Aktuelles im KOK

Stellungnahme zur Pressemitteilung der Bundesregierung zum ProstG

Zur Presseerklärung der Bundesregierung vom 24.01.2007 zum Prostitutionsgesetz sowie zum Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten erklärt der KOK:

Wir, der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V., sind ein Zusammenschluss von zurzeit 34 Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen den weltweiten Frauenhandel und für die Wahrung und Verwirklichung der Rechte von Migrantinnen einsetzen. Der KOK bildet nicht nur bundes- sondern auch europaweit die einzige Koordinierungsstelle mit diesem Fokus und hat sich daher als Modell für eine erfolgreiche Vernetzung über die Bundesgrenzen hinaus bewährt. 

Das Fazit der Bundesregierung, dass das Prostitutionsgesetz sein primäres Ziel, die rechtliche und soziale Lage von Prostituierten zu verbessern, nur in Teilen erreicht hat, überrascht uns nicht. Der KOK e.V. hat mehrfach darauf hingewiesen, dass wichtige Gesetze weder bei Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) noch in den folgenden Jahren der neuen Rechtslage angepasst wurden. 

Praxisumfragen des KOK bei seinen Mitgliedsorganisationen bestätigen, dass durch dieses Versäumnis die praxisnahe Anwendung des Prostitutionsgesetzes behindert wird. Die Empfehlungen der Bundesregierung zeigen leider wenig zukunftsweisende Handlungsansätze, mit der eine vollständige Implementierung des Prostitutionsgesetzes zu verwirklichen ist. 

Rechtliche Regelungen, u.a. Konzessionierung von Prostitutionsstätten Mit besonderer Aufmerksamkeit nimmt der KOK jedoch den Vorstoß der Bundesregierung, Prostitutionsstätten zu konzessionieren, zur Kenntnis. Wir weisen allerdings darauf hin, dass entsprechende rechtliche Grundlagen differenziert ausgeführt werden müssen und mahnen daher dringend eine Beteiligung der Praxis bei der Entwicklung der Rechtsvorschriften an. Insgesamt greift unserer Ansicht nach der Regierungsvorschlag, eine bundeseinheitliche Genehmigungspflicht einzuführen, zu kurz. Die konsequente Anwendung des Prostitutionsgesetzes und damit die soziale Besserstellung der Prostituierten einschließlich ihres Schutzes erfordert es, bestehende Gesetzeslücken in den Nebengesetzen, wie z.B. dem Baurecht, zu schließen. Aus Sicht des KOK sollte ferner eine bundeseinheitliche, rechtlich abgesicherte Regelung zur Besteuerung beschlossen werden. Der Bericht der Bundesregierung erkennt an, dass „eine gezielte Aufklärung seitens der Finanzämter und eine im Rahmen ihrer Möglichkeiten flexible Handhabung von Steuernachzahlungen erhebliche Erleichterungen für die Prostituierten zur Folge hätte“.

Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation Prostituierter 

Wir stellen fest, dass seitens der Bundesregierung die Verbesserung der sozialen Situation für Prostituierte nicht oberste Priorität hat, da hierzu keine konkreten Vorschläge erfolgen. Positiv ist zwar die Überlegung, Maßnahmen bzw. Modellprojekte zu fördern, die Hilfen für Prostituierte bereitstellen. Jedoch sind die Regierungsvorschläge gemäß dem formulierten Ziel, der Ausstieg aus der Prostitution sei das wichtigste Ziel, auf „Ausstiegshilfen“ fokussiert. Die Lebensrealität von Frauen, die sich prostituieren, erfordert unseres Erachtens aber ganzheitliche Unterstützungsprogramme, die derzeit nur punktuell und längst nicht in allen Bundesländern eingerichtet sind. Auch sieht die Praxis die Erklärung der Bundesregierung, ihre Unterstützungsmöglichkeiten für Ausstiegswillige zu überprüfen, als noch nicht ausreichendes Mittel an. Wichtig ist an dieser Stelle einen expliziten Rechtsanspruch auf die Beratung und Förderung für Ausstiegswillige direkt im Gesetz (z.B. SGB III) zu verankern. 

