Glossar

A

Alimentierung

Der Begriff Alimentierung verweist auf Geld- (Ersatzeinkommen, z.B. Tagegelder) oder Sachleistungen (Erstattung entstandener Kosten oder direkte Finanzierung von Leistungen), die Sozialhilfeeinrichtungen an Leistungsempfänger*innen zur Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zahlen.

Für Betroffene von Menschenhandel gibt es verschiedene Möglichkeiten der Alimentierung. Betroffene aus Drittstaaten haben in der Bedenkfrist zunächst Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dieses verfolgt das Prinzip, die Bedürfnisse eines nur vorübergehenden Aufenthaltes in Deutschland abzudecken, wobei Sachleistungen den Vorrang gegeben wird. Erhalten sie einen Aufenthalt nach § 25 Abs. 4 a AufenthG bei Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden stehen ihnen Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern SGB II oder XII zu. Betroffene aus EU-Ländern fallen unter die Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes und haben i.d.R. unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf SGB II oder SGB XII. Allerdings gibt es hier sehr unterschiedliche Vorgehensweisen in den einzelnen Bundesländern und Unklarheiten seitens der Erteilungsbehörden, so dass es keine einheitliche Alimentierungspraxis für EU-Bürger*innen gibt.

Arbeitsausbeutung

Arbeitsausbeutung oder Ausbeutung der Arbeitskraft ist in Deutschland im Strafgesetzbuch (StGB) unter § 233 erfasst und bezieht sich auf die Ausbeutung der Beschäftigung einer Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder auslandsspezifischen Hilflosigkeit.

Solche Arbeitsverhältnisse zeichnen sich zum Beispiel durch schlechte Bezahlungen, überlange Arbeitszeiten, überhöhte Vermittlungsgebühren und/oder Mietzahlungen, gefährliche Arbeitsbedingungen und Vorenthalten des Lohns aus. § 233a StGB schließlich deckt Fälle ab, in denen die Ausbeutung der Arbeitskraft unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung stattfindet.

Häufig sind die Übergänge zwischen ungünstigen und schlechten Arbeitsbedingungen und Arbeitsausbeutung fließend. Manchmal verschärft sich ein eingangs „nur“ ungünstiges Arbeitsverhältnis im Laufe der Zeit derart, dass Arbeitsausbeutung oder sogar Ausbeutung unter Freiheitsberaubung vorliegt. Arbeitsausbeutung kommt in den verschiedensten Branchen vor. Allerdings gibt es einige Branchen oder Bereiche, in denen sich die bekannten Fälle von Arbeitsausbeutung häufen. Hierzu gehören bspw. Bau, Landwirtschaft und Saisonarbeit, Gastronomie und Hotelgewerbe, Fleischverarbeitende Industrie, die Logistik- und Paketbranche oder auch Pflege und haushaltsnahe Dienstleistungen, v.a. in Privathaushalten.

Ausbeutung bei der Begehung strafbarer Handlungen

Ausbeutung bei der Begehung strafbarer Handlungen ist im Strafgesetzbuch als eine Form des Menschenhandels, der Zwangsarbeit und der Arbeitsausbeutung erfasst (§§ 232, 232b, 233). Bei Ausbeutung bei der Begehung von strafbaren Handlungen werden die Betroffenen dazu gebracht, Straftaten zu begehen. Hierbei kann es sich z.B. um Diebstähle, Drogenhandel oder Kreditkartenbetrug handeln. Ziel der Täter*innen ist es, einen finanziellen Gewinn durch die Straftat zu erlangen, ohne diese selbst zu begehen. Dass es sich dabei um eine Straftat handelt kann bzw. wird später von den Täter*innen als zusätzliches Druckmittel genutzt, um die Betroffenen davon abzuhalten, sich den Handlungen zu verweigern oder Hilfe zu suchen. Aufgrund der folglich schutzlosen Lage ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Betroffenen den Kontakt zur Polizei meidet, um nicht selbst als Täter*in behandelt zu werden.

Ausbeutung von Bettelei/ Betteltätigkeit

Ausbeutung von Betteltätigkeiten ist als eine Form des Menschenhandels, der Zwangsarbeit und der Arbeitsausbeutung im Strafgesetzbuch erfasst (§ 232, 232b, 233).

