Herausragende Entscheidung im Strafverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung; 42.200,- Euro Entschädigung im Adhäsionsverfahren; ungewöhnlich umfangreiche Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung insbesondere zur Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin; Ausführungen zu den Voraussetzungen der ausbeuterischen Zuhälterei; ausführliche Begründung der Adhäsionsentscheidung unter Verweis auf weitere Rechtsprechung zur Schmerzensgeldbemessung in ähnlichen Fällen
Das Landgericht (LG) verurteilt den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Vergewaltigung und Zuhälterei in jeweils zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Im Adhäsionsverfahren spricht das Gericht der Nebenklägerin 42.200,- Euro Entschädigung sowie einen Anspruch auf Ersatz der zukünftig aus der Tat entstehenden Schäden zu. Die aus der Dominikanischen Republik stammende Nebenklägerin verdiente seit 2012 in Deutschland den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind durch Prostitution. Sie hatte einen spanischen Aufenthaltstitel, der aber weder eine Beschäftigung noch einen Aufenthalt über drei Monate in Deutschland gestattete. Mai/Juni 2013 lernte sie den Angeklagten kennen, der ihr vorspiegelte, sie heiraten und ihr Arbeit in der Gastronomie verschaffen zu wollen (S. 6 ff.). Daraufhin zog sie mit ihrer Tochter bei ihm ein. Der Angeklagte zwang sie aber weiter der Prostitution nachzugehen und sämtliche Einnahmen an ihn abzugeben (S. 9 ff.). Ihren Widerstand brach der Angeklagte durch Schläge, Todesdrohungen gegen sie und ihre Tochter oder den Verweis auf ihren illegalen Aufenthalt. Zwei Mal kam es zu Vergewaltigungen (S. 15 ff.). Im August 2013 gelang der Nebenklägerin die Flucht (S. 13 f.). Der Angeklagte versuchte daraufhin im November eine weitere Frau zur Prostitution zu zwingen, diese wurde jedoch von ihrer Schwester befreit (S. 17 ff.). Das LG verurteilt den Angeklagten, der sich nicht zu den Vorwürfen eingelassen hat, insbesondere aufgrund der Aussage der Nebenklägerin. Das LG macht im Rahmen der außergewöhnlich umfangreichen Beweiswürdigung Ausführungen zur Glaubhaftigkeit der Aussage unter anderem durch Auswertung der Aussagen anderer Zeuginnen und Zeugen (S. 19 ff.). Es setzt sich ebenso gründlich mit vermeintlichen Widersprüchen auseinander, erläutert Gründe für nicht wahrgenommene Fluchtmöglichkeiten (S. 21 f.) oder Probleme im Aussageverhalten wie unklare Zeitangaben (S. 22f.). Das Gericht sieht die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin auch bestätigt durch die Aussage des Polizeibeamten, der sie nach ihrer Flucht vernahm (S. 49 ff.). Dieser machte auch umfassende Angaben zu ihrem durch Traumatisierung geprägtem Aussageverhalten. Weiter sieht das Gericht die Angaben der Nebenklägerin auch durch den Umstand bestätigt, dass der Angeklagte gleich nach der Flucht der Nebenklägerin noch im November 2013 nach ähnlichem Muster bei der zweiten Geschädigten vorging. (S. 50.). Im Rahmen der strafrechtlichen Einordnung der Taten (S. 55 ff.) macht das Gericht Ausführungen zu den Voraussetzungen der ausbeuterischen Zuhälterei. Zwar seien grundsätzlich Feststellungen zu den Einnahmen und Ausgaben der Prostituierten erforderlich, um das Vorliegen einer Ausbeutung begründen zu können. Dies sei jedoch entbehrlich, soweit die Prostituierten fast ihre gesamten Einnahmen abgeben müssen und nur gelegentlich kleinere Beträge zurück erhalten. Im Rahmen der Beurteilung des Adhäsionsantrags (S. 62 ff.) stellt das LG die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Notwendigkeit der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten dar und stellt unter Verweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 05.03.2015 fest, dass danach die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt werden können, in Bezug auf die Geschädigten jedoch eine Abkehr von der früheren Rechtsprechung zu erwarten sei. Das LG erläutert weiter umfassend die Maßstäbe zur Ermittlung einer angemessenen Schmerzensgeldsumme und hält vorliegend 40.000,- Euro für angemessen. Das LG führt dabei auch Entscheidungen in ähnlich gelagerten Verfahren auf, merkt dazu aber abschließend an, dass es die zugesprochenen Summen in den angegebenen Verfahren für zu gering zu hält (S. 66). Als materiellen Schadenersatz für die vorenthaltenen Einnahmen aus der Prostitution spricht das Gericht der Nebenklägerin 2.200 Euro zu (S. 66). Auf den Antrag der Nebenklägerin stellt das Gericht ebenso einen Anspruch auf Ersatz zukünftiger Schäden fest, da die Nebenklägerin durch die Taten traumatisiert und die Möglichkeit von Spätfolgen offensichtlich sei (S. 67).
Entscheidung im Volltext: