Menschenhandel zu sexuellen Ausbeutung

Bei Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung wird die Notlage oder eine auslandsspezifische Hilflosigkeit einer Person ausgenutzt, um sie dazu zu bringen, in der Prostitution zu arbeiten oder andere sexuelle Dienstleistungen anzubieten, durch die sie ausgebeutet wird. Dies kann durch Ausübung von Zwang oder mittels Täuschung, über die tatsächliche Tätigkeit, Arbeitszeit oder den Arbeitsort geschehen. Die Betroffenen sind in ihrer Handlungsfreiheit so weit eingeschränkt, dass sie keine freien Entscheidungen bezüglich der Tätigkeit mehr treffen können. Sie werden nicht oder nicht angemessen entlohnt und/oder müssen unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten.

Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung muss von der Tätigkeit in der Prostitution unterschieden werden. Die Ausübung der Prostitution ist seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 eine legale Tätigkeit in Deutschland. Eine selbstbestimmt in der Prostitution tätige Person kann über Arbeitsbedingungen und angebotene Praktiken selbst entscheiden. Seit 2017 wird die Ausübung der Prostitution sowie das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes durch das Prostituiertenschutzgesetz geregelt.


In Deutschland ist Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung seit 1973 strafbar.
Die strafrechtlichen Vorschriften im Strafgesetzbuch (StGB) bzgl. Menschenhandel und sexueller Ausbeutung lassen sich – vereinfacht – in drei Handlungen aufteilen:

• Rekrutierung (§ 232 StGB Menschenhandel)
• Veranlassen der ausbeuterischen Tätigkeit (§ 232a StGB Zwangsprostitution)
• Ausbeutung (§ 180a StGB Ausbeutung von Prostituierten, § 181a StGB Zuhälterei).


Zwangsprostitution meint die Ausnutzung einer Zwangslage oder Hilflosigkeit, um eine Person dazu zu bringen, die Prostitution oder eine sexuelle Tätigkeit aus- oder fortzuführen.
Ausbeutung von Prostitution oder Zuhälterei zeichnen sich z.B. durch schlechte Bezahlungen, überlange Arbeitszeiten, überhöhte Vermittlungsgebühren und/oder Mietzahlungen, gefährliche Arbeitsbedingungen und Vorenthalten des Lohns aus. Bei Personen unter 21 Jahren muss keine Zwangslage ausgenutzt oder Druckmittel seitens der Täter*innen angewandt werden, um den Straftatbestand zu erfüllen.

Gründe, warum Personen betroffen sein können, sind u. a., dass sie durch Täuschung zur Prostitutionsausübung gebracht werden. Angeworben über Zeitungsinserate, Bekannte oder Agenturen, werden die Betroffenen über die Art der Tätigkeit getäuscht. Auch kommt es vor, dass die Betroffenen sich freiwillig für die Prostitutionsausübung entscheiden, dann aber mit Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, denen sie vorher nicht zugestimmt haben und in denen sie gezwungen werden, zu verbleiben. Beispielsweise durch hohe, fiktive Schuldenbeträge für Einreise, Passbeschaffung etc. werden vor allem ausländische Betroffene in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt und müssen einen Großteil des erwirtschafteten Verdienstes an die Täter*innen abführen.

In manchen Fällen werden Mädchen und junge Frauen durch die sogenannte Loverboy-Methode angeworben. Die Täter täuschen den Betroffenen eine Liebesbeziehung vor, um sie anschließend über eine emotionale Abhängigkeit in die Prostitution zu drängen und auszubeuten.

 

 


Fallbeispiel

Tanja, 21 Jahre alt, wohnt mit ihrer Familie in Kiew. Sie hat einen Schulabschluss, findet aber keinen Ausbildungsplatz. Ein Bekannter der Familie eröffnet ihr die Möglichkeit in der Gastronomie in Deutschland zu arbeiten. Das Gehalt sei ausreichend, um etwas zu sparen und die Familie in der Ukraine zu unterstützen. Tanja sagt zu.

Die Einreise nach Polen ist legal und verläuft problemlos. Kurz vor Deutschland soll Tanja ihren Pass abgeben und sich in einem LKW verstecken. Im LKW sind noch weitere Personen versteckt.

Nach der Ankunft in Deutschland soll Tanja 3.000 Euro für die Reise bezahlen, was zuvor nicht mit ihr vereinbart wurde. Ihr wird gesagt, dass sie in einem Bordell arbeiten werde, da sie das Geld anders nicht aufbringen können wird.

Sie kommt in ein Berliner Bordell, wo sie mehrere Freier pro Tag bedienen muss. 70% ihrer Einnahmen muss sie an die Zuhälter abgeben, von den restlichen 30 % ihren »Reisekredit« abzahlen und für ihre eigene Kleidung und Verpflegung aufkommen.

Tanja hat Angst und empfindet ihre Situation als ausweglos. Sie spricht kein Deutsch. Als »Illegale« würde sie von der Polizei schlecht behandelt werden, drohen ihr ihre Zuhälter. Und ihrer Familie würden sie einen »Besuch« abstatten, wenn Tanja flieht.

Bei einer Razzia der Polizei wird sie festgenommen. Sie hat Angst, doch sie merkt auch, dass sie nicht nur »Täterin« sondern auch ein Opfer von Menschenhandel ist. Die Polizei klärt sie u. a. über die Möglichkeit auf, sie geschützt bei einer Organisation unterzubringen. Die Polizei stellt den Kontakt zu KobraNet her.

KobraNet, Dresden

 

 

Weitere Fallbeispiele

KOK-Kurzbroschüre Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung