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NEUIGKEITEN

Neue Daten zu Menschenhandel und Ausbeutung für das Jahr 2024

Anlässlich des Europäischen Tags gegen Menschenhandel am 18. Oktober hat der KOK den Datenbericht 2025 veröffentlicht, der Informationen zu Fällen von Menschenhandel aus der Beratungspraxis liefert. Im Jahr 2024 wurden 868 Fälle von Menschenhandel dokumentiert, 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Von diesen sind 659 Fälle mit auswertbaren Informationen erfasst. 84 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Sexuelle Ausbeutung bleibt die häufigste Form, gefolgt von Arbeitsausbeutung. 36 Prozent der Betroffenen sind zwischen 22 und 29 Jahre alt, 52 Prozent stammen aus westafrikanischen Ländern. Die Daten zeigen, dass das Fallaufkommen in den Fachberatungsstellen sehr hoch bleibt und ihr spezialisiertes Angebot von Betroffenen umfassend in Anspruch genommen wird.

Anlässlich des Europäischen Tags gegen Menschenhandel fordert der KOK eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung der Fachberatungsstellen. Der Datenbericht zeigt: Das Fallaufkommen bleibt hoch, während Ressourcen und Kapazitäten weiter unter Druck stehen.


KOK-Webseite in neuem Design

Die Webseite des KOK wurde in neuem Design sowie konzeptionell und redaktionell überarbeitet veröffentlicht. Inhaltlich bietet sie die gewohnten umfassenden Hintergrundinformationen zu den Themen Menschenhandel und Ausbeutung sowie News zu aktuellen politischen und rechtlichen Entwicklungen. Inhalte sind jetzt strukturierter und leichter auffindbar, die mobile Ansicht ist optimiert, ein neuer Shop ist online, in dem alle gedruckten KOK-Publikationen leichter gefunden und direkt bestellt werden können. 


Analyse: „Durchs Raster gefallen? Kinder und Jugendliche als Betroffene von Menschenhandel in Deutschland“

Mit der am 15.10. veröffentlichten Analyse „Durchs Raster gefallen?“ richtet die Berichterstattungsstelle Menschenhandel am Deutschen Institut für Menschenrechte den Fokus auf Kinder und Jugendliche, die in Deutschland von Menschenhandel und Ausbeutung betroffen sind.

Kinder und Jugendliche sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Opfer sexueller Ausbeutung, ausbeuterischer Arbeit oder von Zwang zu kriminellen Handlungen zu werden. Dennoch bleibt ein Großteil der Betroffenen unerkannt und erhält nicht die notwendige Unterstützung, darauf macht die Analyse aufmerksam. Sie stellt die rechtlichen Vorgaben zum Schutz, zur Identifizierung und Unterstützung minderjähriger Betroffener dar und untersucht, inwieweit diese in Deutschland umgesetzt werden. Im Mittelpunkt stehen die Perspektiven von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel auf die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden. Daher wurden im Rahmen der Studie die Fachberatungsstellen des KOK sowohl durch Fokusgruppendiskussionen als auch leitfadengestützte Interviews umfassend befragt und stellten ihre Expertise zur Verfügung.

Die Studie enthält umfassende Empfehlungen zur Verbesserung der Situation. So werden u.a. flächendeckender Ausbau spezialisierter Beratungsstellen, die Einrichtung zentraler Koordinierungsstellen auf Landesebene sowie verbindliche Kooperationsstrukturen empfohlen. Weitere Informationen finden sich in der Pressemitteilung und einem Factsheet.


Bundeslagebild Menschenhandel 2024

Das aktuelle Bundeslagebild Menschenhandel 2024 des BKA liegt vor. Demnach stieg die Zahl der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren auf 576 Fälle, davon:

  • 364 abgeschlossene Verfahren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung
  • 41 abgeschlossene Verfahren Arbeitsausbeutung
  • ein abgeschlossenes Verfahren Ausbeutung von Bettelei
  • zwei abgeschlossene Verfahren Ausbeutung von strafbaren Handlungen
  • 209 abgeschlossene Verfahren mit minderjährigen Betroffenen, davon 195 wegen kommerzieller sexueller Ausbeutung

Bei der sexuellen Ausbeutung bildeten Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft mit 110 Personen die größte Betroffenengruppe, gefolgt von China (55) und Bulgarien (53). Bei der Arbeitsausbeutung stammten die meisten Betroffenen aus der Slowakei (64), Moldau (37) und Vietnam (19); deutsche Betroffene spielten hier kaum eine Rolle. Als auffällig wird der Anstieg von Verfahren mit Betroffenen aus südamerikanischen Ländern, insbesondere aus Kolumbien, bezeichnet, was aber dem europäischen Trend entspreche. 


US-TIP-Report 2025

Der 2025 Trafficking in Persons (TIP) Report wurde Anfang Oktober vom Büro zur Überwachung und Bekämpfung von Menschenhandel im US-Außenministerium. Der jährlich erscheinende Bericht bewertet die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung von Menschenhandel, der aktuelle Bericht bezieht sich auf das Jahr 2024.

In Europa wurden demnach 18.865 Betroffene identifiziert, jedoch nur 2.960 Verurteilungen registriert. Neben einem allgemeinen Teil gibt es spezifische Länderberichte zu über 180 Ländern weltweit. Sie werden entsprechend der Einhaltung von Mindeststandards zur Beseitigung des Menschenhandels in Stufen von 1 bis 3 kategorisiert. Im aktuellen Bericht wurden 16 EU-Mitgliedstaaten in Tier 1 eingestuft, 11 in Tier 2. Russland und Belarus wurden in Tier 3 eingeordnet. Der Bericht verzeichnet weltweit einen Höchststand an Verurteilungen im Bereich Arbeitsausbeutung und hebt die wachsenden Risiken durch staatlich geförderte Zwangsarbeit, sowie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz hervor. 


BKA startet Aufklärungskampagne zur Loverboy-Methode

Mit der Aufklärungskampagne FakeLove klärt das Bundeskriminalamt über die Loverboy-Methode auf. Ein Kurzfilm soll für das Thema sensibilisieren und zeigt, wo Betroffene Hilfe finden können. Die Kampagne richtet sich gezielt an besonders gefährdete junge Frauen unter 21 Jahren und vermittelt mithilfe einfacher, visueller Botschaften Informationen und Unterstützungsangebote.


EU startet Netzwerk zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern

Die Europäische Kommission hat Anfang August offiziell das Network for the Prevention of Child Sexual Abuse ins Leben gerufen. Das Netzwerk soll politische Entscheidungsträger*innen, Forscher*innen, Praktiker*innen und andere Akteure zusammenbringen, die im Bereich der Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch und sexueller Ausbeutung tätig sind. Es bietet einen gemeinsamen Raum, um sich zu treffen, Ideen, Wissen und Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Strategien zu erarbeiten, um die Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch in der EU zu stärken. Es wird sich u.a. aus den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in persönlicher Eigenschaft benannten Personen, im Bereich der Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch tätigen Organisationen und anderen öffentlichen Einrichtungen, einschließlich Behörden aus Ländern außerhalb der EU, zusammensetzen. Einzelne Expert*innen und Organisationen werden im Rahmen regelmäßiger Aufrufe zur Einreichung von Bewerbungen ausgewählt.


EU verhandelt über Stärkung der Rolle von Europol bei der Schleusungsbekämpfung

Ende September haben sich Verhandlungsführer*innen des Rates der EU und des Europäischen Parlaments eine vorläufige Einigung darüber erzielt, Europol eine stärkere Rolle bei der Bekämpfung von Schleusung einzuräumen. Geplant ist u. a. die Einrichtung eines Europäischen Zentrums gegen Schleusung innerhalb von Europol, das mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden soll. Der Schritt wird damit begründet, Menschenhandel besser bekämpfen zu können – ein Narrativ, das häufig für migrationspolitische Maßnahmen genutzt wird. Die vorläufige Einigung muss noch vom Rat und vom Europäischen Parlament bestätigt werden.


Zivilgesellschaftliche Organisationen gegen EU-Rückführungsverordnung

Über 200 Organisationen, darunter auch der KOK, veröffentlichten am 15. September ein gemeinsames Statement gegen die geplante EU-Rückführungsverordnung. Der Entwurf der Verordnung setzt auf Zwang, Haft und Abschiebung, statt auf Schutz, Sicherheit und soziale Inklusion, und gefährdet grundlegende Menschenrechte. Besonders betroffen sind Kinder, Familien und Menschen, die ohnehin Diskriminierung erfahren. Die unterzeichnenden Organisationen fordern eine menschenrechtsbasierte Migrationspolitik, die Würde und Teilhabe schützt, und rufen die Europäische Kommission auf, den Vorschlag zurückzuziehen, sowie das Europäische Parlament und den Rat der EU, ihn abzulehnen. 


Factsheet: Menschenhandel als besonderer Schutzbedarf im Asylverfahren

Das zweite mehrsprachige Factsheet aus dem SENSA-Projekt (Sensibilisierung zu besonderen Schutzbedarfen von asylsuchenden Menschen) des Flüchtlingsrats Sachsen-Anhalt e.V. widmet sich dem Thema Betroffene von Menschenhandel und zeigt auf, welche besonderen Schutz- und Unterstützungsbedarfe im Asylverfahren bestehen. Es erläutert, wie Betroffene ihre Rechte im Verfahren geltend machen können und welche Formen bedarfsgerechter Unterstützung vorgesehen sind. Das Factsheet bietet praktische Hinweise für Beratung und Versorgung und ist in Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Persisch und Russisch verfügbar.  Ein weiteres Factsheet beschäftigt sich mit geschlechtsspezifischer Verfolgung. 


