LG Berlin, Urteil vom 9.7.2009
Aktenzeichen (539) 68 Js 328/07 Kls (74/08)

Stichpunkte

Bemerkenswerte Entscheidung im Strafverfahren unter anderem wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung; im Adhäsionsverfahren 10.000 Euro Schmerzensgeld und rund 4.000 Euro für einbehaltenen Prostitutionserlös als Schadenersatz für die Nebenklägerin; umfangreiche Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin und anderer Zeuginnen und Zeugen.

Zusammenfassung

Das Landgericht Berlin verurteilt den Angeklagten unter anderem wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung an seiner Tochter zu vier Jahren Haft. Im Adhäsionsverfahren spricht es der Tochter, die auch Nebenklägerin ist, 10.000 Euro Schmerzensgeld und rund 4.000 Euro Schadenersatz zu.

Die Nebenklägerin hatte psychische Probleme und war deswegen immer wieder in psychiatrischen Einrichtungen oder Heimen untergebracht, bis sie ab 2005 bei dem Angeklagten, ihrem Vater, wohnte. Dieser nahm seine Tochter von 2005 bis 2007 regelmäßig, zum ersten Mal im Alter von 14 Jahren, in Swinger-Clubs mit und animierte sie dort zu sexuellen Kontakten mit anderen. Ebenso ließ er zu, dass an ihr sadomasochistische Praktiken ausgeübt wurden. Dies tat er zur Befriedigung seiner voyeuristischen Neigungen.
Im Jahr 2007 veranlasste der Angeklagte seine damals 16-jährige Tochter, im Internet in einer Anzeige sexuelle Kontakte anzubieten. Er wollte sich hierdurch eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen. In mindestens 18 Fällen kam es zu sexuellen Dienstleistungen der Tochter. Den Erlös musste sie an ihren Vater abliefern, unter dessen ständiger Kontrolle sie stand. Indem er ihr drohte, sie wieder ins Heim oder in die Psychiatrie zu schicken oder durch körperliche Gewalt machte er sie gefügig.

Der Vater hatte einen Großteil der Taten bestritten. Das Gericht glaubte jedoch der Tochter und macht umfangreiche Ausführungen dazu, warum es ihre Aussagen sowie die weiterer Zeuginnen und Zeugen für glaubhaft hält. Hierbei stützt es sich auch auf ein aussagepsychologisches Gutachten einer Sachverständigen.

Im Adhäsionsverfahren stellt das Gericht fest, dass die Tochter zwar keine erheblichen behandlungsbedürftigen körperlichen Schäden erlitten hat, die seelischen Schäden jedoch nach der entsprechenden Rechtsprechung mit einem Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu entschädigen sind. Außerdem spricht es der Nebenklägerin für den Prostitutionserlös, den der Vater ihr abgenommen hatte, knapp 4.000,- Euro Schadensersatz zu. Diese Einnahmen konnte das Gericht anhand von Angaben der Tochter nachvollziehen. Darüber hinaus stellt das Gericht auf Antrag der Nebenklägerin fest, dass der Angeklagte auch für zukünftige aus der Tat resultierende Vermögens- oder immaterielle Schäden haftet.

LG_Berlin_09_07_2009 (PDF, 3,2 MB, nicht barrierefrei)

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