Der Entwurf soll die strafrechtliche Verfolgung von Menschenhandel stärken und die EU-Richtlinie 2024/1712 umsetzen.
Überarbeitung der Straftatbestände und positive Ansätze
Der KOK bewertet positiv, dass der Gesetzesentwurf nicht nur die verpflichtenden Vorgaben der reformierten EU-Menschenhandelsrichtlinie (RL/EU 2024/1712) umsetzt. Er nimmt eine umfassende Überarbeitung der Menschenhandelstatbestände vor. Eine reine Ergänzung des § 232 StGB um die Ausbeutungsformen Leihmutterschaft, illegale Adoption und Zwangsheirat sowie eine Ausweitung der Nachfragestrafbarkeit über die sexuelle Ausbeutung hinaus würde die bestehenden praktischen Anwendungsprobleme nicht lösen. Eine grundlegende Reform ist daher notwendig.
Der Entwurf weist jedoch auch deutliche Lücken auf. Zentrale Vorgaben der EU-Richtlinie zum Schutz und zu den Rechten von Betroffenen fehlen. Der Titel des Gesetzes macht diese Schwerpunktsetzung sichtbar. Der Fokus liegt auf der Strafverfolgung. Verpflichtungen zu Schutz, Unterstützung und Zugang zu Leistungen sind unzureichend berücksichtigt.
Der KOK kritisiert außerdem das Fehlen einer gesetzlich vorgesehenen Evaluierung. Ohne eine Überprüfung bleibt unklar, ob die beabsichtigten Reformen tatsächlich zu einer verbesserten Anwendung der Regelungen führen.
Fehlende Schutzstandards und Lücken bei Betroffenenrechten
Weitere Anforderungen der EU-Richtlinie wurden nicht umgesetzt. Dazu gehören ein ausreichendes Angebot an Schutzunterkünften, eine bedarfsgerechte Unterstützung aller Betroffenengruppen und ein besserer Zugang zu Leistungen, unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus. Die aktuell knappen Ressourcen im sozialen Bereich verschärfen in diesen Bereichen bereits bestehende Probleme. Das im Zuge der Richtlinienumsetzung die Chance, Verbesserungen beim Opferschutz zu erreichen, nicht ergriffen wurde, bedauert der KOK.
Spezialisierte Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel benötigen mehr Personal und eine verlässliche Finanzierung. Die Erweiterung um die neuen Ausbeutungsformen führt zu neuen Aufgaben und einem vermutlich höheren Fallaufkommen.
Der KOK weist darauf hin, dass wirksame Strafverfolgung ohne stabile Opferzeug*innen kaum möglich ist. Dafür sind verlässliche Schutzmechanismen nötig. Neben gesetzlichen Anpassungen braucht es hier Verbesserungen in der Rechtsanwendung. In der Beratungspraxis gilt beispielsweise das Auslösen der Bedenk und Stabilisierungsfrist nach § 59 Abs. 7 AufenthG als unzureichend.
Die EU-Richtlinie sieht zudem Sanktionen gegenüber juristischen Personen vor. Der Entwurf greift das nicht auf. Ein bundesweiter Entschädigungsfonds wäre eine mögliche Lösung.
Pflichtschulungen für Polizei und Justiz sind ebenfalls Teil der Richtlinie und wurden im Referentenentwurf nicht vorgesehen.
Notwendige strukturelle Schritte
Strukturelle Vorgaben wie ein Nationaler Verweisungsmechanismus und eine nationale Koordinierungsstelle sind ebenfalls im Entwurf nicht berücksichtigt. Positiv anzumerken ist jedoch der bereits angestoßene Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel. Es fehlt jedoch ein verbindliches Konzept für die Identifizierung und Weiterverweisung von Betroffenen im Rahmen eines Nationalen Verweisungsmechanismus sowie eine Koordinierungsinstanz mit ausreichenden Ressourcen. Zudem sollte die Berichterstattungsstelle Menschenhandel am Deutschen Institut für Menschenrechte als unabhängige Stelle zur Evaluation gesetzlich verankert werden.









