Zahlen & Statistiken

Zahlen, Daten, Fakten

Zahlen und Statistiken sind grundlegend, um das Ausmaß von Menschenhandel sichtbar zu machen, Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und effektive Maßnahmen zu entwickeln, um Betroffene besser zu unterstützen. Doch die Aussagekraft dieser Daten ist oft eingeschränkt, weil es Lücken in der Datenerhebung gibt, unterschiedliche Definitionen verwendet werden und methodische Herausforderungen bestehen.

Nationale Datenlage: Menschenhandel in Deutschland

Polizeiliche Statistiken 

Das Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung des Bundeskriminalamts (BKA) dokumentiert jährlich abgeschlossene Ermittlungsverfahren. 

Zahlen aus dem Bundeslagebild 2024:

  • Gesamtzahl der wegen Verdachts des Menschenhandels und der Ausbeutung abgeschlossenen Ermittlungsverfahren: 576
  • 364 Verfahren wegen sexueller Ausbeutung
  • 41 Verfahren wegen Arbeitsausbeutung
  • 1 Verfahren wegen Ausbeutung von Betteltätigkeiten
  • 2 Verfahren wegen Ausbeutung von strafbaren Handlungen
  • 17 Verfahren wegen Zwangsverheiratung
  • 209 Verfahren wegen Ausbeutung minderjähriger Betroffener

Bei sexueller Ausbeutung stellten Betroffene mit deutscher Staatsangehörigkeit die größte Gruppe, gefolgt von China, Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Bei Arbeitsausbeutung stammten die meisten Betroffenen aus der Slowakei, Moldau und Vietnam; deutsche Betroffene spielten hier kaum eine Rolle.

Das Bundeslagebild erfasst jedoch lediglich die abgeschlossenen polizeilichen Ermittlungsverfahren. Somit ist die Aussagekraft dieser Daten begrenzt. Viele Fälle von Menschenhandel, in denen die Betroffenen von Fachberatungsstellen beraten und unterstützt werden, sie aber den Kontakt mit Behörden meiden, finden keinen Eingang in die Statistik. Zudem verbleiben viele im Dunkelfeld, weil sie nicht als Betroffene von Menschenhandel identifiziert werden.  

KOK-Datenerhebung

Um das Ausmaß des Phänomens Menschenhandel in Deutschland und die Bedarfe der Betroffenen abbilden zu können, müssen die Daten aus der zivilgesellschaftlichen Praxis unbedingt berücksichtigt werden. 

Aus diesem Grund hat der KOK ein eigenes Datenerhebungstool für seine Mitgliedsorganisationen entwickelt. Die Daten werden durch spezialisierte Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel mit Einwilligung der Klient*innen erhoben. 

Seit 2020 veröffentlicht der KOK jährlich eine Auswertung des KOK-Datentools. Die KOK-Datenberichte stellen eine Ergänzung zu den statistischen Erhebungen der Strafverfolgungsbehörden dar und bilden eine zivilgesellschaftliche und menschenrechtsbasierte Perspektive auf das Thema ab.

Zahlen zu Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland 2023:

  • 702 Fälle von Menschenhandel wurden durch die Fachberatungsstellen dokumentiert.
  • 597 davon wurden zur Auswertung freigegeben.
  • 87 Prozent der beratenen Betroffenen sind weiblich.
  • 34 Prozent der Beratenen sind zwischen 22 und 29 Jahren alt, 32 Prozent zwischen 30 und 39.
  • Sexuelle Ausbeutung ist die häufigste Ausbeutungsform: 68 Prozent der Fälle
  • 48 Prozent der Betroffenen stammen aus westafrikanischen Ländern.

Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist zu beachten, dass der Datenbericht ebenfalls nur einen Ausschnitt der Unterstützungsarbeit der Fachberatungsstellen abbilden kann. Nicht alle sind in das KOK-Datentool eingebunden, und die erhobenen Daten beruhen auf freiwilligen Eingaben der Beratungsstellen. Grundlage für die Eingabe von Fällen ist immer das Einverständnis der Betroffenen. Daher tauchen einige Fälle gar nicht im Datentool auf, während andere unvollständig erfasst sind.

KOK-Datenbericht 2024

Monitor Menschenhandel

Das Zusammenführen von Daten aus Bundes- und Landesbehörden und von zivilgesellschaftlichen Organisationen ermöglicht eine umfassendere Sichtweise auf die Situation in Deutschland. Mit dieser Aufgabe ist die Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Deutschen Instituts für Menschenrechte betraut. 2024 veröffentlichte sie den ersten Monitor Menschenhandel.

Die gebündelte Darstellung von Daten zu allen Ausbeutungsformen, aus allen Bundesländern und über mehrere Jahre hinweg, ist in Deutschland in dieser Form neu.

Die Auswertung der Berichterstattungsstelle Menschenhandel zeigt für den Zeitraum 2020 bis 2022:

  • Ermittlungsbehörden haben 3.155 Betroffene von Menschenhandel identifiziert.
  • In diesem Zeitraum haben 3.704 Personen, bei denen der Verdacht auf Menschenhandel oder Ausbeutung vorlag, Beratung bei spezialisierten Fachberatungsstellen oder arbeitsrechtlichen Beratungsstellen gesucht.
  • Die Schnittmenge zwischen den erfassten Personen ist gering. Nur 13 Prozent der vom BKA identifizierten Betroffenen nahmen eine Beratung bei Fachberatungsstellen in Anspruch.