Dabei werden Personen, die sich in einer wirtschaftlichen oder persönlichen Zwangslage befinden oder auf Grund ihres Aufenthalts in einem fremden Land hilflos sind dazu gebracht, zu betteln. Sie müssen dabei ihre Einnahmen zu großen Teilen oder vollständig abgeben. Häufig werden sie überwacht und kontrolliert und werden daran gehindert, die Betteltätigkeit aufzugeben.

Auslandsspezifische Hilfslosigkeit

Auslandsspezifische Hilflosigkeit meint im Allgemeinen, wenn Personen sich in einem Land befinden dessen Sprache sie nicht oder kaum sprechen und verstehen, dessen Rechtslage sie nicht kennen, in dem sie kein soziales Netzwerk haben oder nicht über Informationen zu Beratungs- und Hilfemöglichkeiten verfügen. Auch fehlende Orientierung und Unkenntnis der Landesverhältnisse gehören dazu. Dies wird häufig von Menschenhändler*innen ausgenutzt.
Die Ausnutzung der Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, ist ein wichtiger Begriff in den Straftatbeständen zu Menschenhandel und Ausbeutung des Strafgesetzbuches, weil sie als ein Tatmittel gilt.

B

Bedenk- und Stabilisierungsfrist

Wenn bei einer Person konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie möglicherweise Betroffene von Menschenhandel und/oder Ausbeutung ist, ist die Ausländerbehörde nach deutschem Recht dazu verpflichtet, nach § 59 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz eine Duldung von mind. drei Monaten zu erteilen (so genannte Bedenk- und Stabilisierungsfrist). Während dieser Frist sind die betroffenen Personen vor Ausweisung oder Abschiebung geschützt. Die Frist ist dazu gedacht, dass sie sich u.a. ihrer aktuellen Situation, sowie ihrer Rechte bewusst werden, spezialisierte Beratung in Anspruch nehmen und informieren können. Dies geschieht z.B. mit Hilfe von Fachberatungsstellen. Letztendlich dient die Frist auch dazu, sich für oder gegen Zeug*innenaussagen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden entscheiden zu können.

D

Drittstaatsangehörigkeit

Mit "Drittstaatsangehörige" sind in der Regel Personen gemeint, die keine Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU, des EWR oder der Schweiz besitzen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff aus dem Asyl- und Aufenthaltsrecht. Er wird meist zur Bezeichnung von Staatsangehörigen solcher Länder verwendet, die nicht unter das Freizügigkeitsrecht der EU fallen.

Viele Betroffene von Menschenhandel sind Drittstaatsangehörige. Für sie spielt ihre aufenthaltsrechtliche Situation eine große Rolle, da hiervon der Zugang zu sicherer Unterbringung, zur Alimentierung, zu Therapien, Integrations- und Sprachkursen oder auch Fragen der Familienzusammenführung abhängt.

Dublin-Verordnung

Die so genannte Dublin III Verordnung (Verordnung 604/2013/EU) regelt die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen Drittstaatsangehöriger (Dublin-Verfahren).  Die Verantwortung obliegt demnach dem europäischen Land, in dem die betreffende Person nachweislich zuerst eingereist ist. Die Verordnung wurde 2013 zwischen den Mitgliedsländern der Europäischen Union und der Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein unterzeichnet.

In Bezug zum Thema Menschenhandel spielt sie eine Rolle, da viele Betroffene aus Drittstaaten unter diese Regelung fallen. Häufig sind sie über Italien, Spanien oder ein anderes EU-Land nach Deutschland gekommen und müssen daher in der Regel nach der Dublin-VO in das entsprechende Land zurückkehren, um dort das Asylverfahren zu durchlaufen, v.a. wenn die Ausbeutung nicht in Deutschland stattfand und es hier nicht zu einem Strafverfahren kommt.

E

EU-Richtlinie gegen Menschenhandel

Die  EU-Richtlinie 2011/36 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer ist auf Ebene der Europäischen Union das zentrale Instrument im Bereich der Menschenhandelsbekämpfung. Die Richtlinie formuliert Mindeststandards zur Definition von Straftaten und Strafmaß im Bereich Menschenhandel sowie Bestimmungen zu Opferschutz und Prävention. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten auch, neben der sexuellen Ausbeutung auch Zwangsarbeit/Arbeitsausbeutung, Ausbeutung von Bettelei und strafbaren Handlungen und Menschenhandel zur Organentnahme als Ausbeutungsformen unter Strafe zu stellen.

