Bundesverwaltungsgericht, 10. Senat, Urteil as of 9/11/2007
Aktenzeichen 10 C 8.07

Key issues

Entscheidung im Verwaltungsgerichtsverfahren um Abschiebeschutz; Senat legt Mindestanforderungen an ein Attest für Antrag auf Sachverständigenbeweis über Posttraumatische Belastungsstörung dar

Summary

Das Bundesverwaltungsgericht hebt ein den Abschiebeschutz ablehnendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) auf und weist zur Neuverhandlung zurück. Die beiden Kläger sind aserbaidschanische Staatsangehörige. Ihr Asylantrag war abgelehnt worden. Im Berufungsverfahren hatten sie unter anderem unter Vorlage eines ärztlichen Attestes, das eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und für den Fall der Abschiebung eine drohenden Suizidalität bestätigte, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Dies wurde von der Berufungsinstanz abgelehnt mit der Begründung, die Ausführungen in dem Attest seien unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Die Kläger*innen rügen in ihrer Revision vor dem BVerwG durch die Ablehnung des Sachverständigengutachtens die Verletzung von Prozessrecht und der gerichtlichen Aufklärungspflicht.

Der Senat führt hierzu aus, dass das OVG den Beweisantrag nicht mit der Begründung hätte ablehnen dürfen, der Kläger hätte seine Erkrankung nicht glaubhaft gemacht. Im Verwaltungsgerichtsverfahren bestehe keine Pflicht zur Glaubhaftmachung, vielmehr gelte der Untersuchungsgrundsatz. Der Senat sieht, anders als das OVG, den Beweisantrag auch nicht als unsubstantiiert an. Er stellt aber klar, dass angesichts der `Unschärfe´ des Krankheitsbildes ein fachärztliches Attest, mit dem ein Sachverständigengutachten zum Beweis des Vorliegens einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung beantragt werden soll, bestimmten Mindestanforderungen genügen muss. Danach muss sich aus dem Attest ergeben, auf welcher Grundlage der Arzt oder die Ärztin zu der Diagnose gekommen ist und wie die Krankheit sich in dem konkreten Fall darstellt. Ebenso sind Angaben erforderlich dazu, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat, ob die von ihm geschilderten Symptome durch die erhobenen Befunde bestätigt werden, die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit und bisher erfolgte Medikation und Therapien. Sofern die Erkrankung durch Erlebnisse im Heimatland hervorgerufen wurde, diese aber erst längere Zeit nach der Ausreise geltend gemacht werden, muss diese Verzögerung begründet werden. Diesen Anforderungen genügt das vom Kläger vorgelegte Attest nach Ansicht des Senats.

Entscheidung im Volltext:

Bverwg_11_09_2017 (PDF, 90 KB, nicht barrierefrei)

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