Häufig gestellte Fragen zu Menschenhandel

Was ist Menschenhandel?

Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und stellt neben dem illegalen Drogen- und Waffenhandel eines der größten international organisierten Verbrechen dar (Quelle: http://www.unhcr.org/4cb315c96.html). Laut dem Palermo-Protokoll der Vereinten Nationen umfasst Menschenhandeldie Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung (…) zum Zweck der Ausbeutung.“ Kernelement und notwendiges Merkmal zur Erfüllung des Tatbestands nach dem internationalen Verständnis ist der Zwang, die Nötigung und/oder Täuschung sowie die Ausbeutung der Betroffenen.

Der KOK e.V. zieht den Begriff „Betroffene“ dem des „Opfers“ vor, da er weniger das Bild eines passiv-wehrlosen Verbrechensopfers vermittelt, sondern gehandelte Menschen als selbstbestimmte Personen anerkennt.

Sowohl die Anwerbung, der Zwang als auch die Ausbeutung kann dabei sehr unterschiedliche Formen annehmen:

Anwerbung: Häufig wird den Betroffenen in Aussicht gestellt, im Zielland mehr Geld verdienen und ein besseres Leben führen zu können. Viele werden dabei über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen (Branche, Arbeitszeiten, Lohn etc.; bei sexueller Ausbeutung: ausgeübte Sexualpraktiken, Anzahl der Freier etc.) hinweggetäuscht; andere wiederum wissen um die Bedingungen und willigen dennoch ein, werden dann aber beispielsweise daran gehindert, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Für die Erfüllung des Tatbestands ist es unerheblich, ob eine entsprechende Einwilligung stattgefunden hat oder nicht. Nach deutschem Recht ist eine Grenzüberschreitung – anders als oft angenommen – kein zwingender Bestandteil von Menschenhandel. Menschenhandel kann daher auch innerhalb nationalstaatlicher Grenzen stattfinden.

Zwang: Der Zwang kann auf unterschiedliche Art und Weise ausgeübt werden: durch direkte physische Gewalt, die Androhung derselben, aber auch durch psychische Gewalt oder Erpressung, durch unrechtmäßiges Einbehalten von Dokumenten und verdientem Geld, durch Raub, Isolation und Betrug, durch das Ausnutzen einer hilflosen Lage, durch Autoritätsmissbrauch oder durch Schuldknechtschaft.

Ausbeutung: Auch die Formen der Ausbeutung sind vielseitig (z.B.: Ausnutzung der Prostitution, Ausbeutung der Arbeitskraft, erzwungene Bettelei, Entnahme von Organen, Ausnutzen strafbarer Handlungen). In der deutschen Gesetzgebung wird zwischen zwei Straftatbeständen unterschieden: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB, http://dejure.org/gesetze/StGB/232.html) und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB, http://dejure.org/gesetze/StGB/233.html).

Die deutsche Gesetzgebung wurde entsprechend internationalen Vorgaben wie der EU-Richtlinie 2011/36 angepasst und um Ausbeutungsformen wie erzwungene Bettelei, Ausnutzung strafbarer Handlung und Entnahme von Organen erweitert.
Das entsprechende Gesetz, das insgesamt eine umfassende Reformierung der strafrechtlichen Vorschriften zu Menschenhandel vornahm, trat am 15.10.2016 in Kraft.
Der KOK hat eine Übersicht über die neuen gesetzlichen Regelungen erstellt.
Ob sich diese, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, als praxistauglicher erweisen werden bleibt nun abzuwarten.

Die Übergänge von sehr schlechten Arbeitsbedingungen zum Menschenhandel können fließend und mitunter schwer abzugrenzen sein. Nach der rechtlichen Definition liegt Menschenhandel dann vor, wenn bestimmte Elemente wie z.B. Gewalt, Täuschung, Erpressung, Drohung, Ausnutzung einer auslandsspezifischen Hilflosigkeit usw. vorliegen. So gibt es viele Arbeitsverhältnisse, die zwar ausbeuterisch sind aber nicht im rechtlichen Sinne als “Menschenhandel” gelten.

