Der EuGH entschied sowohl in zwei zu einer Rechtssache verbundenen Fällen C-273/20 und C-355/20 zum Kindernachzug als auch in der Rechtssache C-279/20 zum Elternnachzug mit Urteilen jeweils vom 01.08.2022, dass bei der Feststellung der Minderjährigeneigenschaft eines Kindes sowohl nach Art. 10 Abs. 3 a und Art. 2 f der Richtlinie 2003/86 (Kindernachzug) als auch nach Art. 4 Abs. 1 c der Richtlinie 2003/86 (Elternnachzug) auf den Zeitpunkt des Asylantrags des Zusammenführenden abzustellen ist. Alles andere stehe weder im Einklang mit der Richtlinie noch mit den Grundrechten der Charta der Europäischen Union.
Das Aufenthaltsrecht der Eltern ende dem EuGH in C-273/20 und C-355/20 zufolge auch nicht mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes.
In beiden nun in die Datenbank eingestellten Urteilen macht der EuGH darüber hinaus gleichlautende Ausführungen zum Vorliegen von „tatsächlichen familiären Bindungen“ nach Art. 16 Abs. 1 b der Richtlinie 2003/86 und stellt klar, dass die bloße Verwandtschaft in gerader aufsteigender Linie ersten Grades nicht genügt, ein Zusammenleben aber auch nicht erforderlich ist. Gelegentliche Besuche können hingegen als Beleg ausreichen.