BVerfG, Entscheidung vom 27.12.2006
Aktenzeichen 2 BvR 958/06

Stichpunkte

Erste höchstrichterliche Entscheidung zum Recht der Klägerin bzw. des Klägers im Adhäsionsverfahren, einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin bzw. den Richter zu stellen; Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung des Adhäsionsverfahrens; Opferrechtsreformgesetz zeigt Willen des Gesetzgebers, dass das Adhäsionsverfahren der Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche sein soll.

Zusammenfassung

Das Bundesverfassungsgericht gibt der Verfassungsbeschwerde des Klägers statt. Es stellt fest, dass er das Recht hat, im Adhäsionsverfahren einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin zu stellen. Der Kläger hatte in einem Strafverfahren wegen Betruges Entschädigung im Adhäsionsverfahren beantragt. Gegen die Richterin hatte er einen Befangenheitsantrag gestellt, da diese nicht willens sei, die Strafverfolgung gegen den Täter zu betreiben. Der Antrag wurde abgelehnt, ebenso seine Beschwerden hiergegen. Ein Ablehnungsrecht für den Adhäsionskläger sei in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht sieht den Kläger in seinem Grundrecht auf einen gesetzlichen Richter aus Artikel 101 des Grundgesetzes verletzt. Dies gewährt unter anderem die Unparteilichkeit der Richter und Richterinnen. Hierfür muss der Gesetzgeber Regelungen schaffen, die im Einzelfall eine Ablehnung ermöglichen. Dieser Grundsatz gilt auch für Adhäsionsverfahren. Inwieweit auch hier den Klägern ein Befangenheitsantragsrecht zusteht, ist umstritten und bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Anders als zum Beispiel für die Nebenklage, Staatsanwaltschaft oder Beschuldigte, ist ein solches für die Adhäsionsantragstellenden gesetzlich nicht vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht hebt in vorliegender Entscheidung die grundsätzliche Bedeutung des Adhäsionsverfahrens hervor. Insbesondere durch das Opferrechtsreformgesetz von 2004 habe der Gesetzgeber das Adhäsionsverfahren zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche der Opfer machen wollen.

Vor diesem Hintergrund müssen nach Ansicht des Verfassungsgerichtes die bestehenden Gesetze so ausgelegt werden, dass auch den Antragstellern im Adhäsionsverfahren die Ablehnung des Gerichts offen steht. Vorliegend sieht es den Antragsteller besonders benachteiligt, wenn das Verfahren an der Parteilichkeit der Richterin oder des Richters scheitert und er auf ein erneutes, zeit- und kostenaufwändiges Zivilverfahren verwiesen würde.

Entscheidung im Volltext:

BVerfG_27_12_2006 (PDF, 17 KB, nicht barrierefrei)