Peer-Beratung

In den letzten Jahren wird der Einsatz von Peer-Beratung als eine Methode in der Sozialen Arbeit mehr und mehr angewendet. Unter Peer-Beratung (engl. peer counseling) versteht man eine Form der Beratung und Unterstützung durch Menschen, die ähnliche Erfahrungen, Hintergründe oder Probleme haben, wie die zu beratenden Personen. Diese Art der Beratung basiert auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit und des gegenseitigen Austauschs und kann in verschiedenen Kontexten angewendet werden. Ein zentraler Aspekt in der Diskussion um Peer-Beratung ist die zunehmende Bedeutung der Selbstorganisation und Selbsthilfe unter Betroffenen unterschiedlicher Gewaltformen und psychischer Erkrankungen.

Es gibt Forschung, die die Auswirkungen von Peer-Beratung untersucht und durchaus positive Wirkungen feststellt. Um positiv zu wirken, müssten allerdings die organisatorischen Faktoren gut gehandhabt, die Projekte gut umgesetzt und begleitet werden.  

Vorteile von Peer-Beratung

Ein Vorteil ist vor allem die niedrigschwellige Unterstützung, die Peer-Beratende bieten können. Sie können mangelnde Ressourcen der Sozialarbeitenden und Fachberatungsstellen zum Teil auffangen und beispielsweise Wartezeiten auf Therapieplätze durch Alltagsbegleitung überbrücken. Dies kann eine Chronifizierung psychischer Erkrankungen vermeiden. Peer-Beratende, die selbst Ausbeutungserfahrungen gemacht haben, verfügen über ein anderes Verständnis für die Situation der Betroffenen, was zu einer höheren Akzeptanz der Unterstützung seitens der Betroffenen führt. Bewährte Copingstrategien werden weitergegeben, Ratschläge sind praxisnah und meist umsetzbar. Zudem stellt Peer-Beratung eine Form des Empowerments dar. Indem ehemalige Betroffene zu Anleitenden werden, erfahren sie eine Transformation und können Selbstwirksamkeit erleben. Außerdem können durch die Erfahrung und Qualifizierung als Peer-Beratende der Zugang zum Arbeitsmarkt verbessert und die eigene Selbstständigkeit gefördert werden. Traumainformierte Peer-Beratung ist eine wertvolle Ergänzung der psychosozialen Beratung und Unterstützung in Bereichen, die die Soziale Arbeit nicht abdeckt.

Rahmenbedingungen sind wichtig

Damit sie positiv wirken können, müssen Peer Projekte ausreichend finanziell unterfüttert und personell begleitet werden. Neben der Klärung, ob ausreichend Ressourcen für Peer-Beratung vorhanden sind, gibt es weitere Herausforderungen, die berücksichtigt und abgewogen werden müssen. Ein zentrales Problem ist, dass Peer-Beratende oft nicht über die notwendige fachliche Ausbildung verfügen, um bspw. mit schwer traumatisierten Menschen zu arbeiten. Die Überforderung der Beratenden kann daher ein reales Risiko darstellen. Insbesondere, wenn sie selbst Traumata erlebt haben können sie bspw. durch die Lebensrealitäten der Klient*innen getriggert werden. Betroffene von Menschenhandel aus Drittstaaten sind häufig psychisch stark belastet und befinden sich in komplizierten rechtlichen Verfahren, bspw. Asyl- oder Strafverfahren, die spezialisierte Unterstützung erfordern. Daher ist es wichtig, Überlastung von Peer-Beratenden zu vermeiden und sie nur Aufgaben übernehmen zu lassen, für die sie sich selbst hinreichend stabil und kompetent fühlen und für die sie bei Bedarf Ansprechpersonen und Begleitung durch die Fachberatungsstelle haben. 

Als hilfreich hat sich erwiesen, wenn Peer-Beratende und Peer-Klient*innen eine gemeinsame Sprache sprechen. Dies ist nicht immer durch die gleiche Herkunftsregion gegeben. Auch lässt sich durch ein gemeinsames Herkunftsland nicht darauf schließen, dass Personen Vorstellungen bspw. zu Gleichberechtigung, Kindererziehung oder politischen Einstellungen teilen: „Kultur kann nicht als einheitliches, unveränderbares Etwas verstanden werden, das sich auf eine Nation oder Religion bezieht, denn die Identität einer Person entwickelt sich vielmehr durch unterschiedlichste Erfahrungen, die sie in ihrem Leben macht“ (siehe Positionspapier der BAfF). 

Da Peer-Beratende oftmals vielfältige Aufgaben übernehmen, kann die Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen wie Sprach- und Kulturmittelnden, Sozialarbeitenden oder Psychotherapeut*innen schwerfallen. Peer-Beratende nehmen eine besondere Rolle ein, doch ihre Funktion und Verantwortung muss klar definiert sein, um Überschneidungen aber auch Überbeanspruchung zu vermeiden. Hierfür muss eine klare Rollenbeschreibung vorliegen, die Rahmenbedingungen und Anbindung an die Fachberatungsstelle müssen abgesprochen werden und es sollte ein Vertrag vorliegen. Außerdem sollten die Peer-Projekte professionell angeleitet werden, es muss Raum für Austausch, Weiterbildung und Supervision vorhanden sein. Eine Aufwandsentschädigung sollte den Peer-Beratenden gezahlt werden sowie ein Diensthandy und Unkosten, die durch die Unterstützung entstehen, übernommen werden (bspw. Fahrkarten, Druckkosten…). 

Insgesamt birgt die Peer-Beratung unter Betroffenen von Menschenhandel großes Potenzial zur Unterstützung und Stärkung der Betroffenen, muss jedoch mit Bedacht und unter Berücksichtigung der genannten Herausforderungen implementiert werden. Es ist wichtig, die Peer-Beratenden fachlich zu qualifizieren und zu Themen wie Trauma, Datenschutz und Abgrenzung zu schulen. Peer-Beratende bieten Unterstützung und Orientierung und diese Art der Beratung wird von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel verstärkt erwogen und ist in einigen Fachberatungsstellen bereits umgesetzt. Im Rahmen von digitalen Austauschtreffen mit Vertreterinnen der Peer-Projekte der Fachberatungsstellen wurde sich über ihre Erfahrungen, erlebte Herausforderungen in der Peer-Arbeit und ihre Empfehlungen ausgetauscht. Die beschriebenen Punkte basieren zum Teil auf diesen Austauschtreffen. 
 

Peer-Projekte

Einige Mitgliedsorganisationen des KOK binden ehemalige Klient*innen in ihre alltägliche Arbeit ein. In dem Fall sprechen wir von Peer-Projekten. Entweder unterstützen Peers die Fachberatungsstellen im direkten Kontakt mit aktuelle Klient*innen, arbeiten als Beirät*innen oder unterstützen bei der Schulungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Im Folgenden werden einige dieser Peer-Projekte von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel vorgestellt. Die Projekte integrieren aktiv Perspektiven und Erfahrungen der Betroffenen, um deren Bedarfe miteinzubeziehen und Angebote an diesen auszurichten.

Folgende Peer-Projekte, Gremien und Maßnahmen der spezialisierten Fachberatungsstellen werden derzeit angeboten:

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KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
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