Welt-Tag gegen Menschenhandel: Schutz und Rechte von Betroffenen stärken

Anlässlich des Welt-Tages gegen Menschenhandel am 30. Juli forderten internationale und deutsche Organisationen verstärkte Maßnahmen zum Schutz Betroffener. Der KOK warnte vor Schutzlücken durch die geplante Umsetzung des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. UNODC und die EU-Anti-Trafficking-Koordinatorin riefen zu besserer grenzüberschreitender Zusammenarbeit und mehr Kontrolle im digitalen Raum auf. Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte die Bundesregierung auf, das Strafrecht im Bereich Menschenhandel zu reformieren und die Rechte der Betroffenen konsequent zu stärken. IN VIA und die Kontaktstelle Istanbul-Konvention KIKO Brandenburg machten auf die prekäre Finanzierung der Hilfsstrukturen für betroffene Frauen und Mädchen aufmerksam und betonten die Bedeutung verlässlicher Beratungsangebote sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit. 

VERÖFFENTLICHUNGEN DES KOK

Neue Daten zu Menschenhandel und Ausbeutung für das Jahr 2024

Am 18. Oktober ist der jährliche europäische Tag gegen Menschenhandel. Zu diesem Anlass hat der KOK neue Daten zu Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland für das Jahr 2024 veröffentlicht. Am 14. Oktober wurden die zentralen Ergebnisse aus dem Datenbericht 2025 (siehe auch unter Neuigkeiten) in einem digitalen Lunchtalk vorgestellt.
Die Daten aus den Fachberatungsstellen tragen maßgeblich zu einer Erweiterung des Wissens über Menschenhandel und Ausbeutung in Deutschland bei. Während der jährliche Lagebericht des Bundeskriminalamtes diejenigen Fälle aufführt, bei denen Ermittlungsverfahren eingeleitet und auch abgeschlossen wurden, bilden die Daten aus den Fachberatungsstellen ein breiteres Spektrum ab.

Der Datenbericht kann hier als PDF heruntergeladen oder als Broschüre bestellt werden.


Qualitätsstandards für spezialisierte Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel

Qualitätsstandards bieten den spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel Orientierung in ihrer praktischen Arbeit. Sie zeigen auf, wie eine bedarfsgerechte, qualitätsvolle und nachhaltige Unterstützung von Betroffenen von Menschenhandel aussieht. Diese Standards wurden bereits vor über zehn Jahren von den Mitarbeiter*innen der Fachberatungsstellen gemeinsam entwickelt. Ziel ist, die Qualität der Beratung und Begleitung kontinuierlich zu sichern und weiterzuentwickeln. Sie spiegeln bewährte Praxis wider und fördern die Zusammenarbeit der Fachstellen, um Betroffenen umfassende Hilfe zu bieten.

Die Qualitätsstandards sind ausschlaggebend für eine fachgerechte Soziale Arbeit mit und für von Menschenhandel betroffene Personen. Ausführlich beschrieben sind sie im Handbuch zur Aus- und Fortbildung und Qualitätssicherung, das Mitgliedern des KOK zur Verfügung steht.

Der KOK hat die gemeinsamen Qualitätsstandards nun in zusammengefasster und übersichtlicher Form veröffentlicht.


Sicherheit im Umgang mit Smartphones und sozialen Medien

Der KOK hat Empfehlungen für den sicheren digitalen Alltag in spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel veröffentlicht. Die Publikation entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Dorothea Czarnecki und Funda Deniz Kilic (Forensik.IT GmbH) im Rahmen des Digitalprojekts Menschenhandel 2.0. Sie fasst zentrale Inhalte von Schulungen zur IT-Sicherheit zusammen und bietet praxisnahe Handlungsempfehlungen für Mitarbeiter*innen in Fachberatungsstellen.

Die Handreichung zeigt, wie Täter*innen digitale Technologien zur Anwerbung, Kontrolle und Überwachung von Betroffenen von Menschenhandel einsetzen. Sie enthält Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu Themen wie Sicherheitseinstellungen auf Geräten, Schutz vor Spyware, sicherer Umgang mit sozialen Medien sowie Beweissicherung bei digitaler Gewalt. 


Internationaler Tag gegen Menschenhandel: KOK warnt vor Schutzlücken

Zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel am 30. Juli weist der KOK auf die Risiken hin, die das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) für besonders schutzbedürftige Menschen mit sich bringt. Die geplante Umsetzung in nationales Recht könnte Schutzstandards deutlich verschlechtern und den Zugang zu Unterstützung erschweren. Besonders problematisch ist, dass Betroffene von Menschenhandel häufig nicht systematisch identifiziert werden und Verfahren an den Grenzen sehr schnell ablaufen. Der KOK fordert daher verbindliche Schulungen für sogenannte First Responder sowie eine stabile Finanzierung spezialisierter Fachberatungsstellen. Zu den Auswirkungen der GEAS-Umsetzung siehe auch Rubrik Wissen in diesem Newsletter. 


