LG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2016
Aktenzeichen 018 Kls-50 Js 620/15-5/15

Stichpunkte

Sehr Umfangreiche Entscheidung im Strafverfahren wegen Menschenhandels nach sogenannter `Loverboy-Methode´; Täter beuten Frauen systematisch in der Prostitution aus; Freiheitsstrafen von zehn und acht Jahren; umfassende Darstellung des Tätervorgehens; detaillierte Beweiswürdigung und Strafzumessungsbegründung

Zusammenfassung

Das Landgericht Düsseldorf (LG) verurteilt zwei Angeklagte unter anderem wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und Zuhälterei, gefährlicher Körperverletzung und Betrugs zu zehn beziehungsweise acht Jahren Freiheitsstrafe.

Die Angeklagten B1 und C1 hatten 2012 den Plan entwickelt, Einkünfte durch die Ausnutzung junger Frauen zu erzielen. Dazu sollte der jüngere C1 sich als `Loverboy´ jungen Frauen nähern und ihnen Interesse an einer langfristigen Beziehung vorspielen. Der Angeklagte B1 sollte dabei als geheimnisvoller und gefährlicher Freund  präsentiert werden, jedoch zunächst kaum in Erscheinung treten. Der C1 sollte die Frauen dazu bringen, dass sie mehr und mehr ihre Kontakte zu Freunden und Familie abbrechen und sich isolieren. Später wollten sie die Frauen insbesondere in der Prostitution wirtschaftlich ausnutzen.

Entsprechend diesem Plan, nahm C1 Anfang 2012 eine Beziehung zur Zeugin F1 auf. Er brachte die Frau dazu, zunehmend alle Kontakte abzubrechen. Als die Angeklagten die F1, die von Hartz IV lebte, dazu bringen wollten, ein Darlehen aufzunehmen, weigerte diese sich zunächst unter Verweis auf ihre Mittellosigkeit. Nach massivem psychischen Druck und auch körperlicher Gewaltanwendung seitens der Angeklagten willigte sie ein. Nach Plan und Anweisung der Angeklagten täuschte die F1 die Bank mit gefälschten Arbeitsverträgen und Lohnabrechnungen über ihre Einkommensverhältnisse und erhielt einen Kredit. Die Angeklagten hoben das Geld sofort von ihrem Konto ab.

Unter dem Druck der Darlehensrückzahlung und weil der C1 ihr einredete, dies sei für die Gründung einer gemeinsamen Familie finanziell erforderlich, nahm die F1 nach anfänglicher Weigerung die Prostitution auf. Der C1 nahm ihr dafür ihr eigenes Handy weg und gab ihr eines, in dem nur seine Nummer eingespeichert war und mit dem sie ihm ihre täglichen Einnahmen mitteilen sollte.

Vom Frühjahr bis Dezember 2012 ging die Frau der Prostitution nach, dabei arbeitete sie ungefähr 18 Tage im Monat. Wenn sie nur geringe Einnahmen erzielte, gab sie auch eigenes Geld, das sie durch den Verkauf von Familienschmuck erlangt hatte, an den Angeklagten als vermeintliche Prostitutionseinnahme ab.

Ende 2012 trennte sie sich vom Angeklagten, arbeitete aber noch eine Zeit lang weiter als Prostituierte, um ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können. Als sie von ihrem Onkel vor dem Bordell abgefangen wurde, erstattete sie Anzeige bei der Polizei. Die Angeklagten stellten ihr noch eine gewisse Zeit nach und bedrohten sie.  Aufgrund des aufgenommenen Kredits musste sie Privatinsolvenz anmelden.

Nach dem gleichen System verfuhren die Angeklagten mit drei weiteren Frauen, der H3, L10 und Z3. Die Frauen befanden sich jeweils in schwierigen Lebenssituationen, was die Angeklagten für ihre Zwecke nutzten. Sie isolierten die Frauen von ihren Familien und Freunden, brachten sie jeweils dazu, mit gefälschten Papieren ein Privatdarlehen bei einer Bank aufzunehmen, wobei die Angeklagten das Geld sofort an sich nahmen. Die psychische Abhängigkeit der in den C1 verliebten Frauen, sowie den finanziellen Druck durch die aufgenommenen Darlehen nutzten die Angeklagten dazu, die Frauen in die Prostitution zu bringen. Erklärten die Frauen sich damit nicht einverstanden, wurden ihnen Szenarien vorgespielt, wie die Verhaftung des C1. Außerdem begannen sie Ende 2014 gegenüber den Zeuginnen L10 und Z3 den B1 als Heiligen mit übermenschlichen Fähigkeiten darzustellen, so spielten sie den Frauen vor, der C1 sei gestorben und nur durch die Fähigkeiten des B1 wieder auferstanden. Die L10 ließ sich unter diesem Einfluss eine Tätowierung DH2 als Abkürzung für `Die heiligen Zwei´ an die Halsschlagader stechen, versehen mit einem R für ein eingetragenes Markenzeichen (S. 27). (Im Sozialgerichtsverfahren verurteilte das Sozialgericht Düsseldorf am 26.01.2017 die Krankenkasse, die Kosten für die Entfernung des Tattoos zu übernehmen (bitte verlinken mit SG Düsseldorf, 26.01.2017))

Der Angeklagte C1 verfiel selbst den Suggestionen des B1 und trennte sich unter diesem Einfluss ein Fingerglied ab mit der Begründung, die L10 habe zu wenig gearbeitet (S.29). Immer mehr steigerten die Angeklagten ihre suggestive Wirkung auf die Frauen und inszenierten dazu bizarre Rituale. So mussten die Frauen sie z.B. mit dem Spruch begrüßen: `Gesandter, darf ich dir meine Hingabe erweisen. Mein Körper ist dir. Danke, was du aus mir gemacht hast.´ (S.29)

Die Frauen, die bis zu 18 Stunden am Tag arbeiten mussten, wurden von den Angeklagten seelisch und körperlich misshandelt. Sie waren durch die Taten psychisch traumatisiert und finanziell ruiniert.

Das Gericht stellt die einzelnen Fälle und die Beweiswürdigung in seinem Urteil umfassend dar. Das Gericht verurteilt die Angeklagten mit detaillierter Begründung zu 10 bzw. 8 Jahren Freiheitsstrafe.

Auf die Revision von Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft  hob der Bundesgerichtshof  am 08.02.2018 das Urteil teilweise auf und verwies an das LG zurück, weil es keine Sicherungsverwahrung für die Angeklagten geprüft hatte. (BGH, 08.02.2018, Az.: 3 StR 274/17)

 

Entscheidung im Volltext:

lg_duesseldorf_17_11_2016 (PDF, 376 KB, nicht barrierefrei)