In Deutschland wurde die Richtlinie 2016 durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels […]“  umgesetzt.  

Die Umsetzung der Richtlinie wird durch eine Strategie der EU-Kommission zur Bekämpfung von Menschenhandel begleitet. In so genannten Fortschrittsberichten an die EU-Kommission berichten die Mitgliedsstaaten alle zwei Jahre über die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels.

Europaratskonvention gegen Menschenhandel

Die Europaratskonvention gegen Menschenhandel (Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels – Nr. 197) aus dem Jahr 2005 ist ein gemeinsames Übereinkommen der Mitgliedsstaaten des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels. Sie definiert als erstes rechtsverbindliches Dokument Menschenhandel in einem menschenrechtlichen Kontext. Das wird in der Präambel der Konvention deutlich, in der Menschenhandel ausdrücklich als Menschenrechtsverletzung benannt wird. Im Vergleich zu anderen völkerrechtlichen Verträgen wie dem Palermo Protokoll betont sie, dass es neben dem Bezug zur Kriminalitätsbekämpfung auch wichtig ist, die Rechte der Betroffenen zu berücksichtigen. Die Konvention umfasst alle Formen des Menschenhandels.

Die Umsetzung und Anwendung der Konvention wird zum einen von der GRETA-Kommission (Group of Experts on Action against Trafficking) und zum anderen von einem Ausschuss, in dem Vertreter*innen der Vertragsstaaten versammelt sind, überwacht.

F

Finanzkontrolle Schwarzarbeit

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ist eine Arbeitseinheit des deutschen Zolls. Die Hauptaufgabe der FKS ist die Bekämpfung von illegaler Beschäftigung durch Prüfungs- und Ermittlungsbefugnisse gemäß dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG). So kann die FKS u.a. Personenbefragungen durchführen und Geschäftsunterlagen prüfen. Durch das 2019 in Kraft getretene Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zusätzliche Befugnisse erhalten, u.a. auch eine erweiterte Prüfungs- und Ermittlungskompetenz für die Bekämpfung von Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft.

Frauenhandel

Der KOK hatte sich bei seiner Entstehung im Jahr 1999 entschieden, den Begriff Frauenhandel dem des Menschenhandels vorzuziehen, da dieser Begriff wesentlich weiterreichte als die deutsche Gesetzgebung den Straftatbestand des Menschenhandels damals fasste. Bis 2005 war lediglich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung im Strafgesetzbuch (StGB) erfasst. Die Fachberatungsstellen hatten aber schon immer auch mit Fällen von Arbeitsausbeutung oder Ausbeutung in der Ehe zu tun, die von der juristischen Definition von Menschenhandel nicht erfasst wurden. Daher entschieden sie sich, den Begriff Frauenhandel zu verwenden um die ganze Bandbreite der in ihrer Praxis vorkommenden Ausbeutungsformen zu erfassen. In Folge der gesetzlichen Änderungen des StGB, durch die nun die verschiedenen Ausbeutungsformen erfasst sind, wird heute im KOK von Menschenhandel gesprochen.

G

GRETA

GRETA (Group of Experts on Action Against Trafficking in Human Beings) ist ein Expert*innenausschuss bestehend aus 15 Personen, der die Umsetzung der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels durch die Länder in regelmäßigen Abständen überprüft. Die Einsetzung von GRETA ist in Artikel 36 der Konvention vorgesehen.  Die Evaluierung der Umsetzung der Europaratskonvention durch die Mitgliedstaaten ist ein Verfahren, das in mehreren Durchgängen stattfindet. Dabei fordert GRETA die Vertragsstaaten dazu auf, Berichte zur Umsetzung der Konvention, basierend auf einem vorab verschickten Fragebogen, einzureichen. Auf Grundlage von Berichten, Länderbesuchen und Gesprächen mit Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen erstellt die GRETA dann Länderberichte mit spezifischen Analysen und Empfehlungen. Die überprüften Staaten haben die Möglichkeit, diese Berichte zu kommentieren. Die Empfehlungen in den Berichten sind aber nicht bindend.

K

Kinderhandel

Der Begriff Kinderhandel wird meist verwendet, wenn es um Menschenhandel mit und Ausbeutung von Minderjährigen geht.