Flyer: Spezialisierte Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel

Der KOK hat die deutsche Fassung des Übersichtsflyers zu den im Koordinierungskreis vernetzten Fachberatungsstellen überarbeitet und neu aufgelegt. Der Flyer stellt die Arbeit der Fachberatungsstellen vor, die Betroffene von Menschenhandel in Deutschland umfassend unterstützen. Der Flyer kann kostenfrei auf der KOK-Webseite bestellt oder digital heruntergeladen werden und dient als praktische Orientierungshilfe für Fachkräfte und Interessierte.

Jetzt ganz einfach für den KOK spenden:

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KOK-VERANSTALTUNGEN

KOK im Gespräch

Am 27. August fand eine weitere Veranstaltung in der Reihe „KOK im Gespräch“ für Mitgliedsorganisationen des KOK statt. Diesmal wurde der Zugang zu Sozialleistungen für Betroffene von Menschenhandel thematisiert, wobei die rechtlichen Unterschiede zwischen Betroffenen mit deutscher Staatsangehörigkeit, Unionsbürgerschaft und aus Drittstaaten erläutert wurden. 

VERANSTALTUNGEN

30 Jahre Einsatz gegen Menschenhandel – Jubiläumskonferenz von La Strada International

Das europäische NGO Netzwerk zur Unterstützung Betroffener von Menschenhandel, La Strada International, feierte am 18. September sein 30-jähriges Bestehen in Warschau. Zeitgleich wurde das 35. Jubiläum der spezialisierten Fachberatungsstelle La Strada Polen, einem Gründungsmitglied von LSI begangen. Sowohl die UN-Sonderberichterstatterin zu Menschenhandel, Siobhán Mullally, als auch die Anti-Menschenhandelskoordinatorin der Europäischen Union, Diane Schmitt und der polnische Innenminister würdigten anlässlich dieser Geburtstage im Rahmen einer Fachkonferenz die Verdienste der Zivilgesellschaft und ihren Einsatz. Weitere Informationen zum Programm finden Sie hier.


Fachtagung zur Evaluierung des Prostituiertenschutzgesetzes

Am 1. September luden das Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Göttingen und das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen zur Fachtagung „Das Prostituiertenschutzgesetz auf dem Prüfstand – Ergebnisse der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluation“ ein. Die Veranstaltung diente der Präsentation der Ergebnisse der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes und bot Fachvorträge zu verfassungs- und menschenrechtlichen Fragen, baurechtlichen Aspekten und zur Freiwilligkeit in der Prostitution. Teilnehmende erhielten einen umfassenden Einblick in die Wirkungen und Herausforderungen des ProstSchG. Die Evaluationsergebnisse sowie die Begleitgutachten wurden vom BMBFSFJ veröffentlicht und stehen online zur Verfügung. Darüber hinaus ist eine verständlich aufbereitete Kurzfassung des Gutachtens verfügbar.


Helsinki+50 Side Event: Stronger Together – Betroffene als zentrale Akteur*innen in der Anti-Menschenhandelsarbeit

Menschenhandel betrifft alle OSZE-Staaten und stellt nicht nur ein kriminelles, sondern auch ein ernstes Menschenrechts-, Sicherheits- und wirtschaftliches Problem dar. Beim OSZE Helsinki+50 Side Event „Stronger Together: The central role of civil society and survivor expertise in anti-trafficking efforts“ am 2. September betonten die Mitglieder des Office of the Special Representative and Coordinator for Combating Trafficking in Human Beings (CTHB), das OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) sowie der Freedom Fund die Bedeutung der aktiven Einbindung von Betroffenen.

Betroffene sind Expert*innen ihrer eigenen Erfahrung: Sie liefern praktische Einblicke in die Ursachen von Menschenhandel und zeigen Wege, wie Ausbeutung effektiv beendet werden kann. Wenn Betroffene von Anfang an Programme und Richtlinien mitgestalten, werden Anti-Menschenhandelsmaßnahmen realistischer, wirksamer und nachhaltiger. Zudem werden strukturelle Probleme sichtbar, die Ausbeutung begünstigen, und können gezielt angegangen werden. Die Veranstaltenden betonen, dass echte Beteiligung Gleichberechtigung, faire Vergütung und Mitbestimmung bedeutet. Leitfäden und Ressourcen, die von Betroffenen entwickelt wurden, helfen dabei, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu fördern.

Der vollständige Eventbericht in englischer Sprache und die Empfehlungen sind online verfügbar.


Datenschutz bei der Arbeit mit Geflüchteten

Die Zivilgesellschaftliche Fachstelle zur Identifizierung und Umsetzung besonderer Schutzbedarfe lädt zur digitalen Veranstaltung „Datenschutz bei der Arbeit mit – besonders schutzbedürftigen – Geflüchteten“ am 12. November ein. Die Veranstaltung beschäftigt sich mit Fragen wie welche Informationen erhoben und dokumentiert werden dürfen und welche nicht, wie sensible Daten sicher verarbeitet und geteilt werden können oder wie sichergestellt werden kann, dass Geflüchtete umfassend informiert sind und ihnen durch die Erhebung und Verarbeitung ihrer Daten kein Schaden entsteht. Informationen und Anmeldung unter folgendem Link.

