Entgeltansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis; Arbeitszeiterfassung; arbeitsrechtliche Rechte und Pflichten im Minijob-Arbeitsverhältnis; Anforderungen an Arbeitszeitnachweise; abgestufte Darlegungslast im Entgeltprozess; Fehler einer vorformulierten Arbeitsvertragsurkunde
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat im vorliegenden Fall entschieden, dass die Arbeitnehmerin und Klägerin einen Anspruch auf Nachzahlung des Arbeitslohns aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat. Es hat auf die Berufung der Klägerin hin das Urteil des Arbeitsgerichts (AG) Köln teilweise abgeändert und neu gefasst.
Die Parteien stritten um Entgeltansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis, welches einen Monat bestand. Diesem Arbeitsverhältnis lag eine vorformulierte teilweise grob rechtswidrige Arbeitsvertragsurkunde zugrunde, welche unter anderem Ausführungen zur Arbeitszeit, Urlaub und Vergütung enthielt. Die Arbeitnehmerin, eine Nageldesignerin, hatte gerichtlich geltend gemacht, deutlich mehr Stunden in dem Nagelstudio der Beklagten gearbeitet zu haben, als in dem Stundenzettel durch die Arbeitgeberin dokumentiert waren. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Klägerin 60 Stunden gearbeitet hatte zu einem Stundenlohn von 10,00 EUR brutto. Darüber hinaus hatte die Klägerin nach ihren Angaben jedoch weitere 83,5 Stunden gearbeitet. Auch war streitig, ob die Klägerin den von der Beklagten vorgelegten Stundenzettel eigenhändig unterschrieben hatte.
Das LAG Köln stellt zunächst fest, dass der Anspruch auf Arbeitsentgelt der Klägerin besteht und nicht schon aufgrund ihrer Unterschrift auf dem Stundenzettel erloschen ist. Diese Unterschrift würde lediglich die dort angegebene Arbeitszeit bestätigen, nicht aber, dass darüber hinaus nicht weitere Stunden geleistet wurden. Daher komme es nicht darauf an, ob die Unterschrift tatsächlich von der Klägerin stammt.
Im Entgeltprozess gilt eine abgestufte Darlegungslast. Behauptet der*die Arbeitgeber*in, der*die Arbeitnehmer*in habe überhaupt keine Arbeit geleistet, so muss der*die Arbeitnehmer*in die Arbeitsleistung nach Art, Ort und Umfang näher beschreiben oder darlegen, wann er*sie sich auf Weisung des*der Arbeitgeber*in zur Arbeit bereitgehalten hat. Im Anschluss muss der*die Arbeitgeber*in auf der zweiten Stufe diesen Sachvortrag widerlegen und darlegen und beweisen, an welchen Tagen der*die Arbeitnehmer*in nicht gearbeitet hat.
Das LAG Köln stellt im vorliegenden Fall fest, dass der Vortrag der beklagten Arbeitgeberin widersprüchlich ist, teilweise falsch und teilweise vertragswidrig, sodass er sich weder als wahr noch als vollständig darstellt. Der Vortrag sei daher nicht erheblich. Damit gilt der Vortrag der Klägerin zu den von ihr geleisteten Arbeitszeiten gemäß § 138 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) als unstreitig.
Das LAG Köln stellt dazu fest, dass ein Minijob-Arbeitsverhältnis ein vollwertiges Arbeitsverhältnis mit allen arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten ist. Es werde daher von der Arbeitgeberin auch die gleiche Sorgfalt bei der Erstellung von Arbeitsurkunden, der Erfassung von Arbeitszeit, bei der Bewilligung von Urlaub und bei der Berechnung von Lohnansprüchen erwartet, wie in einem Vollzeitarbeitsverhältnis.
Die Arbeitgeberin habe diesen Anforderungen nicht genügt. Zunächst hat die Arbeitnehmerin hier ihre Arbeitszeiten vorgetragen und mit Whats-App-Chatverläufen belegt. Die daraufhin von der Arbeitgeberin als Gegenbeiweis vorgelegten Arbeitszeitnachweise stuft das Gericht demgegenüber als unzuverlässig ein. Sie enthielten zahlreiche Rechenfehler und Widersprüche, die Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen ließen. Zudem bestünden Zweifel an der Rechtstreue und der Glaubwürdigkeit der Arbeitgeberin. Dies begründete das LAG Köln mit der einseitigen Festlegung von Urlaubstagen durch die Arbeitgeberin, mit der Nichtberücksichtigung dieser Urlaubstage bei Erfassung der zu vergütenden Arbeitszeit, mit der Unterschreitung des Mindestlohns (durch die Festlegung von unentgeltlichen 4 Überstunden pro Woche), mit der pauschalen Behauptung der Klägerin, Arbeitszeitänderungen seien auf Absagen von Kund*innen zurückzuführen, mit der fehlenden Konkretisierung der angeblichen Arbeitszeitaufstellung und mit mehreren rechtswidrigen Klauseln im Arbeitsvertrag.
Daher verurteilt das Gericht die Beklagte zur Zahlung der noch ausstehenden Vergütung für die geleisteten Arbeitsstunden an die Klägerin.
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