Schutz Minderjähriger

Wir begrüßen grundsätzlich den Vorschlag der Bundesregierung, die Schutzaltersgrenze in § 182 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB auf 18 Jahre anzuheben. Allerdings greift unserer Auffassung diese Maßnahme zum Schutz von Minderjährigen vor sexuellem Missbrauch zu kurz. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass vielmehr ein integrativer Ansatz erforderlich ist, um insgesamt eine Verbesserung der Lebenssituation der Minderjährigen zu erreichen. Der KOK empfiehlt daher, konkrete Handlungsempfehlungen für einen integrativen und ganzheitlichen Ansatz zu erarbeiten.

Wiedereinführung der Strafvorschrift „Förderung der Prostitution“

Der KOK begrüßt ausdrücklich die folgende Erklärung der Bundesregierung: „Das Prostitutionsgesetz bewirkt nicht die wirkungsvolle Strafverfolgung von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution“. Diese Zielsetzung sollte das Prostitutionsgesetz auch nicht primär verfolgen. In der Praxis ist aus Sicht der Fachberatungsstellen kein Zusammenhang zwischen dem Prostitutionsgesetz und dem Menschenhandel herzustellen. Daher begrüßen wir, dass sich die Bundesregierung folgerichtig gegen die Wiedereinführung der Strafvorschrift der Förderung der Prostitution ausspricht. Mit dieser Entscheidung wird auch die Auffassung bestärkt, dass es nicht vertretbar ist, wenn Maßnahmen (wie z.B. das Auslegen von Kondomen) wieder strafwürdig wären. 

Die Verhinderung verbesserter Bedingungen in der Prostitution geht unseres Erachtens nach immer zu Lasten derjenigen Frauen, die sich prostituieren. Der KOK bestätigt daher die Argumentation in dem Bericht der Bundesregierung, dass „es aus rechtsstaatlichen Gründen nicht überzeugen kann, ein Verhalten, das nicht als strafwürdig einzustufen ist, nur deshalb weiter als strafbar zu behandeln, weil es über diesen Weg vielleicht im Einzelfall möglich sein könnte, Anzeichen für schwere Delikte wie Zwangsprostitution und Menschenhandel zu finden“. Folgerichtig stellt die Bundesregierung daher in ihrer Erklärung fest, „dass es Aufgabe eines rechtsstaatlich orientierten Strafrechts ist, Rechtsgüter zu schützen, nicht Eingriffsmöglichkeiten zur Gefahrenabwehr zu eröffnen“.

Ausbeuterische Vermietung

Begrüßenswert ist, dass die ausbeuterische Vermietung von Räumlichkeiten an Prostituierte in den Fokus der Strafandrohung geraten ist. Bislang wurden Vermieter und Vermieterinnen trotz überhöhter Mietzinszahlungen seitens der Prostituierten privilegiert, da das Strafgesetzbuch in seiner jetzigen Form hierin lediglich eine persönliche und keine ausbeuterische Beziehung zwischen Vermietern und Vermieterinnen und Prostituierten sieht. Dies ist abzulehnen, denn dieses Privileg begünstigt finanzielle Abhängigkeiten bis hin zur Schuldknechtschaft und kann letztlich zur Erfüllung des Straftatbestandes des Menschenhandels führen. 

Schutz für Opfer von Menschenhandel

Freierstrafbarkeit bei Opfern des Menschenhandels Grundsätzlich begrüßen wir die Empfehlung der Bundesregierung, dass ein verbesserter Schutz für Opfer von Menschenhandel eingefordert werden soll. Jedoch fokussiert sich die Bundesregierung ausschließlich auf die Einführung einer Strafvorschrift und legt keine weiteren Vorschläge vor. In diesem Rahmen beabsichtigt die Bundesregierung, strafrechtliche Änderungen im Rahmen einer Strafbarkeit der Nachfrage von Diensten von Betroffenen des Menschenhandels einzuführen. Wir sind der Auffassung, dass allein strafrechtliche Vorschriften zu keinen Verbesserungen für Opfer von Menschenhandel führen. Ebenfalls notwendig wäre unserer Auffassung nach eine Verbesserung und Sicherung der aufenthaltsrechtlichen und sozialen Situation der Opfer durch einen gefestigten Aufenthaltsstatus und eine bedarfsgerechte Unterstützung, die den besonderen Bedürfnissen der Betroffenen ausreichend Rechnung trägt. Es wird zwar von der Bundesregierung in ihrem Bericht darauf hingewiesen, aber dies wird letztlich nicht als Prioritätsempfehlung vorgestellt.

