EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU – Artikel 34 RiLi 2011/95/EU – Verpflichtende Integrationsprüfung – Bußgeld und Rückforderung staatliches Darlehen – Verhältnismäßigkeit
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte, dass Mitgliedstaaten anerkannte Schutzberechtigte grundsätzlich zu Integrationsmaßnahmen verpflichten dürfen. Eine Sanktionierung bei Nichtbestehen der Integrationsprüfung – etwa durch ein Bußgeld oder Rückforderung eines Darlehens – ist aber nur dann mit Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vereinbar, wenn sie verhältnismäßig ist und individuelle Umstände berücksichtigt werden.
Der Kläger, ein eritreischer Staatsangehöriger, reiste als Minderjähriger in die Niederlande ein und erhielt dort internationalen Schutz. Ab Volljährigkeit war er nach niederländischem Integrationsgesetz verpflichtet, innerhalb von drei Jahren eine Integrationsprüfung zu bestehen. Diese Frist wurde zwar verlängert, der Kläger nahm jedoch nicht vollständig an Kursen und Prüfungen teil bzw. bestand diese nicht.
Infolgedessen wurde gegen ihn ein Bußgeld von 500 EUR verhängt und er wurde zur Rückzahlung eines staatlichen Darlehens über 10.000 EUR verpflichtet, das er zuvor zur Finanzierung der Integrationsmaßnahme erhalten hatte. Der Kläger wehrte sich gegen diese Maßnahmen. Das niederländische Gericht legte dem EuGH vier Fragen zur Auslegung der EU-Integrationsrichtlinie 2011/95/EU vor. Dabei ging es im Wesentlichen um die Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU, der die Verpflichtung der Mitgliedstaaten regelt, Schutzberechtigten Zugang zu Integrationsmaßnahmen zu ermöglichen. Die Vorlagefragen waren:
Der EuGH stellte klar, dass eine verpflichtende Integrationsprüfung für anerkannte Schutzberechtigte grundsätzlich mit Art. 34 vereinbar ist. Art. 34 ist allerdings dahin auszulegen, dass er einer bußgeldbewährten verpflichtenden Integrationsprüfung entgegensteht, wie sie in den Niederlanden geregelt ist. Bei der Regelung verpflichtender Integrationskurse müssen mehrere Dinge berücksichtigt werden:
Das niederländische System mit systematischer Sanktionierung von bis zu 1.250 EUR widerspricht laut EuGH dem Integrationsziel und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch die Möglichkeit, ein staatliches Darlehen zu erhalten, um die Kosten des Integrationskurses zu bestreiten, und dass die Darlehensschulden erlassen werden, wenn sie ihre Integrationsprüfung rechtzeitig bestehen oder fristgerecht von der Integrationspflicht ausgenommen oder befreit werden, kann an der Unvereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 34 nichts ändern. Denn es bleibt nach der niederländischen Regelung, welche die Rückzahlungspflicht von der erfolgreichen Absolvierung des Kurses abhängig macht, lange Zeit ungewiss, ob die gesamte Darlehenssumme zurückgezahlt werden muss oder nicht. Dies stellt eine unangemessene finanzielle Belastung für schutzsuchende Personen dar und gefährdet das Ziel der tatsächlichen Integration und behindert nicht nur den Zugang zum Integrationsprogramm, sondern auch die Wahrnehmung weiterer Rechte aus der Richtlinie.
Das Urteil stärkt den Grundsatz der verhältnismäßigen Ausgestaltung von Integrationspflichten. Mitgliedstaaten dürfen Schutzberechtigte zu Integrationsleistungen verpflichten, müssen aber bei der Sanktionierung individuelle Lebenslagen, Integrationschancen und Belastungen berücksichtigen. Pauschale Bußgelder oder Rückzahlungen widersprechen dem Unionsrecht, wenn sie die Integration behindern oder Schutzberechtigte unverhältnismäßig treffen.
Entscheidung im Volltext: