ArbG, Urteil as of 4/9/2014
Aktenzeichen 13 Ca 10477/13

Key issues

Bemerkenswerte Entscheidung im Arbeitsgerichtsverfahren wegen Lohnwuchers; Gericht lehnt übergegangenen Lohnanspruch eines Jobcenters ab; Stundenlohn unter 2 Euro erfüllt objektiven Tatbestand des Lohnwuchers, Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Arbeitgebers jedoch aufgrund fehlenden wirtschaftlichen Vorteils widerlegt; Ausführungen zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vermutung einer verwerflichen Gesinnung auf Arbeitgeberseite bei grobem Missverhältnis

Summary

Das Arbeitsgericht Cottbus (ArbG) weist die Klage eines Jobcenters gegen einen Rechtsanwalt zurück,der in seiner Kanzlei eine Bürokraft für einen Stundenlohn von nur 1,53 Euro beschäftigt hatte. Die Frau hatte den Anwalt gebeten, sich im Monat bei ihm 100 Euro dazu verdienen zu können. Zusätzlich erhielt sie Hartz-IV-Leistungen. Das Jobcenter forderte diese Leistungen von dem Anwalt zurück. Es hielt den gezahlten Lohn für sittenwidrig und die Vergütungsabrede infolgedessen für unwirksam. Die Frau habe daher noch zusätzliche Lohnansprüche gegen den Arbeitgeber, die nun wegen der gezahlten Unterstützungen auf das Jobcenter übergegangen seien. Das Arbeitsgericht Cottbus stellt zwar fest, dass ein Brutto-Stundenlohn von unter 2 Euro sittenwidrig sei, da er sich auf einem Niveau außerhalb jeden Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung befinde und die menschliche Arbeitsleistung hierdurch entwertet und geringschätzt werde. Es fehle aber vorliegend an der subjektiven Voraussetzung des Lohnwuchers, einer verwerflichen Gesinnung des Arbeitgebers. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu (BAG 16.5.2012, 5 AZR 268/11 und 27.06.2012, 5 AZR 496/11) führt das ArbG aus, dass eine verwerfliche Gesinnung von der Klägerin darzulegen und zu beweisen sei. Das BAG habe in seinen Entscheidungen zwar festgelegt, dass bei einem groben Missverhältnis, bei dem der Lohn nicht einmal die Hälfte des üblicherweise Geschuldeten erreicht, die Beweiserleichterung der Vermutung einer verwerflichen Gesinnung eingreife. Ein solch grobes Missverhältnis läge zwar vor, die Vermutung einer verwerflichen Gesinnung sei gleichwohl im vorliegenden Fall widerlegt. Der Anwalt habe keine Zwangslage ausgenutzt, sondern der Frau, die ihn um eine Beschäftigung zu diesem Lohn gebeten hatte, einen Gefallen tun wollen. Er habe sie nicht anstelle einer tarifgebundenen Arbeitskraft sondern zusätzlich zu seinen Vollzeitbeschäftigten eingesetzt und brauchte eine weitere Beschäftigte eigentlich nicht. Er habe dadurch keinen Vermögensvorteil sondern sogar unnötige Mehrkosten gehabt. Eine sittenwidrige Lohnvereinbarung läge daher nicht vor.

 

Entscheidung Volltext:

(arbg_cottbus_09_04_2014 (PDF, 109 KB, nicht barrierefrei)

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