Wichtige Abgrenzungen

In der öffentlichen Debatte wird Menschenhandel oft fälschlicherweise mit anderen Begriffen und Phänomenen gleichgesetzt:

1.    Schleusung
Als Schleusung wird der Grenzübertritt von Menschen bezeichnet, der von dritten Personen organisiert wurde und entgegen den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Ziellandes durchgeführt wird. Das sogenannte Einschleusen von Ausländer*innen ist nach §§ 96, 97 AufenthG strafbar. Schleuser*innen ermöglichen Menschen das irreguläre Überqueren nationaler Grenzen und profitieren von diesem Grenzübertritt, ohne dass es auf ein Machtgefälle ankommt. Mitunter wird Täuschung und Gewalt angewandt. Der Unterschied zum Menschenhandel ist jedoch der, dass Profit aus dem Grenzübertritt und nicht – wie beim Menschenhandel – aus der Ausbeutung der Person durch eine Tätigkeit geschlagen wird. Es ist allerdings möglich, dass beide Straftaten ineinander übergehen und eine Person nach einer Schleusung von Menschenhandel und Ausbeutung betroffen ist.

2.    Prostitution:
Viele Betroffene von Menschenhandel werden in der Prostitution und anderen Bereichen der Sexindustrie ausgebeutet. Nicht jede*r Prostituierte*r ist Betroffene*r von Menschenhandel. Eine Gleichsetzung beider Begriffe ist daher unzulässig und läuft Gefahr, freiwillig arbeitenden Prostituierten das Recht auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung abzusprechen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Quelle: Czarnecki/Engels/Kavemann/Steffan/Schenk/Türnau (2014): Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen, S. 25 f.

In welchen Branchen findet Menschenhandel statt?

Da es keine verlässlichen und fundierten Zahlen zum tatsächlichen Ausmaß von Menschenhandel gibt, lässt sich nicht eindeutig bestimmen, in welchen Branchen er besonders häufig vorkommt. Kriminalstatistiken wie das jährliche Bundeslagebild Menschenhandel des BKA weisen darauf hin, dass eine große Anzahl der polizeilich registrierten Betroffenen in der Prostitution und anderen Bereichen der Sexindustrie ausgebeutet wird. Weitere delikttypische Branchen sind das Bau- und Reinigungsgewerbe, das Gesundheits- und Pflegewesen, die Landwirtschaft, fleischverarbeitende Industrie, Gastronomie und Privathaushalte. Letztere gelten als sehr vulnerabel für ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, da die Rechtsverletzungen in der Regel unerkannt bleiben und der Zugang zu den Betroffenen schwierig ist. Besonders prekär ist die Situation von Hausangestellten in Diplomat*innenhaushalten: Aufgrund ihrer diplomatischen Immunität sind die Arbeitgeber*innen vor einer strafrechtlichen Verfolgung in Deutschland geschützt und die Betroffenen oft schweren Formen von Ausbeutung ausgesetzt.

Nicht ausreichend Beachtung finden häufig auch noch andere Formen von Menschenhandel, die sich keinen Branchen zuordnen lassen wie erzwungene Bettelei oder Ausnutzung strafbarer Handlungen (wie z.B. Zwang zum EC-Karten Betrug, Drogenverkauf etc.). Diese Fälle kommen in der Praxis durchaus schon seit längerem vor und sind mit in Kraft treten des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels am 15.10.2016 auch strafrechtlich unter Ausbeutung der Arbeitskraft erfasst.

Quellen und weitere Informationen: Tanis/Rabe (2013): Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung. Strategien und Maßnahmen zur Stärkung der Betroffenenrechte, S. 17.
Kartusch (2011): Domestic Workers in Diplomats’ Households. Rights Violations and Access to Justice in the Context of Diplomatic Immunity.
Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) (2015): Severe labour exploitation - workers moving within or into the European Union.

