Entscheidung im Sozialgerichtsverfahren um Sozialleistungen für rumänische Familie; Gericht spricht im einstweiligen Rechtsschutz Leistungen zu; Ausführungen zu den Voraussetzungen der Annahme einer ArbeitnehmerInneneigenschaft; Voraussetzungen des Leistungsausschlusses von Arbeitssuchenden nicht gegeben, wenn ArbeitnehmerInneneigenschaft allein wegen zu geringen Lohns abgelehnt wird, dieser jedoch sittenwidrig ist
Das Sozialgericht Frankfurt (SG) spricht einer rumänischen Familie im einstweiligen Rechtsschutz Hartz IV-Leistungen zu. Die vierköpfige Familie war 2013 nach Deutschland gekommen. Zunächst hatten sie in einer Gartenlaube von Flaschenpfand und Kindergeld gelebt. Später bezogen sie eine Wohnung. Der Vater arbeitete bei dem Wohnungseigentümer auf Minijob-Basis für 100 Euro monatlich. Hierfür hatte er mindestens sechs Stunden pro Woche zu arbeiten, was einen Stundenlohn von ungefähr 3,88 € ergab. Ein von der Familie gestellter Antrag auf Gewährung von Hartz IV-Leistungen wurde abgelehnt, da die Antragsteller nach dem Gesetz von Leistungen ausgeschlossen seien, weil sie sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielten. Dies gelte trotz des Minijobs des Vaters. Aufgrund des sehr geringen Verdienstes sei seine Tätigkeit unerheblich und er daher nicht als Arbeitnehmer einzustufen. Die Erheblichkeitsgrenze liegt nach Meinung der Behörde bei einem Entgelt von 200 Euro monatlich.
Nach Ansicht des SG sind jedoch die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nicht gegeben, da der Vater sehr wohl als Arbeitnehmer anzusehen sei. Das Gericht macht Ausführungen zu den Voraussetzungen der Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft unter Anführung einschlägiger Gerichtsentscheidungen. Es stellt fest, dass die Frage, wann ein Lohn so gering ist, dass er wegen Unerheblichkeit zur Ablehnung eines Arbeitnehmerstatus führt, rechtlich noch nicht entschieden ist. Selbst bei Zugrundelegung der Erheblichkeitsgrenze der Behörde, komme das SG jedoch zu einem anderen Ergebnis, denn der für den Minijob vereinbarte Stundenlohn sei sittenwidrig, da er deutlich unter dem diskutierten Mindestlohn von 8,50 liege. Offensichtlich sei auch die Unerfahrenheit und die Zwangslage des Vaters ausgenutzt worden. Die Lohnvereinbarung sei daher unwirksam mit der Folge, dass ein Anspruch auf den üblichen Lohn bestehe. Ausgehend vom Mindestlohn hätte der Vater einen monatlichen Lohn von über 200,- Euro, so dass die Erheblichkeitsgrenze überschritten sei. Damit liege eine Arbeitnehmereigenschaft vor und der gesetzliche Leistungsausschluss Arbeitssuchender greife nicht.
Das Gericht konnte damit die äußerst umstrittene und beim EuGH anhängige Frage offenlassen, ob der gesetzliche Leistungsausschluss für AusländerInnen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, mit dem Europarecht vereinbar ist.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
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