Klarstellende Revisionsentscheidung gegen eine im Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz angeordnete selbstständige Vermögenseinziehung; Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung zur Arbeitsvermittlung; Strafverfolgungsverjährung; rückwirkende Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der §§ 73 ff. StGB (nF); Keine Kompensation bei Prozessverzögerung im Rahmen der Vollstreckungslösung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verwirft die Revision der Einziehungsbeteiligten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. Oktober 2017.
Das Landgericht (LG) Oldenburg hatte mit Urteil vom 17.10.2017 zwei Angeklagte vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) freigesprochen. Sie hatten als Geschäftsführer eines fleischverarbeitenden Betriebes bzw. einer Personalvermittlungsfirma über gut zwei Jahre über 900 Menschen aus Bulgarien illegal beschäftigt, indem sie in der Übergangszeit nach dem EU-Beitritt Bulgariens, in der eine abhängige Beschäftigung noch durch die Bundesagentur für Arbeit genehmigungspflichtig war, die Arbeiter*innen formal im Rahmen von Werkverträgen als Selbstständige einsetzten. Tatsächlich arbeiteten diese aber genauso weisungsgebunden wie die im Unternehmen eingesetzten Leiharbeiter*innen. Da die Taten jedoch nach § 78c Abs. 3 Satz 2 Strafgesetzbuch (StGB) verjährt waren, wurden sie freigesprochen. Hiergegen erhob die Staatsanwaltschaft Revision, hierzu auch Urteil des BGH vom 07.03.2019.
Das LG ordnete jedoch gegen die beiden von den Angeklagten geleiteten Unternehmen die Einziehung des Wertes der Taterträge von mehr als 10 Mio. EUR an. Dabei urteilte das LG, dass die Einziehung nach den neuen Regelungen für Vermögensabschöpfung nach Art. 316h S. 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) nicht verjährt sei. Dies gelte auch für vor dem Inkrafttreten der Reform am 01.07.2017 begangene Taten.
Der BGH setzte mit Beschluss vom 07.03.2019 das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) aus und holte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Anwendung der nunmehr geltenden Vorschriften zur selbstständigen Tatertragseinziehung ein. Mit Beschluss vom 10. Februar 2021 entschied das BVerfG, dass Art. 316h S. 1 EGStGB mit den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar sei. Die rückwirkende Anwendung der neuen Vorschriften zur Einziehung sei durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Die Revisionen der Einziehungsbeteiligten bleiben erfolglos. Der BGH bestätigt die vom LG ausgesprochene selbstständige Einziehung des Wertes der Taterträge.
Die vom LG angenommenen verjährten Verstöße gegen das SchwarzArbG halten der revisionsrechtlichen Prüfung des Senats stand. Der Senat macht dabei insbesondere Ausführungen zum Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses und grenzt Arbeitnehmerüberlassung von Arbeitsvermittlung ab. Als zentrale Abgrenzungskriterien führt der BGH an, dass der Verleiher im Falle der Arbeitnehmerüberlassung über die rein formale Arbeitgeberstellung hinaus die üblichen Arbeitgeberpflichten und das Arbeitgeberrisiko übernimmt. Arbeitsvermittlung ist dagegen jede Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Arbeitsuchende mit Arbeitgeber*innen zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Hier wurde ein solches Beschäftigungsverhältnis zwischen der Einziehungsbeteiligten zu 1 und den Menschen aus Bulgarien begründet. Der BGH stellt heraus, dass es sich bei den verdeckten Rechtsgeschäften, den scheinbar geschlossenen Werkverträgen somit nicht wie von den Einziehungsbeteiligten dargestellt um Arbeitnehmerüberlassung, sondern um Arbeitsvermittlungsverträge gehandelt hat. Um dies feststellen zu können, war hier die Einordnung der Verträge erforderlich. Daher äußert sich der BGH in diesem Zusammenhang auch zur rechtlichen Einordnung eines Vertrags. Über die Einordnung eines Vertrags entscheide der Geschäftsinhalt und nicht eine Bezeichnung, die diesem tatsächlich nicht entspreche, oder die von den Vertragsparteien gewünschte Rechtsfolge. Der BGH stellt zudem fest, dass das Landgericht die selbstständig angeordnete Wertersatzeinziehung von Taterträgen zutreffend auf die rückwirkend anwendbaren §§ 73 ff. StGB (nF) gestützt hat, entsprechend den Ausführungen des BVerfG.
Abschließend legt der BGH dar, dass die Dauer des Revisionsverfahrens zwar unangemessen lang war, dass eine Kompensation durch den BGH jedoch nicht gewährt werden könne. Eine Kompensation im Sinne der §§ 198 ff. Gerichtsverfahrensgesetz (GVG) ist die Zahlung einer Entschädigung für eine unangemessen lange Verfahrensdauer. Hier bestehe durch den BGH jedoch keine Befugnis für die Gewährung einer Kompensation. Habe ein Strafgericht bereits eine Kompensationsentscheidung getroffen, indem es die unangemessen lange Verfahrensdauer festgestellt oder einen Vollstreckungsabschlag vorgenommen habe, so sei dies im Hinblick auf die immateriellen Schäden abschließend. Dies sei gemäß § 199 Abs. 3 GVG als ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 198 Abs. 2 S. 2 GVG anzusehen. Diese Lösung nach dem Vollstreckungsmodell sei für die immateriellen Schäden der Beschuldigten vorgesehen.
Siehe hierzu die vorgehenden Entscheidungen:
1. Urteil des LG Oldenburg vom 17.10.2017 als Ausgangsentscheidung
2. Beschluss des BGH vom 07.03.2019 auf die Revision der von der Vermögenseinziehung betroffenen Unternehmen, in dem der BGH die Übergangsregelung zur Verjährung für unzulässig erklärt
3. Urteil des BGH vom 07.03.2019 zur Revision der StA gegen den Freispruch der Angeklagten, der durch den BGH jedoch bestätigt wird.
Entscheidung im Volltext: