BSG, Urteil vom 27.3.2020
Aktenzeichen B 10 EG 5/18 R

Stichpunkte

Bemerkenswerte Revisionsentscheidung im Sozialgerichtsverfahren um Elterngeldanspruch einer nicht erwerbstätigen Kroatin; grundsätzliche Vermutung eines bestehenden Freizügigkeitsrechts bei in Deutschland lebenden EU-Bürger*innen; Ablehnung eines Elterngeldanspruches nur bei formeller Feststellung des Nichtvorliegens eines Freizügigkeitsrechtes durch die Ausländerbehörde; Elterngeldstelle hat keine eigene Prüfungskompetenz

Zusammenfassung

Das Bundessozialgericht (BSG) spricht einer kroatischen Mutter einen Anspruch auf Elterngeld zu. Die Klägerin lebt seit Dezember 2012 in Deutschland, wo 2015 ihre Tochter geboren wurde. Die Klägerin war bis zur Geburt weder erwerbstätig noch krankenversichert, noch bezog sie Mutterschaftsgeld. Im Jahr 2015 war sie 4 Monate geringfügig beschäftigt. Eine Feststellung der Ausländerbehörde, dass ihr Freizügigkeitsrecht nicht mehr bestehe, erfolgte nicht. Die Elterngeldstelle lehnte ihren Antrag auf Leistungen ab, da sie nicht freizügigkeitsberechtigt sei. Sie sei nicht als Arbeitnehmerin in Deutschland tätig gewesen und habe sich auch nicht um eine reguläre Arbeit bemüht.

Auf die Klage der Frau hiergegen, verurteilte das Sozialgericht (SG) den Beklagten jedoch zu Leistungen, da ein Freizügigkeitsrecht der Klägerin als Unionsbürgerin gegeben sei. In der hiergegen vom Beklagten eingelegte Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 1 Abs. 1 und Abs. 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) und ist der Ansicht, die Elterngeldbehörde müsse bei Zweifeln prüfen, ob ein Freizügigkeitsrecht der Antragsteller*innen gegeben sei.

Dem widerspricht das BSG in seiner Entscheidung und stellt fest, dass bei in Deutschland lebenden EU-Bürger*innen generell die Vermutung gelte, dass diese freizügigkeitsberechtigt sind. Sie seien daher beim Elterngeld wie Inländer*innen zu behandeln. Das Elterngeld dürfe nur versagt werden, wenn die Ausländerbehörde formell ein Nichtvorliegen der Freizügigkeit feststellt habe. Dies habe die Ausländerbehörde bei der kroatischen Klägerin aber nicht getan. Den Elterngeldstellen und Sozialgerichten käme keine eigenständige Kompetenz zu, das Bestehen oder Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechtes festzustellen.

 

Entscheidung im Volltext:

bsg_27_03_2020 (PDF, 285 KB, nicht barrierefrei)