RECHTLICHE ENTWICKLUNGEN

Gesetzentwurf zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung“ (BT-Drucksache 21/1930) wurde am 9. Oktober erstmals im Bundestag beraten. Das Gesetz soll die Grundlage für den Einsatz digitaler und datengestützter Ermittlungsverfahren schaffen und einen besseren Datenaustausch zwischen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) und anderen Behörden wie Polizei, Zoll und Steuerfahndung ermöglichen.

In einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 13. Oktober wurde der Entwurf unterschiedlich bewertet: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte zwar das Ziel, warnte jedoch vor wachsender Bürokratie und forderte stattdessen steuer- und sozialpolitische Reformen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) lobte die Praxistauglichkeit und die geplante enge Zusammenarbeit mit der Polizei, was die Effektivität der Bekämpfung organisierter Kriminalität stärken solle. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) äußerte Zustimmung, betonte jedoch die Bedeutung verbindlicher Schutzregelungen für von Ausbeutung betroffene Beschäftigte, insbesondere aus dem Ausland, und sprach sich für das sogenannte Non-Punishment- Prinzip sowie aufenthaltsrechtliche Sicherheiten aus.

Der KOK hat Mitte Juli bereits eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung veröffentlicht. Positiv bewertet wird die geplante Stärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), kritisch sieht der KOK jedoch, dass die Perspektive der von Ausbeutung und Menschenhandel betroffenen Personen zu kurz kommt. Häufig werden potenziell Betroffene von der FKS als Beschuldigte behandelt, statt ihnen Unterstützung über spezialisierte Fachberatungsstellen zukommen zu lassen. Der KOK fordert daher unter anderem eine gesetzliche Verankerung der Zusammenarbeit zwischen FKS und Fachberatungsstellen, Sensibilisierung der Fachkräfte sowie die Umsetzung des Non-Punishment-Prinzips.


Umsetzung von GEAS in nationales Recht

Der Bundestag hat am 9. Oktober in erster Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten „Gesetzentwurf zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ , so genanntes GEAS-Anpassungsgesetz (BT-Drucksache 21/1848) beraten. Das GEAS-Anpassungsgesetz zielt darauf ab, das nationale Recht an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) anzupassen und umfasst wesentliche Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Die Reform sieht unter anderem einheitliche Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, eine Neuregelung der Zuständigkeitsverteilung (Dublin-Verfahren) sowie strengere Regeln zur Sekundärmigration vor. Die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen werden aus menschenrechtlicher Sicht kritisch eingeordnet und haben voraussichtlich wesentliche Auswirkungen auf die Situation von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten (siehe auch Rubrik Wissen in diesem Newsletter). Der Entwurf wurde zur federführenden Beratung in den Innenausschuss überwiesen.


Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten

Seit dem 24. Juli ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nach § 36a Aufenthaltsgesetz für einen Zeitraum von zwei Jahren, also bis zum 23. Juli 2027, ausgesetzt. Bereits eingereichte Anträge und bestehende Registrierungen bleiben bestehen und werden nach Ablauf der Aussetzung automatisch weiterbearbeitet. In der Zwischenzeit ist es nicht möglich, neue Anträge zu stellen oder sich auf Wartelisten registrieren zu lassen. Unabhängig davon können jedoch Härtefallanträge nach §§ 22 und 23 Aufenthaltsgesetz weiterhin gestellt werden. Dabei bietet die Internationale Organisation für Migration (IOM) Unterstützung im Rahmen des Family Assistance Programme (FAP) an. Weitere Informationen finden sich beim Auswärtigen Amt, eine zivilgesellschaftliche Positionierung hat PRO ASYL veröffentlicht. Mehr Daten und Statistiken zum Thema hat der Mediendienst Integration zusammengestellt.


Geplante Geflüchteten-Zentren: PRO ASYL warnt vor De-facto-Inhaftierung

In einer Presseerklärung von Anfang September macht PRO ASYL darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung mit dem GEAS-Anpassungsgesetz neue Zentren für Geflüchtete plant, in denen viele Menschen, darunter auch Familien mit Kindern, faktisch nicht die Einrichtungen verlassen dürfen. Betroffen wären insbesondere Dublin-Fälle und Menschen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wurden. PRO ASYL kritisiert, dass diese Maßnahme einer massenhaften De-facto-Inhaftierung gleichkommt und bei den Betroffenen erhebliche psychische Belastungen wie Verzweiflung, Stress und Depressionen auslösen kann.

Die geplanten Zentren sollen teilweise geschlossen sein und eine Ausweitung der bisherigen Dublin-Zentren darstellen. Auch eine neue Asylverfahrenshaft und Schutzhaft für unbegleitete oder begleitete Kinder ist vorgesehen. PRO ASYL betont, dass Kinder niemals inhaftiert werden dürfen – weder aus humanitären Gründen noch nach geltendem Völkerrecht.

