Grundsatzentscheidung im Arbeitsgerichtsverfahren zum Mindestlohn; Mindestlohn ist auch für Nachtzuschläge zugrundezulegen, die nach dem tatsächlichen Stundenverdienst berechnet werden; Anrechnung von Urlaubsgeld unzulässig
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entscheidet, dass die Klägerin einen Anspruch auf die Vergütung aller Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 € brutto nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) hat. Die Klägerin ist seit Jahren bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt und Mitglied der IG Metall.
Auf ihr Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie in der Fassung vom 24.2.2004 (MTV) Anwendung. Aus diesem ergibt sich für die Klägerin ein Stundenlohn i.H.v. 7 € brutto. Weiterhin sieht der MTV einen Nachtzuschlag i.H.v. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes vor sowie ein Urlaubsentgelt in Höhe der 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsvergütung, die der Arbeitnehmer in den letzten drei Monaten vor dem Urlaub erhalten hat.
In der streitigen Lohnabrechnung legte die Beklagte bei der Berechnung der Vergütung für einen Feiertag, einen Urlaubstag sowie für den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht den gesetzlichen Mindestlohn zu Grunde, sondern den niedrigeren vertraglichen Stundenlohn. Zusätzlich rechnete sie das gezahlte Urlaubsgeld auf die Mindestlohnansprüche der Klägerin an.
Die Klägerin klagte daraufhin auf eine Vergütung aller geleisteten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 € brutto, sowie die Nichtanrechnung ihres Urlaubsgelds auf den Mindestlohn.
Ihre Klage hatte sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz Erfolg. Das BAG bestätigt die Vorinstanzen und stellt fest, dass der Nachtzuschlag auf Basis des tatsächlichen Stundenverdienstes zu berechnen sei, der nach den gesetzlichen Vorschriften des MiLoG mindestens 8,50 €, ab dem 01.01.2017 dann 8,84 € brutto betrage.
Außerdem hätte das tarifliche Urlaubsentgelt nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen, da es bei Urlaubsantritt gezahlt wurde und somit nicht als Vergütung für geleistete Arbeit anzusehen sei. Zwar gewähre das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Nach § 2 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Dieses sog. Entgeltausfallprinzip gilt auch, wenn sich die Höhe der Arbeitsvergütung nach dem MiLoG bestimmt, da dieses keine abweichenden Bestimmungen enthält. Der Arbeitgeber könne daher nicht auf eine niedrigere vertragliche Vergütung zurückgreifen.
Eine Anrechnung des gezahlten Urlaubsgeldes auf Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz sei nicht zulässig, da dieses nicht der Vergütung der Arbeit diene, sondern als getrennter Anspruch im Tarifvertrag geregelt und neben dem Entgelt für geleistete Arbeit zu zahlen sei.
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