Wer sind die Betroffenen?

Immer mehr Menschen sind in die internationale Arbeitsmigration involviert und können dabei Opfer von struktureller, psychischer und physischer Gewalt werden. Ihre oft unsichere rechtliche und soziale Position sowie der Druck, durch Migration ihr eigenes Leben und das ihrer Familie sichern zu müssen, werden dabei gezielt ausgenutzt. Im Bereich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, aber nicht nur dort, spielen weiterhin Geschlechterhierarchien und Gewalt gegen Frauen eine große Rolle. So können Migrant*innen Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung oder Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung werden. Aber auch Menschen, die in Deutschland leben, können von Menschenhandel betroffen sein.

Vom Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung sind überwiegend Frauen betroffen.
Im Bereich Prostitution planen viele Frauen für eine begrenzte Zeit in Deutschland zu arbeiten, in der Hoffnung, schnell und viel Geld zu verdienen, um bald wieder zurückzukehren. Manche haben schon im Herkunftsland als Prostituierte gearbeitet, andere nicht. 

Einige der Frauen werden unter falschen Versprechungen in ihrem Herkunftsland angeworben, ihnen wird ein gut bezahlter Job, z.B. als Kellnerin in Aussicht gestellt. Sie werden bewusst getäuscht und ihnen wird verschwiegen, dass sie in der Prostitution arbeiten sollen. In Deutschland werden sie mit verschiedenen Mitteln zur Prostitution gezwungen.

Eine andere Gruppe von Frauen, die direkt für die Prostitution im Zielland angeworben werden, wird mit falschen Versprechungen zu Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten getäuscht. Ein großer Teil des Verdienstes muss an die Händler*innen abgeführt werden. Meist wird bei der Anwerbung eine sogenannte Vermittlungssumme von dem*der Händler*in veranschlagt, die angeblich schnell erwirtschaftet werden könne.

Neben Migrant*innen sind auch viele deutsche Frauen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung betroffen. Hier spielt z.B. das so genannte "Loverboy" Phänomen eine Rolle, bei dem die Betroffenen in eine emotionale Abhängigkeit vom Täter getrieben werden. Zu weiteren Aspekten bei deutschen Betroffenen siehe auch eine Expertise des KOK.

Vom Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung sind überwiegend Migrant*innen betroffen. Auch hier werden die Betroffenen häufig unter falschen Versprechungen angeworben, müssen imaginäre Schulden für Vermittlungsagenturen oder völlig überhöhte Summen für Unterkunft und Verpflegung abzahlen wofür der Lohn ganz oder teilweise einbehalten wird. 
Der Übergang zwischen ungünstigen und schlechten Arbeitsbedingungen, Arbeitsausbeutung und Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung ist oft fließend.

Gründe, warum Personen von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung betroffen sein können sind z.B.: Falsche Versprechungen über Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, Unkenntnis über die eigenen Rechte und die (arbeits-)rechtliche Situation in Deutschland, Abhängigkeit von Arbeitgeber*innen (wenn z.B. der Aufenthaltstitel vom Arbeitsvertrag abhängt) etc.

In der öffentlichen Diskussion gibt es meist geschlechtsspezifische Zuordnungen (wonach Frauen nur von sexueller Ausbeutung betroffen sind und Männer von Arbeitsausbeutung), die nicht den Tatsachen entsprechen. Frauen sind genauso vom Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung betroffen wie Männer. Insbesondere in Bereichen wie Pflege, Haushaltsdienstleistungen, Au-Pair aber auch in der Landwirtschaft, Gastronomie, Hotel- und Reinigungsgewerbe etc. gibt es viele Frauen unter den Betroffenen.

Wie viele Betroffene gibt es?

Die Datenlage zum internationalen Ausmaß der Betroffenen des Menschen-/ Frauenhandels ist sehr lückenhaft. Für Deutschland werden die einzig zuverlässigen Zahlen durch ein jährlich erscheinendes Bundeslagebild Menschenhandel des Bundeskriminal­amtes (BKA) ermittelt, das jedoch lediglich einen Überblick über die Zahlen der abgeschlossenen Ermittlungs­verfahren ermöglicht. Die Aussagekraft der Kriminalitätsstatistik bezogen auf die reale Situation ist daher eher gering, das Dunkelfeld sehr hoch. Wie Informationen der Fachberatungs­stellen belegen, kommt es nicht bei allen Fällen von Menschenhandel zur Einleitung eines Strafverfahrens oder gar zu einem Abschluss, zudem tätigen die Klient*innen teils keine Aussage bei den Strafverfolgungsbehörden.

Die Situationseinschätzung namhafter Organisa­tio­nen variiert stark, je nachdem, wie weit oder eng die Definition von „Menschenhandel“ gehandhabt wird. Neueste Schätzungen der International Labour Organisation (ILO 2017) gehen von weltweit 24,9 Millionen Betroffenen von Arbeitsausbeutung aus, darunter 16 Millionen Menschen in Zwangsarbeitsverhältnissen, die in der Privatwirtschaft ausgebeutet werden. Über die Hälfte der Betroffenen sind Frauen und Mädchen (57,6%), 42,4% Männer und Jungen. Weitere 4,8 Millionen Personen seien von sexueller Ausbeutung und 4,1 Millionen von staatlichen Ausbeutungsverhältnissen betroffen. Über die Hälfte der Betroffenen sind Frauen und Mädchen (55%), 45% Männer und Jungen. Das UN Office on Drugs and Crime (UNODC 2020) spricht hingegen davon, dass 55% aller identifizierten Fälle des Menschenhandels auf kommerzielle sexuelle Ausbeutung abzielen. Die Schätzungen, welchen Anteil davon Frauen als Betroffene ausmachen, bewegen sich in den gängigen internationalen Studien zwischen mindestens 55% und 80%. In diesem Rahmen bewegen sich auch die  2015 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Eurostat Statistiken, die von 67% Frauen, 13% Mädchen, 17% Männern und 3% Jungen als mutmaßliche oder identifizierte Betroffene des Menschenhandels in der EU sprechen. Die Statistiken zeigen für den Zeitraum 2010 bis 2012 insgesamt 30 146 Betroffene des Menschenhandels in der EU. Demnach ist für diesen Zeitraum ein Anstieg der Betroffenenzahlen um 28% zu verzeichnen. Dies könne laut Eurostat unter anderem auch auf eine breitere Definition von Menschenhandel in den nationalen Gesetzgebungen der EU-Mitgliedstaaten zurückgeführt werden. Die EU-Kommission selbst verweist ebenfalls auf die mutmaßlich hohe Dunkelziffer und warnt vor einer unbedachten Interpretation der veröffentlichten Zahlen. 

Als unbestritten gilt hingegen, dass der Menschen­handel weltweit der am schnellsten wachsende Kriminalitätsbereich ist (siehe z.B. UNHCR 2010).

Verlässliche Statistiken sind wichtig, vor allem für die Lenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf brisante Probleme. Doch je größer das Ausmaß des Problems, desto bedenkenloser wird es von Presse, Medien und auch in akademischen Kontexten verbreitet, was viele dazu hinreißt, sich immer auf die höchsten gefundenen Zahlen zu beziehen, ungeachtet der Qualität der Quelle. Andererseits besteht das Risiko, dass fehlende Daten zum Ausmaß des Menschen-/Frauenhandels zu einer Relati­vierung des Pro­blems führen können. Hält man sich jedoch die Tatsache vor Augen, dass hinter jeder Zahl eine reale Person in Not steht, wird deutlich, dass die Notwendigkeit zum Handeln sich nicht allein aus der Höhe der (konstruierten) Betroffenenzahlen ergibt, sondern bereits in Einzelfällen gegeben ist.

Was sind die Hauptherkunftsländer?

