LG Berlin, Urteil vom 8.2.2018
Aktenzeichen (511 KLs) 255 Js 739/14 (11/17)

Stichpunkte

Umfangreiche Entscheidung im Strafverfahren gegen bulgarischen Zuhälterring wegen Menschenhandels und Zuhälterei u.a.; mehrjährige Freiheitsstrafen für die drei Angeklagten und Anordnung der Einziehung der illegalen Gewinne in Höhe von 12.000 bis 40.000 EUR

Zusammenfassung

Das Landgericht (LG) verurteilt die Angeklagten B, A und F unter anderem wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (a.F.), Zuhälterei und Drogenhandels zu mehrjährigen Freiheitsstrafen und ordnet die Einziehung des illegal erwirtschafteten Vermögens an. Die drei hatten im Rahmen eines bulgarischen Zuhälterrings bulgarische Frauen nach Deutschland gebracht und hier zur Prostitution gezwungen. Der B betrieb seit 2005 (bis zu seiner Festnahme im Oktober 2016) ein Bordell und einen Escortservice, in dem er ausschließlich bulgarische Frauen beschäftigte. Diese stammten aus wirtschaftlich und sozial prekären Verhältnissen, waren ohne Arbeit und oft mit mangelnder Bildung, wodurch sie für die Angeklagten leicht form- und kontrollierbar waren. Die Frauen wurden unter falschen Versprechungen, im Hinblick auf die Art der Arbeit oder die  Arbeitsbedingungen, nach Deutschland gelockt. Dort angekommen wohnten sie in von den Angeklagten vermittelten Wohnungen, für die sie überteuerte Mieten an die Angeklagten zahlen mussten. Ebenso wurden ihnen Kosten für fiktive Anmeldungen, Werbung und anderes in Rechnung gestellt. Die meisten der Frauen, von denen im Verfahren fünf als Zeuginnen und drei auch als Nebenklägerinnen auftraten, wollten nicht der Prostitution nachgehen. Mit den fiktiven Schulden wurde jedoch von den Angeklagten massiver Druck auf sie ausgeübt, teilweise wurde auch körperliche Gewalt angewandt. Da den Frauen für die Rückreise das Geld fehlte, fügten sie sich in ihrer auslandsbedingt hilflosen Lage den Vorgaben der Angeklagten. Der B fungierte dabei als Chef, während die F und die A sich in Leitungsaufgaben abwechselten. Sie waren neben Organisatorischem und der Einweisung der Frauen zuständig für die Abrechnung. Die Frauen bekamen von den Freiern das Geld, das sie dann bei den Angeklagten abgeben mussten und im Rahmen der Abrechnung ihren Anteil, maximal die Hälfte, davon erhielten. Häufig bekamen sie aber lediglich ein Taschen- und Essensgeld.

Die Preise wurden von den Angeklagten vorgegeben.

Neben der Prostitutionstätigkeit verkauften die Frauen bei den Haus- und Hotelbesuchen für die Angeklagten auch Drogen an die Freier.  

Darstellung der Tathergänge  

Menschenhandels- und Zuhältereidelikte Das Gericht stellt umfassend die Taten zum Nachteil der betroffenen Frauen dar (S. 6ff). In derBeweiswürdigung zu diesen Tatkomplexen stützt es sich insbesondere auf die Aussagen der betroffenen Frauen, der Vernehmungsbeamt*innen sowie umfassender Protokolle der Telefonüberwachung (S. 36ff).  

Betäubungsmitteldelikte Im Rahmen des Escortservice verkauften die Frauen auch Drogen an die Freier (S. 29ff). Diese Taten werden nach Ausführungen des Gerichts ebenfalls durch Zeug*innenaussagen sowie Protokolle der Telefonüberwachung bewiesen (S. 36ff).  

Ausführungen zur Strafbarkeit (S. 86ff) Das LG macht detailliert, jeweils für die einzelnen Tathandlungen, Ausführungen zu den verwirklichten Delikten des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gemäß § 232 alte Fassung, Strafgesetzbuch (StGB), der ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei (§181a StGB), der Ausbeutung von Prostituierten (§180a StGB) und des Drogenhandels.  

Ausführungen zur Strafzumessung (S. 88ff) Im Rahmen der Strafzumessung würdigt das LG umfassend die Umstände der Angeklagten und der Taten, wägt Strafmilderungs- und schärfungsgründe ab und verurteilt den Angeklagten B zu vier Jahren und vier Monaten, die Angeklagte A zu drei Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte F zu drei Jahren Freiheitsstrafe.  

Ausführungen zur Gewinnabschöpfung (S. 98ff) Abschließend macht das Gericht im Rahmen der Einziehung umfassende Aufstellungen, in denen es die konkreten Einnahmen der jeweiligen Angeklagten durch die verschiedenen Frauen beziffert bzw. schätzt. Daraus ergeben sich für B 41.840 EUR, für A 8.240 EUR und für F 12.550 EUR einzuziehende illegale Gewinne.

 

Entscheidung im Volltext:

lg_berlin_08_02_2018 (PDF, 6,6 MB, nicht barrierefrei)