Als Betroffene von Kinderhandel/Handel mit und Ausbeutung von Kindern gilt nach dem Palermo Protokoll (Art. 3 c) jede Person unter achtzehn Jahren, die zum Zweck der Ausbeutung innerhalb oder außerhalb eines Landes angeworben, verschleppt, übergeben, beherbergt oder aufgenommen wird. Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) enthält zwar mit § 236 eine Regelung zu Kinderhandel, allerdings ist dort der Adoptionshandel erfasst.

Der im internationalen Kontext verwendete Begriff “child trafficking“ wird im deutschen eher mit dem Begriff Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen belegt und meint damit explizit die Ausbeutung durch Menschenhandel und nicht den Adoptionshandel des Strafgesetzbuchs. Der Handel mit und die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen ist mit in den §§ 232 ff zu Menschenhandel und Ausbeutung gefasst. Im Unterschied zu erwachsenen Betroffenen ist bei Personen unter 21 keine Anwendung von Zwangsmitteln notwendig, um die Straftatbestände zu Menschenhandel und Ausbeutung zu erfüllen.

Kooperationsvereinbarung

Die Art und Weise der praktischen Zusammenarbeit zwischen Polizei und Fachberatungsstellen auf Länder- oder regionaler Ebene regeln Kooperationsvereinbarungen. Ziel der Kooperationsvereinbarungen ist es, die unterschiedlichen Zielsetzungen und Aufgaben der beteiligten Akteure darzulegen und klare und verbindliche Regelungen für die Zusammenarbeit in (Verdachts-)Fällen von Menschenhandel und Ausbeutung zu schaffen. Vorlage war ein von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Menschenhandel im Jahr 1997 erarbeitetes Bundeskooperationskonzept. Nach diesem Modell gibt es inzwischen in 13 Bundesländern Kooperationsvereinbarungen. Sie sind verschieden ausgestaltet, bspw. als Vereinbarungen, Verträge oder Erlasse auf Landesebene aber auch auf regionaler oder kommunaler Ebene. Beteiligte sind immer mindestens die Polizei und Fachberatungsstellen, in einigen Bundesländern/Regionen sind zudem auch weitere Akteure, wie bspw. Behörden, beteiligt.

M

Menschenhandel

Menschenhandel ist im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) unter § 232 definiert und erfasst das Anwerben, Befördern, Aufnehmen und Beherbergen einer Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder Hilflosigkeit mit dem Ziel der Ausbeutung durch:

  • die Ausübung der Prostitution oder Vornahme sexueller Handlungen
  • eine Beschäftigung
  • die Ausübung der Bettelei
  • die Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen
  • Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder entsprechende Verhältnisse
  • erzwungene Organentnahme.

Bei Personen unter 21 Jahren muss keine Zwangslage oder Hilflosigkeit vorliegen.

Die einzelnen Formen der Ausbeutung sind dann in den nachfolgenden §§ 232 a ff StGB als Zwangsarbeit, Zwangsprostitution, Ausbeutung der Arbeitskraft und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung, sowie in §180a StGB (Ausbeutung von Prostituierten) unter Strafe gestellt. Der Begriff Menschenhandel im StGB ist also relativ eng gefasst und bezieht sich nur auf das Schaffen von Bedingungen, die eine Ausbeutung ermöglichen, nicht die Ausbeutung selbst.

Der KOK verwendet aber den Begriff Menschenhandel in einem weiteren Sinn, der sowohl den Anwerbungsprozess als auch die gesamte Ausbeutungssituation umfasst. Die verschiedenen Formen und Bereiche des Menschenhandels und der Ausbeutung (sexuelle Ausbeutung, Arbeitsausbeutung, Ausbeutung von Bettelei und strafbaren Handlungen) sowie Formen der Ausbeutung, auch unterhalb der Schwelle der Straftatbestände zu Menschenhandel, werden zunehmend in ihrer Gesamtheit und nicht mehr scharf voneinander getrennt betrachtet, da die Praxis gezeigt hat, dass in vielen Fällen Gemeinsamkeiten bestehen und die Übergänge oft fließend sein können.