Statt auf Freiheitsbeschränkungen zu setzen, fordert PRO ASYL eine menschenrechtsgerechte Umsetzung der Reform des Europäischen Asylsystems.


Mögliche Abschaffung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Asylgesetz

Die Fraktion Die Linke kritisiert in einer kleinen Anfrage den Plan aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, im Asylrecht den Amtsermittlungsgrundsatz durch den Beibringungsgrundsatz zu ersetzen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bewertet nun in einem ausführlichen Gutachten dieses Vorhaben als rechtswidrig. Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet Behörden, im Asylverfahren alle wichtigen Fakten von sich aus zu klären, während beim Beibringungsgrundsatz die Asylsuchenden selbst alle Beweise vorlegen müssen. Dadurch könnten Asylsuchende erheblich benachteiligt werden, da sie oft nicht alle erforderlichen Nachweise erbringen können oder über die Mittel oder Möglichkeiten verfügen, was das Risiko von ungerechtfertigten Ablehnungen erhöht. Eine solche Änderung wäre mit dem Grundgesetz, EU-Recht und der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar. Offizielle Stellungnahmen der beteiligten Parteien liegen bisher nicht vor. Ob die Koalition dennoch einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen wird, ist unklar.

INFORMATIONSMATERIAL UND PUBLIKATIONEN

Publikation des Europarats zu Risiken ausgelagerter Migrationspolitik für Menschenrechte

Die Publikation „Externalised asylum and migration policies and human rights law“ des Menschenrechtskommissars des Europarats, Michael O’Flaherty beleuchtet die Auswirkungen ausgelagerter Asyl- und Migrationspolitik auf den Menschenrechtsschutz. Sie zeigt auf, wie durch Externalisierung Schutzlücken entstehen, die Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel begünstigen können – Risiken, die oft nicht nur Folge einzelner Maßnahmen sind, sondern Teil des Systems selbst. Der Bericht stellt Erfahrungen und Warnungen aus Zivilgesellschaft, Fachwelt und internationalen Gremien zusammen und fordert eine Politik, die Menschenrechte von Beginn an mitdenkt.


Vierte Bewertung des UN Global Plan of Action zur Bekämpfung des Menschenhandels

Im November 2025 wird die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein High-Level-Meeting abhalten, um sowohl die Fortschritte des Globalen Aktionsplans zur Bekämpfung des Menschenhandels zu bewerten, als auch die sich abzeichnenden Herausforderungen zu diskutieren. Besonders im Fokus stehen dabei Themen wie der Handel mit Kindern, Zwangsarbeit und die Verbindungen zwischen Menschenhandel und organisierten Kriminalitätsnetzwerken.

Vor diesem Treffen wird es ein spezielles Hearing geben, bei dem auch Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ihre Erfahrungen und Vorschläge einbringen können. Die Inter-Agency Coordination Group against Trafficking in Persons (ICAT) fordert in ihrer Stellungnahme, dass Staaten konkrete Maßnahmen ergreifen, um den Schutz von Betroffenen zu verbessern und den Fokus auf Menschenrechte und Opferhilfe zu legen.


Die neue EU-Gewaltschutzrichtlinie: Änderungen im Überblick

Am 13. Juni 2024 ist die erste EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Kraft getreten. Damit gibt es erstmals einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen, um Betroffene besser zu schützen, Gewalt vorzubeugen und europaweit Mindeststandards festzulegen. Deutschland hat bis zum 14. Juni 2027 Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten unter anderem dazu, bestimmte Gewaltformen wie Cyberstalking oder Zwangsheirat unter Strafe zu stellen, ausreichend Schutzunterkünfte bereitzuhalten und spezialisierte Hilfsangebote für Betroffene zu schaffen. Auch Prävention, bessere Zusammenarbeit von Behörden und der Zugang zur Justiz stehen im Fokus. Ziel ist es, die Rechte von Betroffenen zu stärken und geschlechtsspezifische Gewalt langfristig zu verringern.

Um die wichtigsten Neuerungen, Hintergründe und Auswirkungen verständlich darzustellen, hat die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt ein umfassendes FAQ mit 30 Fragen und Antworten sowie ein kompaktes Factsheet veröffentlicht. Diese Materialien erklären, wie die Richtlinie wirkt, welche Bereiche sie abdeckt – von Strafrecht bis Opferschutz – und wie sie mit der Istanbul-Konvention zusammenhängt.


Jahresbericht 2024 Berichterstattungsstelle Menschenhandel Belgien: Lateinamerikanische Sexarbeiter*innen in Belgien und Europa

Myria, das Belgische Föderale Migrationszentrum und unabhängige nationale Berichterstattungsstelle Menschenhandel, veröffentlichte den englischen Jahresbericht 2024. Der Fokus liegt auf lateinamerikanischen Sexarbeiter*innen – insbesondere trans* Frauen – sowie auf neuen digitalen Formen der Ausbeutung, die internationale Zusammenarbeit und stärkere Kooperation mit Internetplattformen erfordern. Myria ist eine unabhängige öffentliche Institution mit drei Mandaten: Förderung des Kampfes gegen Menschenhandel und -schmuggel, Information der Behörden über Art und Umfang von Migrationsströmen sowie Schutz der Grundrechte von ausländischen Staatsangehörigen.


