LG Flensburg, Urteil vom 28.1.2025
Aktenzeichen II KLs 103 Js 3111/23

Stichpunkte

Entscheidung im Strafverfahren um schwere Zwangsprostitution u.a., mehrjährige Haftstrafe; zum Begriff der Ausbeutung; Gericht spricht Adhäsionsanspruch dem Grunde nach zu

Zusammenfassung

Das Landgericht (LG) Flensburg verurteilt einen Angeklagten wegen besonders schwerer Zwangsprostitution und anderem zu einer Freiheitsstrafe von über 5 Jahren. Außerdem ordnet das Gericht die Einziehung der Taterträge in Höhe von 4.210 EUR an und spricht der Nebenklägerin einen Adhäsionsanspruch dem Grunde nach zu. Auch die notwendigen Auslagen der psychosozialen Prozessbegleitung habe der Angeklagte zu tragen.

(In die Verurteilung wurden auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz einbezogen, vorliegende Zusammenfassung beschränkt sich auf die Taten zur Zwangsprostitution ab Rn 77.)

Der Angeklagte hatte eine 16-Jährige zur Prostitution gebracht und, als sie aufhören wollte, durch Drohungen bestimmt, die Prostitution fortzusetzen.

Der Mann hatte die aus familiär prekären Verhältnissen stammende minderjährige Nebenklägerin über einen Bekannten kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt hatte die Nebenklägerin weder Bleibe noch finanzielle Mittel. Ihre Eltern lebten getrennt. Wegen familiärer und auch Drogenproblemen, nahm das Jugendamt sie in Obhut. Aus dem Heim wurde sie aber ausgeschlossen, da sie sich nicht an die Regeln hielt. Sie konsumierte früh Drogen, weswegen sie auch bei einem Bekannten, bei dem sie vorübergehend gewohnt hatte, wieder ausziehen musste. Angebote des Jugendamtes lehnte sie ab. In dieser Situation bot der Angeklagte ihr an, für ihn der Prostitution nachzugehen, wofür sie Geld erhalten und eine Wohnung gestellt bekäme. Die Nebenklägerin ließ sich darauf ein, unter der Bedingung, dass sie nur freiwillig arbeite. Von März bis Sommer 2023 ging sie der Prostitution nach, dann verschlechterte sich das Verhältnis zu dem Angeklagten, weil dieser aufgrund seines Lebenswandels und Kokain-Konsums mehr Geld benötigte, ihr weniger von ihren Einnahmen zuteilte und sie gleichzeitig zu mehr Freier-Kontakten nötigte. Im Oktober 2023 kam es zum Bruch, da die Nebenklägerin Freiertermine nicht wahrgenommen hatte und der Angeklagte ihr dies vorwarf. Als die Nebenklägerin erklärte, es sei ausschließlich freiwillige Arbeit vereinbart und sie sei unter diesen Umständen nicht zur Fortsetzung der Prostitution bereit, hielt der Angeklagte ihr eine fiktive Schuldenliste vor, die sie zu begleichen hätte, andernfalls drohte er, sie im Wald auszusetzen. Die Nebenklägerin ging daraufhin noch 12 Mal der Prostitution nach und musste die dafür eingenommenen rund 4.000 EUR komplett an den Angeklagten abgeben. Im November 2023 kaufte ein Zeuge die Nebenklägerin für 10.000 EUR frei.

Im Rahmen der Beweiswürdigung (Rn. 131) erklärt die Kammer, die Folgen der Tat für die Nebenklägerin nicht bewerten zu können. Aus dem Chatverlauf zwischen ihr und dem Angeklagten bis einige Wochen vor Prozessbeginn ergäbe sich das Bild eines freundschaftlichen Verhältnisses. Vor Gericht habe sich die Zeugin dann jedoch anders verhalten, die Nebenklagevertreterin von einer Traumatisierung gesprochen, ohne diese jedoch weiter zu belegen. Auch die Nebenklägerin habe dem Gericht eine weitere Aufklärung ihrer psychischen Belastungen durch die Taten nicht ermöglicht, da sie z.B. die Ärzt*innen nicht von der Schweigepflicht endband.

Die Kammer bewertet die Taten des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin als schwere, nachdem er ihr gedroht hatte, sie im Wald auszusetzen, als besonders schwere Zwangsprostitution.

Außerdem habe er sich der ausbeuterischen sowie der dirigistischen Zuhälterei gem. § 181a Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht. Die Kammer erläutert, den Begriff der Ausbeutung. Erforderlich sei ein planmäßiges und eigennütziges Ausnutzen der Prostitutionstätigkeit als Einnahmequelle, wodurch sich die wirtschaftliche Lage der Prostituierten spürbar verschlechtere. Dies sieht das Gericht gegeben, indem der Angeklagte der Nebenklägerin nach dem Zerwürfnis eine Schuldenliste aufmachte, die ihre finanzielle Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. Das Erstellen der Schuldenliste mit strikten Vorgaben bezüglich der Einnahmen und auch der Art und Orte der Tätigkeit stelle eine dirigistische Zuhälterei gem. § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB dar, zudem der Angeklagte die Nebenklägerin hierdurch auch zur Fortsetzung der Prostitution gezwungen habe.

 

Entscheidung im Volltext:

lg_flensburg_28_01_2025 (PDF, 295 KB, nicht barrierefrei)

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