BGH, Urteil vom 25.10.2018
Aktenzeichen 4 StR 239/18

Stichpunkte

Höchstrichterliche Revisionsentscheidung im Strafverfahren wegen Vergewaltigung und Adhäsionsverfahren; Ausführungen zu Qualifikationsmerkmalen bei besonders schwerer Vergewaltigung; Einsatz von Waffe als Nötigungsmittel nicht erforderlich; Andeutung Abkehr von bisheriger Rechtsprechung hinsichtlich des Zinsanspruchs bei Entschädigung

Zusammenfassung

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) hebt das Urteil des LG Landau teilweise auf, bestätigt aber die Adhäsionsentscheidung bis auf die Zinsentscheidung.

Der Angeklagte war vom LG wegen schwerer Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 9 Monaten sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 25.000 € nebst Zinsen ab dem Tattag verurteilt worden.

Der Angeklagte hatte die Nebenklägerin dazu gebracht, für ihn in einem Privathaus der Prostitution nachzugehen. Die Nebenklägerin verließ das Haus eines Abends, als der Angeklagte unterwegs war und fuhr nach Hause.

Der Angeklagte war hierüber erbost und plante eine Bestrafungsaktion. Er besorgte sich Kabelbinder und eine Metallkette drang in die Wohnung der Nebenklägerin ein, schlug und bedrohte diese und vergewaltigte sie mehrfach. Später zwang er sie unter weiterer Gewaltanwendung, sich für ihr Entfernen bei ihm zu entschuldigen, was sie auch tat. Er fesselte sie mit den Kabelbindern an ein Heizungsrohr. Weiter knebelte er sie und schlug sie zweimal mit voller Kraft mit der Kette. Danach fügte er ihr weitere Misshandlungen zu, bedrohte sie mit einem Messer, fügte ihr damit oberflächliche Verletzungen zu und zwang sie, sich auch bei anderen Personen telefonisch für ihre `Eigenmächtigkeit´ zu entschuldigen. Nach weiteren Demütigungen und Drohungen führte der Angeklagte erneut Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin durch. Danach verließen sie die Wohnung und unternahmen mit einem Bekannten des Angeklagten eine Autofahrt zu verschiedenen Besorgungen, wobei die Nebenklägerin sich, immer noch eingeschüchtert durch die Misshandlungen und Drohungen des Angeklagten, nicht traute, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Erst in der Nacht, als der Angeklagte schlief, floh sie zu einem Polizeirevier.

Der BGH sieht in der Entscheidung des LG mehrere Rechtsfehler.

So hat das LG nach Ansicht des Senats die Ablehnung einer Strafbarkeit wegen Geiselnahme (§ 239b StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB) unzureichend begründet.

Ebenso rügt der Senat, dass das LG eine Qualifizierung gem. § 177 Abs.8 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) abgelehnt hatte, da die Verwendung des Kabelbinders, bzw. Messers und der Metallkette nur der Bestrafung der Nebenklägerin für ihre Eigenmacht gedient habe. Der Senat legt dar, dass für die Erfüllung der Qualifikation der Einsatz einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges bei der sexuellen Handlung ausreiche, es müsse nicht der Überwindung von Widerstand dienen. Da der Angeklagte das Messer und die Kette nach der ersten und vor den nächsten sexuellen Handlungen eingesetzt habe, läge eine Verwendung `bei der Tat´ vor und die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes nah.

Darüber hinaus könne der Angeklagte auch das Qualifikationstatbestandsmerkmal der körperlichen Misshandlung gem. § 177 Abs.8 Nr. 2 a StGB erfüllt haben, hierfür sei ausreichend, wenn die körperliche Integrität des Opfers bei der Tat in einer Weise verletzt werde, die erhebliche Schmerzen verursache, was vorliegend durch die Schläge mit der Kette naheliege.

Letztlich rügt der Senat, das LG hätte auch prüfen müssen, ob der Angeklagte die Nebenklägerin durch die Gewalt zur Fortsetzung der Prostitution bringen wollte, so dass eine Strafbarkeit auch wegen Zwangsprostitution gem. § 232a Abs. 3, Abs. 4 StGB in Betracht käme.

Die Adhäsionsentscheidung hebt der Senat nur insoweit auf, als der Angeklagte zur Zinszahlung ab dem Tattag verurteilt wurde. Insoweit fehle es an Feststellungen des LG, dass sich der Angeklagte hinsichtlich der Entschädigungszahlungen schon im Verzug befunden hätte.

Der Senat weist darauf hin, dass er unter Aufgabe seiner früher vertretenen Rechtsauffassung dazu neige, anzunehmen, dass gemäß § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO Prozesszinsen bereits ab dem Tag geschuldet würden, an dem der Adhäsionsantrag bei Gericht eingehe, merkt aber an, dass dem die Rechtsprechung des 5. Strafsenats entgegenstünde.

Insgesamt verweist der Senat zur Neuentscheidung an das LG zurück.

 

Entscheidung im Volltext:

bgh_25_10_2018 (PDF, 177 KB, nicht barrierefrei)