ECRE-Analyse: Schutz von geflüchteten Frauen und Mädchen vor Menschenhandel

Das European Council on Refugees and Exiles (ECRE) untersucht in einer Policy Note, wie die EU-Regelwerke zu Asyl und zur Bekämpfung des Menschenhandels weibliche Geflüchtete, die von Menschenhandel bedroht oder betroffen sind, besser schützen können. Auf der Grundlage von EU- und internationalen Rechtsnormen sowie Bewertungen auf nationaler Ebene liefert ECRE eine geschlechtsspezifische Analyse der überarbeiteten EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und ihrer Schnittstelle mit der vorgeschlagenen Richtlinie über die Bekämpfung der unerlaubten Einreise. Dabei werden bestehende Lücken bei der frühzeitigen Erkennung, bei geschlechtssensiblen Aufnahmebedingungen und bei angemessenen Schutzmechanismen deutlich. Die Studie gibt konkrete Empfehlungen für Mitgliedstaaten zur Verbesserung von Prävention, Schutz von Betroffenen und Unterstützung.

NEUIGKEITEN AUS DER KOK-RECHTSPRECHUNGS­DATENBANK

Bemerkenswerte Entscheidung zur Strafbarkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Livestreaming

Am 21.11.2024 verurteilte das Landgericht Stuttgart den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht und der Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern. Er hatte in Livestreams seine Chatpartnerinnen dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an Kindern vorzunehmen. Das LG stellt fest, dass ein Anstifter eines sexuellen Missbrauchs gleichzeitig Täter eines schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht sein kann. Dadurch wird die bisher völlig unzureichende Möglichkeit einer Strafbarkeit von sogenannten OSEC-Täter*innen (englisch: Online Sexual Exploitation of Children) – Personen, die sexualisierte Gewalt an Kindern über das Internet, insbesondere über Livestreams, finanzieren, dirigieren und konsumieren – nach dem deutschen Sexualstrafrecht klargestellt.

Hinweis: Das Urteil enthält explizite Schilderungen des sexuellen Missbrauchs der Betroffenen.

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RUBRIK WISSEN – UMSETZUNG GEAS UND AUSWIRKUNGEN AUF BESONDERS SCHUTZBEDÜRFTIGE

Am 3. September hat das Bundeskabinett die nationale Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beschlossen. Durch die Umsetzung sollen rechtliche Grundlagen für eine einheitlichere und stärker kontrollierte Ausgestaltung von Migrations- und Asylverfahren auf europäischer Ebene geschaffen werden. Ziel ist eine effizientere Gestaltung der Asylverfahren, eine schnellere Rückführung abgelehnter Personen und eine verstärkte Kontrolle der EU-Außengrenzen.

Die vorgesehenen Änderungen sollen der Modernisierung und besseren Strukturierung dienen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie PRO ASYL oder auch der KOK befürchten jedoch erhebliche Auswirkungen auf besonders schutzbedürftige Personen - darunter Betroffene von Menschenhandel, Gewalt oder Folter, ebenso wie unbegleitete Minderjährige oder alleinstehende Frauen mit Kindern.

Die wichtigsten Regelungen und ihre Risiken im Überblick:

Screening und EURODAC

Alle Personen, die irregulär in die EU einreisen, sollen künftig ein verpflichtendes Screening- Verfahren durchlaufen. Dabei sollen insbesondere Identität, Gesundheitszustand und mögliche Sicherheitsrisiken überprüft werden. Zusätzlich erfolgt die Erfassung biometrischer Daten, die in der EURODAC- Datenbank - dem europäisches Fingerabdrucksystem - gespeichert werden. Diese soll perspektivisch zu einer umfassenden Migrationsdatenbank ausgebaut werden. Die Erfassung biometrischer Daten stellt für Migrant*innen und insbesondere für besonders vulnerable Personen ein Risiko in Bezug auf sensible Daten dar.

Schnellere Verfahren/Effizienz

Ziel der Reform ist es auch, Asylverfahren stark zu verkürzen. Entscheidungen sollen oft in wenigen Wochen getroffen werden. Der Fokus auf Effizienz geht jedoch mit einer eingeschränkten Berücksichtigung individueller Lebensumstände der Betroffenen einher, das individuelle Schicksal der einzelnen Personen wird dabei vielfach keine angemessene Beachtung finden. Besonders Betroffene von Gewalt oder Menschenhandel benötigen Zeit und Unterstützung, um überhaupt in die Lage zu kommen, sich Außenstehenden gegenüber zu öffnen und ihre oft komplexen Erfahrungen darzustellen. Durch die Beschleunigung der Verfahren besteht ein erhöhtes Risiko, dass Schutzbedarfe unerkannt bleiben und Menschen die Chance auf angemessenen Schutz verlieren.

