VG Düsseldorf, Urteil vom 12.6.2017
Aktenzeichen 7 K 6086/17.A

Stichpunkte

Bemerkenswerte Entscheidung im Verwaltungsgerichtsverfahren um Einräumung von Bedenkfrist im Asylverfahren; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte für Menschenhandel vorliegen und gegebenenfalls eine mindestens dreimonatige Ausreisefrist einräumen; `konkrete Anhaltspunkte´ setzen keine Anzeige der Betroffenen voraus; Pflicht des BAMF auf Unterstützungsmöglichkeiten hinzuweisen

Zusammenfassung

Das Verwaltungsgericht (VG) hebt den Bescheid des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf, soweit er der Klägerin nur eine einwöchige Ausreisefrist einräumt. Die Klägerin ist Ghanaerin. Sie hatte im März 2017 einen Asylantrag gestellt und unter anderem angegeben in ihrem Dorf in Ghana bedroht zu sein, da sie Christin sei, aber gezwungen werden sollte, Fetisch-Priesterin zu werden.

Das BAMF lehnte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass keine Gründe für Abschiebeschutz vorliegen und setzte eine Ausreisefrist von einer Woche. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

Das VG bestätigt die Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung, da es das Vorbringen der Klägerin für unglaubhaft hält. Die vom BAMF gesetzte einwöchige Ausreisefrist verletze die Klägerin jedoch in ihren Rechten, da Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass die Frau Opfer von Menschenhandel sei. Daher hätte gem. § 59 Absatz 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eine mindestens dreimonatige Frist gesetzt werden müssen. Das VG macht umfassende Ausführungen dazu, warum § 59 Abs. 7 AufenthG nicht nur von der Ausländerbehörde, sondern auch vom Bundesamt beim Erlass von Abschiebungsandrohungen zu beachten ist.

Das Gericht erläutert die Indizien für Menschenhandel, die es vorliegend zum einen in der Einreise auf dem Luftweg und den bei der Frau gefundenen falschen Papieren sieht, die sich nicht mit den Schilderungen der Klägerin vereinbaren lasse, alleinstehende, mittellose Waise ohne Schulbildung zu sein. Zum anderen spreche auch der Umstand, dass in ihrem Gepäck erotische Wäsche gefunden worden sei und zwei Deutsche mit ghanaischer Abstammung sie als Abholer erwarteten, für die, dem Gericht bekannte, Vorgehensweise der Menschenhändler. Dass die Klägerin nicht angegeben hat, Opfer von Menschenhandel zu sein, stünde dem nicht entgegen, denn die in § 59 Abs. 7 AufenthG gewährte Bedenkfrist solle ja gerade dazu dienen, dass die Betroffenen in Ruhe und einem geschützten Raum überlegen können, ob ihnen eine Loslösung aus ihrer Zwangslage und eine eventuelle Aussage im Strafverfahren unter Abwägung möglicher Risiken für die eigene Sicherheit oder die der Familie möglich ist.

Das Gericht hebt ausdrücklich hervor, dass nach Wortlaut und Sinn und Zweck des Gesetzes „ konkrete Anhaltspunkte“ ausreichen und darüber hinaus keine Strafanzeige der Betroffenen oder Ähnliches erforderlich ist.

Ebenfalls weist das Gericht darauf hin, dass das BAMF die Betroffenen auch von möglichen Hilfsangeboten und Maßnahmen zu unterrichten hat, um positiv auf die Bereitschaft, im Strafverfahren auszusagen einzuwirken.

Die der Frau gesetzte Ausreisefrist hätte danach mindestens drei Monaten betragen müssen.

Entscheidung im Volltext:

vg_duesseldorf_12_06_2017 (PDF; 93 KB, nicht barrierefrei)