Aufenthaltsstatus und bedarfsgerechte Unterstützung der Betroffenen

Der KOK unterstreicht die Forderung der Bundesregierung, für OpferzeugInnen eine Aufenthaltserlaubnis bis zum Ende des Strafverfahrens einzuräumen, weist allerdings darauf hin, dass die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechts für Betroffene auch über das Prozessende hinaus aus menschenrechtlichen Aspekten dringend geboten ist. 

Hervorzuheben und vom KOK vollumfänglich unterstützt werden die von der Bundesregierung bestätigten Fakten „dass Vorkehrungen zum Schutz und zur medizinischen Versorgung sowie zur psychischen Stabilisierung der Opfer von Menschenhandel notwendigerweise zu verbessern sind“. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang auf Artikel 7 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1 der sogenannte „Opferschutzrichtlinie“ (Richtlinie 2004/81) hin. Diese sieht vor, dass den Betroffenen, die über nicht ausreichende Mittel verfügen, Mittel zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt werden und sie Zugang zu medizinischer Notversorgung erhalten. Ferner sind die speziellen Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen, einschließlich der psychologischen Hilfe, zu beachten. 

Die Bundesregierung ist verpflichtet, diese Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Umsetzungsfrist endete am 06. August 2006. 

Der KOK befürchtet, dass die Bundesregierung ihrer Umsetzungspflicht in das deutsche Recht nicht nachkommt, da sie beabsichtigt „die Artikel 7 Absatz 1 und 9 Absatz 1 zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen“. Es ist aber bereits jetzt dringender Handlungsbedarf gegeben. Dies ergibt sich nicht nur mit Ablauf der Umsetzungsfrist, sondern und insbesondere mit dem Umsetzungsbedarf. Von Menschenhandel ausländische Betroffene erhalten in Deutschland weder einen gesicherten Aufenthaltsstatus noch eine bedarfsrechte Unterstützung. Den Hinweis der Bundesregierung auf „die Effektivität der Arbeit der Fachberatungsstellen“ bestätigen wir vollumfänglich. Wir bekräftigen die Aufforderung an die Bundesländer, für eine zuverlässige Absicherung von Fachberatungsstellen Sorge zu tragen. Allerdings weist der KOK darauf hin, dass die „Effektivität der Arbeit der Fachberatungsstellen“ über den Strafverfolgungsaspekt hinaus geht. Die Feststellung der Bundesregierung, dass die „Betreuung der Opfer durch eine Fachberatungsstelle sich positiv auf die Mitwirkung der Betroffenen im Strafverfahren auswirkt“, ist aus unserer Sicht um den menschenrechtlichen Aspekt und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Fachberatungsstellen zu ergänzen. 

Die für Opfer von Menschenhandel zuständigen Fachberatungsstellen fördern die Implementierung menschenrechtlicher internationaler Standards im Umgang mit den Betroffenen und unterstützen Betroffene von Menschenhandel unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft. Aufgabe der Fachberatungsstelle ist es, sowohl die Würde als auch die körperliche und seelische Integrität der Betroffenen wieder herzustellen und langfristig zu stabilisieren. Sie leisten damit den notwendigen humanitären Beitrag im Umgang mit den Betroffenen.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Tatsache, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, und Jugend im Rahmen seiner Zuständigkeit die Finanzierung des KOK fortsetzt, ein wesentlicher Beitrag für die Verbesserung des Opferschutzes ist und daher von uns begrüßt wird.

 

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