Laut dem aktuellsten Bundeslagebild Menschenhandel stammt die Mehrzahl der Betroffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung mit rund 87 % aus Europa, worunter rumänische und deutsche Betroffene die größten Gruppen ausmachten. Des weiteren waren viele der Betroffenen aus Bulgarien sowie aus afrikanischen Ländern.

Die Zahlen zu Betroffenen von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung im Bundeslagebild sind sehr gering; hier war die Mehrheit der Betroffenen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn.

Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass das Bundeslagebild nur eine eingeschränkte Aussagekraft hat, da es nur die abgeschlossenen Ermittlungsverfahren wiedergibt (d.h. nur die Fälle beinhaltet, in denen die Betroffenen Kontakt mit der Polizei hatten und diese auch tatsächlich ein Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels eröffnet und auch abgeschlossen hat) und daher keine  Aussage über die tatsächliche Anzahl der Betroffenen geben kann.

Wer sind die Täter*innen?

Anders als fälschlicherweise oft angenommen handelt es sich bei Menschenhandel nicht immer um organisierte Kriminalität. Täter*innen können auch Einzelpersonen sein, mitunter sind es Familienangehörige der Betroffenen oder Bekannte. Auch im Bereich Au-Pair, Haushaltsdienstleistungen und Pflege sind die Täter*innen, also diejenigen, die die Betroffenen letzenendes ausbeuten meist Einzelpersonen. Im Bereich Arbeitsausbeutung können es z.B. auch Unternehmen oder Subunternehmer sein.

In einigen Fällen sind internationale Heiratsagenturen oder Arbeitsvermittlungen in den Handel eingebunden. Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) liegen die Gewinne von Menschenhändler*innen weltweit bei 32 Milliarden US-Dollar im Jahr.

Aufenthaltsrechtliche Situation der Betroffenen

Betroffene von Menschenhandel, die aus einem EU-Mitgliedstaat stammen, dürfen sich gemäß § 2 des Freizügigkeitsgesetzes in Deutschland aufhalten und eine Beschäftigung aufnehmen. Für Betroffene aus Drittstaaten gelten die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes: Wenn der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person Betroffene von Menschenhandel ist, erhält sie eine dreimonatige Bedenk- und Stabilisierungsfrist, in der sie nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 7 AufenthG). In diesem Zeitraum kann sie entscheiden, ob sie mit den Behörden zusammenarbeiten möchte und bereit ist, im Strafverfahren gegen ihre Täter*innen auszusagen. Entscheidet sie sich für eine Aussage, so wird  eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis (zunächst für ein Jahr) für die Dauer des Strafverfahrens gewährt (§ 25 Abs. 4a AufenthG). Entscheidet sie sich gegen die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden oder ist der Prozess abgeschlossen, so muss sie ausreisen oder wird abgeschoben. Ein weiterer Aufenthalt in Deutschland ist nur dann möglich, wenn die betroffene Person eine Gefährdung, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei ihrer Rückkehr befürchten muss. Dies tatsächlich nachzuweisen ist in der Praxis häufig schwierig.

Seit einer Gesetzesreform von 2015 (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung) besteht die Möglichkeit der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach Beendigung des Strafverfahrens aus humanitären oder persönlichen Gründen oder aus öffentlichem Interesse (§ 25 Abs. 4a S. 3 AufenthG). Auch diese Vorschrift ist als Soll-Regelung ausgestaltet und soll damit in der Regel erfolgen, wenn die notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Dieser Titel wird regelmäßig für zwei Jahre erteilt.

In der Praxis erklären sich jedoch nur wenige Betroffene dazu bereit bzw. sind nicht in der Lage, mit den Behörden zu kooperieren. Viele befürchten, aufgrund ihrer Aussage erneut verfolgt oder für eigene Straftaten (z.B. illegaler Aufenthalt, illegale Arbeit) belangt und abgeschoben zu werden. Laut einer Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge erhielten im Jahr 2012 lediglich 74 Opfer von Menschenhandel einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4a AufenthG. Die überwiegende Mehrheit aller identifizierten Betroffenen aus Drittstaaten (ca. 378) war somit zur Ausreise verpflichtet.

