Hintergründe & Ursachen

Hintergründe und Ursachen

Während die Hintergründe und Lebenssituationen von Betroffenen von Menschenhandel sehr unterschiedlich sind, gibt es trotzdem einige Faktoren, die Ausbeutung begünstigen. Dazu gehören individuelle Merkmale, strukturelle Faktoren, Flucht und Migration sowie Herausforderungen durch Digitalisierung und das Internet. 

Grundsätzlich kann jede Person, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Geschlecht oder Alter, von Menschenhandel betroffen sein. Gleichzeitig gibt es einige Umstände und Faktoren, die Menschenhandel begünstigen – so gibt es individuelle Vulnerabilität und strukturelle Faktoren, die Menschen besonders anfällig für Menschenhandel machen. Außerdem können Flucht und Migration Menschenhandel begünstigen. Darüber hinaus sind durch die Digitalisierung und das Internet weitere Handlungsmöglichkeiten für Täter*innen zur Anwerbung und Überwachung der Betroffenen sowie Herausforderungen für die Bekämpfung von Menschenhandel entstanden.  

Menschen können aus den unterschiedlichsten Gründen in Ausbeutungssituationen geraten. Sowohl persönliche, individuelle Umstände als auch strukturelle und gesellschaftliche Faktoren können dazu führen, dass Menschen einem höheren Risiko ausgesetzt sind, betroffen von Menschenhandel zu werden.

Individuelle Vulnerabilität kann beispielsweise gegeben sein durch:

  • akute ökonomische Krisen (zum Beispiel Schulden, Kosten für medizinische Behandlungen, Arbeitslosigkeit)
  • fehlende Möglichkeit den Lebensunterhalt zu sichern
  • mangelnde Sprachkenntnisse
  • fehlende Rechtskenntnisse
  • kein Zugang zum Gesundheitssystem oder zu Rechtsberatung
  • Flucht
  • Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Behinderung oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit

Menschen mit wenig Geld oder Sprachkenntnissen, die zudem noch Benachteiligung oder Gewalt erfahren, können also tendenziell leichter Betroffene von Menschenhandel werden, als Personen mit Vermögen und stabilem Einkommen sowie guten Kenntnissen der Landessprache und einem klaren Verständnis der rechtlichen Situation.

Darüber hinaus gibt es auf der strukturellen, also der gesellschaftlichen und politischen Ebene ebenfalls Faktoren, die es erschweren, dass sich Personen gut vor Menschenhandel schützen können. Das sind:

  • gesellschaftliche Krisen und wirtschaftliche Instabilität (zum Beispiel durch Pandemien, Klimawandel, Kriege oder globale Finanzkrisen)
  • gesellschaftliche und wirtschaftliche Ungleichheit
  • Perspektivlosigkeit im Herkunftsland
  • Restriktiver Zugang zum Arbeitsmarkt
  • Ausgrenzende Asyl- und Migrationspolitik
  • Mangelnde Rechtsdurchsetzung und Straflosigkeit

Strukturelle und individuelle Faktoren bedingen sich in vielen Fällen gegenseitig, sind miteinander verschränkt oder verstärken einander. Ein Beispiel dafür ist der geschlechtsspezifische Aspekt von Menschenhandel. Von sexueller Ausbeutung sind  besonders Frauen und TIN* Personen betroffen – zum einen aufgrund von Diskriminierung wegen ihres Geschlechtes aber auch aufgrund von struktureller Benachteiligung, die sie häufiger in wirtschaftliche Notlagen bringt. Auch von sexualisierter oder Partnerschaftsgewalt und Zwangsverheiratung sind hauptsächlich Frauen und TIN* Personen betroffen. Auf der Flucht besteht durch den Mangel an Schutz und Unterstützung eine erhöhte Gefahr für sie, Missbrauch und Gewalt zu erleiden. Sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt ist durch internationale Menschenrechtsinstrumente als eine der schwerwiegendsten und am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzung anerkannt.

Kinder gehören ebenfalls zu den besonders vulnerablen Gruppen, da sie in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen stehen, auf eine sie versorgende Person angewiesen und hilfloser sind.

Obwohl Menschenhandel und Ausbeutung nicht zwangsläufig mit Migration verknüpft sind, ist dies in der Praxis häufig der Fall. Migrant*innen befinden sich oft in prekären Situationen, die ihre Verletzlichkeit gegenüber Menschenhandel und Ausbeutung erhöhen können.

Menschen sind in Kriegs- und Krisengebieten und auf der Flucht besonders gefährdet, ausgebeutet zu werden. Menschenhandel und Ausbeutung finden mitunter bereits im Herkunftsland statt, häufig aber auch auf der Flucht, dem Migrationsweg und/oder im Zielland. Geschlechtsspezifische Verfolgung liegt vor, wenn der Grund für die Verfolgung oder die Art der Verfolgung an das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung eines Menschen anknüpft.

Viele Bereiche, in denen Migrant*innen im Zielland arbeiten, zeichnen sich dadurch aus, dass sie zur informellen Wirtschaft gehören, die sich oft durch unregulierte Beschäftigung, schlechte Bezahlung und schwierige Arbeitsbedingungen auszeichnet.
Faktoren, die Ausbeutung und Menschenhandel begünstigen können:

Betroffene von Menschenhandel aus Drittstaaten gelten nach der Aufnahme-Richtlinie der EU als besonders schutzbedürftig. Hieraus ergeben sich spezifische Rechte im Asylverfahren, wie zum Beispiel die adäquate Unterbringung und besondere Leistungsgewährung bei der medizinischen und therapeutischen Versorgung. 

Faktoren, die Ausbeutung und Menschenhandel begünstigen können

Das Thema digitale Gewalt findet zunehmend Eingang in das gesellschaftliche, politische und behördliche Bewusstsein. Spezifische Ausprägungen wie technologiegestützter Menschenhandel werden zwar bereits als wichtigste Entwicklung wahrgenommen, stellen aber sowohl Strafverfolgungsbehörden als auch das Unterstützungssystem vor große Herausforderungen. Diese verfügen in der Regel bisher weder über die erforderliche technische Ausstattung noch über die notwendige IT-Expertise, um auf diese Entwicklungen angemessen reagieren zu können.

Kommunikations- und Informationstechnologien und digitale Infrastrukturen haben auch immer größeren Einfluss auf Menschenhandel. Die Entwicklungen in diesem Bereich, insbesondere auf Täter*innenseite, vollziehen sich schnell und dynamisch.

Ein Aspekt dabei ist, dass die Anwerbung über das Internet für Täter*innen stark erleichtert wird. Durch Social-Media-Plattformen und Messengerdienste können Menschenhändler*innen mit relativ geringem Aufwand ihre Reichweite extrem erhöhen. Sie können so einfacher Kontakt auch zu weit entfernten Menschen aufnehmen und mittels Übersetzungssoftware leichter Sprachbarrieren überbrücken. Zudem können Internet- und Kommunikationstechnologien dazu genutzt werden, Betroffene während der Ausbeutungsphase beispielsweise über Smartphones eng zu überwachen oder zu bedrohen. Dies gilt auch über die unmittelbare Ausbeutungssituation hinaus. 

Es besteht dringender Bedarf, Kapazitäten und Fähigkeiten für die Strafverfolgung und Ermittlung von Verbrechen mit digitaler Komponente auszubauen. Besonders im Bereich digitale Forensik braucht es zusätzliches Fachwissen. 

Eine ausführliche Studie des KOK zum Einfluss des Internets und von sozialen Medien auf Menschenhandel finden Sie hier.

 Zum Projekt Menschenhandel 2.0