Sichere Drittstaaten

Die Bundesregierung erhält künftig erweiterten Handlungsspielraum, um sichere Drittstaaten per Rechtsverordnung festzulegen. Personen, die über ein als sicher klassifiziertes Land eingereist sind, könnten dorthin zurückgeführt werden, unabhängig davon, ob im konkreten Fall tatsächlich Sicherheit gewährleistet ist. Für Betroffene von Menschenhandel kann dies mit erheblichen Risiken, wie bspw. erneuter Ausbeutung und Gewalt, verbunden sein, insbesondere, wenn im betreffenden Drittstaat keine wirksamen Schutzmechanismen bestehen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht bei der Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Die pauschale Einordnung von Staaten als „sicher“ kann zudem den individuellen Schutzbedarf von geflüchteten Menschen nicht ausreichend berücksichtigen.

Solidaritätsmechanismus

Ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus soll jene EU-Mitgliedstaaten entlasten, die mit einer hohen Anzahl von neu ankommenden Menschen konfrontiert sind. Im Rahmen der vorgesehenen Übernahme von Personen in andere Staaten sind sogenannte Sicherheitsinterviews vorgesehen. Diese bergen die Gefahr, dass individuelle Schutzbedarfe nicht thematisiert werden, sondern der Fokus stattdessen auf vermeintlichen Risiken liegt, die durch die jeweilige Person ausgehen.

Einschränkungen von Bewegungsfreiheit

Das neue System sieht erweiterte Möglichkeiten zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden vor. So kann unter bestimmten Voraussetzungen, etwa bei vermuteter Fluchtgefahr, eine Anordnung von Haft erfolgen. Die Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen oder zu Haftbedingungen kann verstärkt zu Isolation, Abhängigkeit und, insbesondere für besonders Schutzbedürftige, dem Risiko einer Retraumatisierung einhergehen. Der Zugang zu spezialisierter Unterstützung in der Haft ist unter diesen Bedingungen stark eingeschränkt, sodass individuelle Schutzbedarfe oder besondere Vulnerabilitäten nur eingeschränkt festgestellt werden können. In ihrer Stellungnahme bestätigt PRO ASYL diese Einschätzung und weist insbesondere darauf hin, dass Haftbedingungen die psychische Gesundheit beeinträchtigen und den Zugang zu einem fairen Asylverfahren erheblich erschweren können.

Leistungseinschränkungen

Nach den neuen Regelungen können Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unter bestimmten Bedingungen gekürzt werden, beispielsweise, wenn Vorschriften in Unterkünften nicht eingehalten oder gewalttätige Handlungen begangen werden. Zudem ist die Auszahlung der Leistung an den tatsächlichen Aufenthalt in der jeweiligen Einrichtung gebunden. Für von Menschenhandel betroffene Personen, die oft versuchen, sich Täter*innen zu entziehen oder Unterkünfte aus Angst meiden, kann dies existenzielle Folgen haben, da in solchen Fällen die staatliche Unterstützung entfallen kann, obwohl diese Personen weiterhin dringend Schutz und Unterstützung benötigen.

Arbeitsmarktzugang

Künftig erhalten viele Asylsuchende bereits nach drei Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt. Dies erleichtert den Einstieg in das Berufsleben und kann die Selbstständigkeit und Integration fördern. Die Regelung gilt jedoch nicht für Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ oder für Dublin-Fälle. Viele Betroffene von Menschenhandel stammen jedoch genau aus diesen Ländern bzw. fallen unter die Dublin Verordnung. Damit bleibt ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vorhandener Arbeitsbereitschaft weiterhin verwehrt.

Einschätzung und Fazit

Die Reformen legen einen starken Fokus auf Effizienz, Kontrolle und Abschreckung, während die Schutzstandards deutlich eingeschränkt werden. Dabei bleiben die Bedürfnisse besonders vulnerabler Gruppen wie Frauen, Kinder sowie Betroffene von Gewalt und Menschenhandel, weitgehend unberücksichtigt. Durch die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wird es für diese Personen mangels eines systematischen Identifizierungsmechanismus noch schwieriger, überhaupt erkannt zu werden. Die Chancen, an spezialisierte Beratungsstellen vermittelt zu werden, sinken. Asylverfahren an den Grenzen laufen häufig sehr schnell ab. Darüber hinaus sind Mitarbeiter*innen von Polizei, Grenzschutz oder Zoll – sogenannte First Responder – nicht immer ausreichend geschult, um Betroffene zu erkennen. Deshalb ist es elementar, dass die Schutzbedarfe von besonders gefährdeten Menschen besonders berücksichtigt werden.

Deutschland ist verpflichtet, seinen völkerrechtlichen Schutzverpflichtungen gegenüber besonders vulnerablen Geflüchteten, u.a. Betroffenen von Menschenhandel nachkommen. Vor dem Hintergrund der geplanten Regelungen zur Umsetzung des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems erscheint dies jedoch kaum realisierbar.

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