes insgesamt als eine „bestimmte soziale Gruppe“ im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU angesehen werden können. Im Urteil wird ausgeführt, dass bei der Auslegung der Verfolgungsgründe auch die Istanbul Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu berücksichtigen ist.

Im vorliegenden Fall ist die Antragstellerin eine türkische Staatsangehörige, Kurdin und sunnitische Muslimin. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde von den bulgarischen Behörden geprüft. Die Antragstellerin gab an, im Alter von 16 Jahre zwangsverheiratet worden zu sein und während der Ehe Gewalt erfahren zu haben. Ihre leibliche Familie, die von der Gewalt ihres Ehemannes gewusst haben soll, habe ihr nicht geholfen. Im September 2016 sei sie vor ihren Ehemann geflohen und habe sich offiziell im September 2018 gegen seinen Widerstand von ihm scheiden lassen. Sie fürchtet, bei ihrer Rückkehr in die Türkei von ihrer Familie getötet zu werden. Die Antragstellerin legte hierzu Beweise vom Januar 2017 vor, darunter ihre Strafanzeigen gegen ihren Mann, ihre/seine Familie. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 21. Mai 2020 abgelehnt. Gegen die Ablehnung auf internationalen Schutz, legte die Antragstellerin Klage ein, die vom Verwaltungsgericht Sofia mit rechtskräftigem Urteil vom 09. März 2021 abgelehnt wurde. Sie stellte im April 2021 auf Grundlage neuer Beweise einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Darin legte sie dar, sie habe begründete Furcht vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ (BSG). Die türkischen Behörden seien nicht in der Lage, sie gegenüber diesen nichtstaatlichen Akteuren zu verteidigen. Ihren Folgeantrag stützte die Antragstellerin auf weitere Beweise der Gewalt ihres Ehemannes und der Lage der Frauen in der Türkei. Der Antrag wurde abgelehnt. Daraufhin stellte das Verwaltungsgericht Sofias fest, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von internationalem Schutz zu prüfen sind, auch wenn der Folgeantrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde.

Das Gericht beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH dazu Fragen vorzulegen, die bisher unbeantwortet waren. Grundsätzlich führt der EuGH aus, dass die Bestimmungen der RL 2011/95/EU im Lichte der Genfer Flüchtlingskonvention und der übrigen in Art. 78 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angeführten einschlägigen Verträge auszulegen sind, darunter CEDAW (Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau) und die Istanbul-Konvention des Europarats. Diese sind auch dann zur Auslegung der Richtlinie heranzuziehen, wenn der Mitgliedstaat selbst die Konventionen nicht ratifiziert hat.

Der EuGH stellt fest, dass wenn Betroffene in ihrem Herkunftsland auf Grund ihres Geschlechtes physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller oder häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind und „begründete Furcht“ vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland haben, ihnen die Flüchtlingseigenschaft allein aufgrund des Geschlechtes zuerkannt werden könne. Der EUGH legt Art. 10 Abs. 1 Buchst. d so aus, dass das weibliche Geschlecht allein ausreichend sein kann, um den Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer BSG zu erfüllen. Die weitere Voraussetzung für die Identifizierung einer BSG, die „deutlich abgegrenzte Identität“ der Gruppe im Herkunftsland, sei bei Frauen erfüllt, wenn sie aufgrund der im Herkunftsland geltenden sozialen, moralischen oder rechtlichen Normen als andersartig wahrgenommen werden. Das schließe nicht aus, dass diese Frauen auch ein zusätzliches Merkmal teilen. Außerdem stellt der EuGH fest, dass die Verfolgung im Herkunftsland auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann (Art. 6 Buchst. c RL 2011/95/EU). Voraussetzung dafür ist, dass nachgewiesen werden muss, dass die Akteure, die Schutz anbieten können – wie in diesem Fall der Staat – nicht in der Lage oder nicht willens sind, diesen Schutz anzubieten.

In der deutschen Rechtsprechung werden Frauen bisher oft nicht als BSG anerkannt und so die Zugehörigkeit zu einer BSG auch nicht als Verfolgungsgrund für die Zuerkennung eines internationalen Schutzes betrachtet. Oftmals wird von Behörden oder Gerichten begründet, dass Frausein allein keinen Verfolgungsgrund darstellen könne, da nicht die Hälfte der Gesellschaft eine abgrenzbare Identität aufweise und von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werde. Vielmehr müssten noch weitere Kriterien und eine abgrenzbare Identität oder Andersartigkeit hinzukommen. Nach den Erfahrungen und Berichten der Fachberatungsstellen haben (Ober-)Verwaltungsgerichte teilweise die Auffassung vertreten, dass geschlechtsspezifische Verfolgungshandlungen gegen Frauen, wie Zwangsheirat, FGM_C, oder Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgten. Um als Flüchtling anerkannt zu werden, mussten Frauen daher nachweisen, dass sie mindestens ein weiteres abgrenzbares Merkmal, wie beispielsweise eine alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz zu sein (A 5 K 4009/21), aufweisen. Die Beratungsstellen machen in der Praxis mit ihren Klient*innen allerdings andere Erfahrungen, die durchaus nahelegen können, dass allein die Tatsache, eine Frau zu sein in einigen Ländern ausreichend ist, um diskriminiert, verfolgt und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Opfer von Gewalt und Menschenhandel zu werden.

Die Grundsatzentscheidung des EuGH hat hier nun wichtige klarstellende Funktion und wurde verschiedentlich als wichtiges Signal aufgegriffen (bspw. in einem Beitrag der Deutschen Welle, vom Deutschen Institut für Menschenrechte oder dem Informationsverbund Asyl und Migration). Der KOK hofft, dass die Entscheidung positive Auswirkungen auf die Rechtsprechung auch in Deutschland sowie auf die Arbeit der Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel hat und es in Zukunft mehr anerkennende Urteile und Bescheide aus bestimmten Herkunftsländern aufgrund der Anerkennung von Frauen als eine BSG geben wird.

Die Entscheidung im Volltext ist in der Rechtsprechungsdatenbank des KOK zu finden. Wenn Sie Interesse an der Aufnahme in den Verteiler der Datenbank haben, sende Sie eine kurze E-Mail mit Ihrem Namen und Ihrer E-Mail-Adresse bitte an: rechtsprechung(at)kok-buero.de.

 

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