N

Nebenklage

Nebenklage bedeutet im Strafverfahrensrecht die Möglichkeit des*der Geschädigten oder seines*ihres Rechtsnachfolgers, sich an der öffentlichen Anklage der Staatsanwaltschaft aktiv zu beteiligen (§395 Strafprozessordnung).
Dieses Recht steht auch Betroffenen von Menschenhandel zu. Nebenklageberechtigten Zeug*innen werden besondere Rechte im Strafverfahren eingeräumt (u.a. Recht auf anwaltliche Vertretung, Akteneinsichtsrecht, Anwesenheitsrecht, Fragerecht sowie weitere Rechte im Verfahren). Durch die Verfahrensbeteiligung wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt, aktiv auf das Verfahren einzuwirken, oder sich gegen die Verharmlosung ihrer Verletzung zu wehren.

Non-Punishment Prinzip

Das Non-Punishment Prinzip (oder auch Non-Punishment Clause) bezeichnet Regelungen, nach denen Betroffene von Menschenhandel nicht für Straftaten oder Vergehen, die sie im Rahmen ihrer Ausbeutungssituation begehen (mussten) zur Rechenschaft gezogen werden. Dies kann bspw. der Fall bei Betroffenen sein, die aufenthaltsrechtliche Verstöße begangen haben oder die zur Begehung strafbarer Handlungen gebracht oder gezwungen wurden. In Deutschland ist dies im § 154c Abs. 2  Strafprozessordnung verankert. Die Staatsanwaltschaft kann demnach von der Verfolgung absehen, wenn Betroffene von Menschenhandel im Rahmen der Ausbeutung eine Straftat, wie etwa Diebstahl, begehen mussten. Sowohl die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel als auch die Europaratskonvention verpflichten die Staaten, eine Regelung zur Straffreiheit für Betroffene von Menschenhandel einzuführen.
Dadurch sollen die Rechte der Betroffenen geschützt, ihre weitere Viktimisierung vermieden und sie dazu ermutigt werden, in Strafverfahren als Zeug*innen gegen die Täter*innen auszusagen.

P

Palermo Protokoll

Als Palermo-Protokoll wird das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen gegen die Grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000 bezeichnet. Das Palermo-Protokoll regelt Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel und zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu diesem Zwecke. Das Protokoll enthielt als erstes internationales Rechtsdokument eine umfassende und abgestimmte Definition von Menschenhandel und bezog alle Personengruppen und Ausbeutungsformen mit ein. Für minderjährige Betroffene wird festgelegt, dass kein Zwang angewendet werden muss, um den Tatbestand Menschenhandel zu erfüllen.

Schwerpunkte des Übereinkommens sind die Strafverfolgung und Bekämpfung organisierter Kriminalität. Überwacht wird die Einhaltung des Übereinkommens von der Konferenz der Vertragsstaaten; diese versammelt sich alle zwei Jahre.

Prostituiertenschutzgesetz

Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (ProstSchG) ist 2017 in Kraft getreten. Durch dieses Gesetz werden Regelungen für Prostitution, bzw. Sexarbeit, und Prostitutionsgewerbe geschaffen – u.a. eine Anmeldepflicht mit verpflichtenden Beratungsgesprächen für Sexarbeiter*innen, Verpflichtung zur regelmäßigen gesundheitlichen Beratung sowie eine Erlaubnispflicht für das Betreiben von Prostitutionsgewerben mit Zuverlässigkeitsprüfung und betrieblichen Mindestanforderungen. Das Gesetz wird ab 2023 evaluiert.

Prostitutionsgesetz

Mit der Einführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten (ProstG) im Jahr 2001 wurde die Sittenwidrigkeit der Tätigkeit aufgehoben. Ziel war es, den kriminellen Begleiterscheinungen der Prostitution durch Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Ausübung der Prostitution den Boden zu entziehen. Sexarbeiter*innen wurde damit die Einklagbarkeit ihrer Löhne und der Zugang zu Sozialleistungen und Sozialversicherung erleichtert.

Psychosoziale Prozessbegleitung

Psychosoziale Prozessbegleitung bezeichnet die Unterstützung und Begleitung besonders schutzbedürftiger Personen (insbesondere Betroffene von Sexual- und Gewaltdelikten) während eines Strafverfahrens. Sie umfasst die qualifizierte Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung im Strafverfahren. Damit soll vor allem die individuelle Belastung der Betroffenen reduziert werden. Dies ist seit dem 1. Januar 2017 im Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) geregelt. Zu den Anspruchsberechtigten gehören grundsätzlich auch Betroffene von Menschenhandel.

