Umfangreiche Entscheidung in aufwändigem Strafverfahren unter anderem wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in sogenannten `Flatrate-Bordellen´ und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt; detaillierte Darstellung der Bandenstruktur sowie des Aufbaus und der Funktion der Flatrate-Bordelle, der Anwerbung der rumänischen Frauen, sowie deren Lebenssituation vor, während und nach ihrer Prostitutionstätigkeit für die Angeklagten; mehrjährige Freiheitsstrafen für die beiden Täter
Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart verurteilt die beiden Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei sowie Vorenthaltens von Arbeitsentgelt zu Freiheitsstrafen von 8 Jahren und 6 Monaten beziehungsweise 5 Jahren und 3 Monaten.
Die Angeklagten hatten als Chefs einer Bande über Jahre junge Frauen aus Rumänien überwiegend unter falschen Versprechungen nach Deutschland gebracht und sie hier in Bordellen für sich arbeiten lassen. Die Frauen waren meist noch keine 21, zwei waren erst 16 Jahre alt. Die Täter entwickelten ein System sogenannter `Flatrate-Bordells´ in mehreren Städten Deutschlands. Die Freier zahlten ein einmaliges Entgelt in Höhe von 70-100 Euro. Dafür mussten ihnen die Prostituierten in beliebiger Weise und Häufigkeit zur Verfügung stehen. Die Frauen bedienten bis zu 60 Freier am Tag und mussten bis zu 14 Stunden täglich an 6 Tagen in der Woche arbeiten. Bei einem Tageslohn von um die 150 Euro bekamen sie weniger als 5 Euro pro Freier. An ihre Zuhälter mussten sie wöchentlich um die 1000,- Euro abführen.
Das Gericht stellt ausführlich die Entwicklung und Vorgehensweise der Zuhälterbande in den einzelnen Bordellen dar (S.13-34). Ebenso eingehend schildert es bei 16 Frauen die Anwerbung durch die Täter sowie ihre jeweilige Lebenssituation vor, während und nach ihrer Prostitutionstätigkeit für die Angeklagten (S.35-97).
Das Gericht führt aus, warum die Frauen gegenüber den Angeklagten weisungsgebunden waren und diese somit als Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge hätten abführen müssen (S.97-101). Dies taten sie nicht und enthielten so den zuständigen Stellen vom März 2008 bis Februar 2010 fast 1,8 Millionen Euro vor. Das Gericht macht zur diesbezüglichen Schätzgrundlage eine detaillierte, tabellarische Aufstellung für jedes der Bordelle (S.102-108).
Das Strafverfahren hatte sich über 72 Verhandlungstage erstreckt, in denen über 40 Zeuginnen und Zeugen, insbesondere die geschädigten Frauen, sowie Sachverständige vernommen wurden.
Bei einem der Täter wurde die bereits verbüßte Haftstrafe angerechnet.
Der Bundesgerichtshof hat mit Entscheidung vom 06.06.2013 (Az: 1 StR 581/12) die Revision eines der Angeklagten verworfen und das Urteil bestätigt.
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