In ihren Herkunftsländern sind viele Betroffene neuen Gefahren ausgesetzt, zumal den Täter*innen in der Regel bekannt ist, wo sie sich aufhalten. Zudem kehren viele Betroffene in dieselbe prekäre Lage zurück, aus der sie ursprünglich herauskommen wollten.
Der KOK e.V. fordert daher, Betroffenen von Menschenhandel einen gesicherten Aufenthaltstitel zu gewähren, sowohl unabhängig von ihrer Kooperationsbereitschaft mit den Ermittlungsbehörden als auch nach Abschluss des Verfahrens.

Da die Betroffenen in Deutschland eine eklatante Verletzung ihrer Menschenrechte erlebt haben, sollte ihnen ein Aufenthalt aus humanitären Gründen gewährt werden.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Betroffene?

In Deutschland gibt es ca. 50 Fachberatungsstellen (FBS), die sich für Betroffene von Menschenhandel und die Rechte von Migrantinnen einsetzen. Im KOK e.V. sind derzeit 37 Mitgliedsorganisationen organisiert, darunter die Mehrzahl der spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel sowie andere Einrichtungen, die sich mit den Themen Menschenhandel, Arbeitsausbeutung und den Rechten von Migrantinnen auseinandersetzen (Migrantinnenorganisationen, Schutzwohnungen und Frauenhäuser, Prostituiertenberatungsstellen, Lobbyorganisationen und Wohlfahrtsverbände).

Viele Fachberatungsstellen arbeiten aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte mit einem Fokus auf von verschiedenen Formen von Menschenhandel und Ausbeutung betroffenen Frauen. Einige Einrichtungen beraten und betreuen jedoch auch männliche Betroffene bzw. können diese zumindest weitervermitteln.
Alle Fachberatungsstellen haben eine umfassende Expertise zu den Themen Menschenhandel und Ausbeutung und bieten eine ganzheitliche Beratung und Begleitung der Betroffenen.

Die Beratungsarbeit der Einrichtungen orientiert sich an den Interessen und Belangen der Klient*innen, erfolgt auf freiwilliger Basis und wird anonym, kostenfrei und bei Bedarf auch muttersprachlich angeboten. Die Berater*innen unterliegen der Schweigepflicht und behandeln alle Angaben ihrer Klient*innen vertraulich. Je nach Konzept und personeller Ausstattung der Einrichtungen umfasst das Beratungsangebot der Einrichtungen die folgenden Bereiche:

  • Krisenintervention und Erstgespräch, z.T. auch aufsuchende Arbeit,
  • fortlaufende psychosoziale Beratung,
  • Klärung aufenthalts- und sozialrechtlicher Fragen, Sicherung des Lebensunterhalts
  • Angebot und Vermittlung von Unterbringung, medizinischer Versorgung, Therapieangeboten, Bildungsmaßnahmen und Freizeitgestaltung,
  • Begleitung zu Behörden,
  • Begleitung im Ermittlungs- und Strafverfahren und vor Gericht,
  • Vermittlung eines/einer RechtsanwältIn,
  • Unterstützung beim Aufbau von Lebensperspektiven und
  • Organisation und Unterstützung bei der Ausreise und Vermittlung von Hilfsangeboten in den Herkunftsländern.

Wichtig ist, dass die Unterstützung der Fachberatungsstellen für Betroffene nicht von deren Kooperationsbereitschaft mit den Behörden abhängt. In der Praxis spielt diese allerdings häufig doch eine Rolle, da die FBS den Betroffenen kaum Unterstützung und Zugang zu weiteren Leistungen anbieten können, wenn diese kein Aufenthaltsrecht haben und daher zur Ausreise verpflichtet sind. Eine Übersicht aller im KOK vernetzten Beratungsstellen finden Sie hier.

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