Durch die Bündelung der unterschiedlichen Statistiken muss bei der Interpretation beachtet werden: Einerseits sind die Daten durch die unterschiedlichen Erhebungsmethoden nur bedingt miteinander vergleichbar. Andererseits lassen sich die Zahlen nicht zu einer Gesamtzahl summieren, da eine Doppelzählung einzelner Betroffener nicht auszuschließen ist.

Internationale Datenlage

Die Situationseinschätzung internationaler Organisationen variiert stark, je nachdem, wie weit oder eng die Definition von Menschenhandel gehandhabt wird und welche Form der Datenerhebung genutzt wird.

UNDOC-Bericht zu Menschenhandel

Das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) erstellt Berichte basierend auf offiziellen Statistiken aus 156 Ländern: 

  • Im Zeitraum 2020 bis 2023 wurden 202.478 Betroffene von Menschenhandel weltweit registriert.
  • Davon waren 38 Prozent Minderjährige und 62 Prozent Erwachsene.
  • 42 Prozent der identifizierten Personen waren von Arbeitsausbeutung betroffen, 36 Prozent von sexueller Ausbeutung, acht Prozent von der Ausbeutung krimineller Handlungen und weitere acht Prozent von verschiedenen Ausbeutungsformen, zum Beispiel Betteln und Zwangsheirat.
  • Im Vergleich zu 2019 gab es einen Anstieg bei Menschenhandel zulasten minderjähriger Personen um 31 Prozent, unter den weiblichen Betroffenen einen Anstieg um 38 Prozent.
  • Die Fälle von Arbeitsausbeutung haben im gleichen Zeitraum um 47 Prozent zugenommen.
  • Demgegenüber steht, dass die meisten Verurteilungen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung erfolgen: 72 Prozent der Verurteilungen betreffen sexuelle Ausbeutung, 17 Prozent hingegen Arbeitsausbeutung.
  • Frauen und Mädchen machen weiterhin die Mehrheit der weltweit entdeckten Betroffenen aus: 61 Prozent im Jahr 2022. Die Mehrheit der festgestellten weiblichen Betroffenen (60 Prozent) wird sexuell ausgebeutet.

Diese Zahlen liefern wertvolle Einblicke, ihre Aussagekraft ist jedoch begrenzt, da sie auf den durch die Länder zuglieferten offiziellen Statistiken zu identifizierten Betroffenen von Menschenhandel, Daten zu Verfahren wegen Menschenhandels und Ausbeutung basieren und damit nur das sogenannte „Hellfeld“ widergeben.

Bericht der EU-Kommission

Alle zwei Jahre veröffentlicht die EU-Kommission einen Bericht zur Bekämpfung des Menschenhandels. Der Bericht stützt sich auf Beiträge aus den Mitgliedstaaten, EU-Agenturen und der EU-Plattform der Zivilgesellschaft zur Bekämpfung des Menschenhandels.

Der fünfte Bericht zeigt Daten aus dem Berichtszeitraum 2021 und 2022 auf:

  • Im Berichtszeitraum wurden 17.248 Betroffene von Menschenhandel registriert. Dies entspricht einem Anstieg um 20,5 Prozent im Vergleich zum vorherigen Zeitraum (2019 –2020).
  • Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung bleibt mit 49 Prozent die häufigste Form, gefolgt von Arbeitsausbeutung mit 37 Prozent.
  • 65 Prozent aller Betroffenen sind Frauen und Mädchen. Frauen und Mädchen sind besonders betroffenen von sexueller Ausbeutung: 68 Prozent der Betroffenen waren Frauen und 24 Prozent Mädchen. Männer machen hingegen den Großteil der Betroffenen von Arbeitsausbeutung aus (70 Prozent).
  • Kinder und Jugendliche stellen insgesamt 19 Prozent der Betroffenen dar, wobei ihr Anteil im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum leicht zurückging.

Die tatsächlichen Zahlen werden deutlich höher eingeschätzt, da die Statistik, ähnlich wie das Bundeslagebild des BKA und der UNODC-Bericht, nur die von offiziellen Stellen und Behörden registrierten Fälle von Menschenhandel erfasst. Die erhobenen Zahlen können innerhalb der EU stark schwanken, was auf unterschiedliche Ansätze bei der Meldung von Daten bei Polizei und Justiz, auf den unterschiedlichen Stand der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels in den EU-Mitgliedstaaten und auf unterschiedliche strafrechtliche Reaktionen auf den Menschenhandel zurückzuführen ist. Darüber hinaus melden nicht alle EU-Mitgliedstaaten regelmäßig Fallzahlen. Mit der Reform der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel wird diese Problematik anerkannt: Die überarbeitete Richtlinie zielt darauf, die Datenerhebung und -meldung EU-weit zu vereinheitlichen.

Globale Schätzungen zu „moderner Sklaverei“ von ILO, IOM und Walk Free Foundation

Laut dem Bericht der International Labour Organisation (ILO), der International Organisation for Migration (IOM) und der Walk Free Foundation waren 2023 weltweit rund 50 Millionen Menschen von moderner Sklaverei betroffen. Diese Zahl beinhaltet neben Zwangsarbeit und sexueller Ausbeutung auch Phänomene wie Zwangsverheiratung.

Die Erhebung basiert auf:

  • Befragungen in ausgewählten Ländern
  • Hochrechnungen für Länder ohne Befragungen
  • Datenbanken, wie der Counter Trafficking Data Collaborative (CTDC), die Informationen über identifizierte Betroffene von Menschenhandel bündelt.

Die Erhebungsmethodik der Global Estimates of modern Slavery wird im Detail in einer eigenen Publikation beschrieben.