S

Spezialisierte Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel

Spezialisierte Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel (FBS) sind Nichtregierungsorganisationen (NROs), die Beratung und Unterstützung für Betroffene von Menschenhandel anbieten. Die FBS bieten den Betroffenen konkrete Hilfe an, u.a. je nach Angebot und Ausstattung, psycho-soziale Beratung und Betreuung, Kriseninterventionen, Unterstützungsangebote, Schutzwohnungen oder Vermittlung von sicherer Unterbringung, Vermittlung von rechtlicher Beratung sowie medizinischer und psychologischer Versorgung, Vermittlung von Sozialleistungen zur Existenzsicherung, Begleitung zu asylrechtlichen und strafrechtlichen Anhörungen und Zeug*innenaussagen, Begleitung im Strafverfahren, Kooperation mit Behörden, Ämtern und Institutionen und Vermittlung an weitere Beratungsstellen nach Bedarf. Dabei stehen die Unterstützungsangebote allen Betroffenen offen, unabhängig davon, ob sie mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren oder nicht. Ihre Angebote sind kostenfrei und anonym. Die im KOK zusammengeschlossenen Fachberatungsstellen arbeiten nach gemeinsamen Leitprinzipien und Qualitätsstandards.

Z

Zeugnisverweigerungsrecht

Das Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) gemäß § 53 Strafprozessordnung räumt Angehörigen bestimmter Berufsgruppen ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht ein, um den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen ihnen und denen, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, zu gewährleisten.

Dies steht z.B. Anwält*innen, Ärzt*innen und Berater*innen im Rahmen der Schwangerschaftskonfliktberatung zu. Das Ziel des ZVR ist es, Mandant*innen, Patient*innen und Klient*innen die absolute Sicherheit zu geben, dass das, was sie während einer Beratung berichtet haben auch wirklich vertraulich bleibt.

Mitarbeiter*innen von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel verfügen nicht über ein ZVR. Es kommt aber immer wieder vor, dass sie als Zeug*innen in Gerichtsverfahren ihrer Klient*innen vorgeladen werden. Sie müssen also ihre Klient*innen vor der Beratung darüber informieren, dass diese Möglichkeit besteht und sie eventuell dann in Zeug*innenaussagen auch über Informationen sprechen müssen, die ihnen in der Beratung anvertraut wurden. Dies kann das für die Beratung notwendige Vertrauensverhältnis stören.

Zwangsarbeit

Der Tatbestand „Zwangsarbeit“ ist in Deutschland in § 232b Strafgesetzbuch (StGB) festgeschrieben und fällt wie die weiteren Straftatbestände zu Menschenhandel unter den 18. Abschnitt des StGB.
Demnach ist Zwangsarbeit das Veranlassen einer Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer auslandsspezifischen Hilflosigkeit, eine Beschäftigung aufzunehmen, durch die sie ausgebeutet wird. Auch die Ausbeutung von Betteltätigkeiten fallen darunter. Zwangsarbeit findet nicht nur im Kontext von wirtschaftlichem Verdienst statt, sondern kann sich auch in den Arbeitsbedingungen begründen. Wesentliches Merkmal des Straftatbestandes ist das Beeinflussen einer Person zum Zwecke der späteren Ausbeutung. Wenn betroffene Personen unter 21 Jahre alt sind, kann Zwangsarbeit auch ohne Willensbeeinflussung pönalisiert werden.

Zwangsprostitution

Der Tatbestand „Zwangsprostitution“ ist in Deutschland in § 232a Strafprozessordnung (StGB) festgeschrieben und fällt wie die weiteren Straftatbestände zu Menschenhandel unter den 18. Abschnitt des StGB.
Demnach bezeichnet Zwangsprostitution, wenn jemand eine Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, veranlasst, die Prostitution aufzunehmen oder fortzusetzen oder sexuelle Handlungen vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen, durch die sie ausgebeutet wird. Wesentliches Merkmal des Straftatbestandes ist das Beeinflussen einer Person zum Zwecke der späteren Ausbeutung.
Bei Personen unter 21 Jahren ist die Ausnutzung der Zwangslage oder auslandsspezifischen Hilflosigkeit nicht notwendig, um den Straftatbestand Zwangsprostitution zu erfüllen. Hier genügt das reine Veranlassen.

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