Sehr bemerkenswertes Urteil im Zivilverfahren um Schmerzensgeld wegen sexuellen Missbrauchs; 25.000 Euro Schmerzensgeld; Gericht wertet Verhalten der Beklagten im Strafverfahren schmerzensgelderhöhend; Konfliktverteidigungsstrategie habe Leiden des Opfers verstärkt; Ausführungen zur Einbeziehung des Strafurteils
Das Landgericht (LG) spricht der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zu. Die beiden Beklagten hatten die Klägerin, die aufgrund starker Alkoholisierung widerstandsunfähig war, sexuell missbraucht und davon mit ihren Smartphones Videoaufnahmen gemacht. Im Strafverfahren waren sie rechtskräftig zu fünf bzw. vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Klägerin war nach der Tat wegen posttraumatischer Störung über ein Jahr in Therapie und mehrfach krankgeschrieben. Im Rahmen ihres Antrags auf Opferentschädigung wurde ein Grad der Schädigung von zunächst 40 und seit Februar 2016 von 20 festgestellt.
Das LG führt das Urteil des Strafverfahrens an, das sich über neun Monate hinzog und 26 Verhandlungstage umfasste. Im Strafurteil wird hervorgehoben, dass die von den Verteidigern der Angeklagten verfolgte sogenannte Konfliktverteidigungsstrategie eine zweite Vernehmung der Klägerin erforderlich gemacht habe, bei der ihr die ihr bis dahin unbekannten Videoaufnahmen vorgespielt wurden, was sie sichtlich massiv psychisch belastet habe.
Das LG stützt sich bei der Feststellung des Tatgeschehens auf das Strafurteil und führt aus, unter welchen Umständen dies möglich ist. Die Beklagten hatten die Taten im Übrigen nicht bestritten.
Das LG sieht für den sexuellen Missbrauch und die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen, das von der Klägerin beantragte Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro im vollen Umfang gerechtfertigt. Es macht Ausführungen zur Funktion des Schmerzensgeldes. Hierbei weist es darauf hin, dass eine strafrechtliche Verurteilung der Täter sich nicht schmerzensgeldmindernd auswirkt. Dies gelte insbesondere in Strafverfahren wegen Sexualdelikten, da die Opfer ihre Leiden im Verfahren teilweise erneut durchleben müssten und das Verfahren eine Aufarbeitung des Erlebten regelmäßig nicht erfüllen könne.
Das LG sieht einen Anspruch der Klägerin auf ein Schmerzensgeld in erheblicher Höhe schon aufgrund der massiven und noch lange nachwirkenden psychischen Beeinträchtigung gegeben, die die Taten bei ihr hervorgerufen haben und die sich auch aus dem OEG-Bescheid ergäben.
Darüber hinaus wertet das LG aber auch das Verhalten der Beklagten während des Strafverfahrens als erheblich schmerzensgelderhöhend. Insbesondere ihre Verteidigungsstrategie, die, obwohl aufgrund der Filmaufnahmen von den Taten keinerlei Erfolgsaussicht bestand, eine wiederholte Vernehmung der Klägerin und deren Konfrontation mit den Bildaufnahmen nötig machte, hätte das Leiden der Klägerin erheblich verstärkt und verlängert.
Das Gericht verweist darauf, dass dies letztlich auch negative Auswirkungen auf die Beklagten hatte, da sie andernfalls wohl eine geringere Haftstrafe sowie geringere Gerichtskosten zu erwarten gehabt hätten.
Es verurteilt die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 25.000 Euro Schmerzensgeld und stellt außerdem fest, dass sie alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin, die sich aus der Tat ergeben, zu bezahlen haben.
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