Bemerkenswert deutliche Entscheidung zum Opferschutz in einem Strafverfahren wegen Vergewaltigung; Fürsorgepflicht des Gerichts verpflichtet dieses, Opferschutzinteressen in Entscheidung über Umfang der Beweisaufnahme einzubeziehen; Prozessverschleppung durch Vielzahl von Anträgen seitens des/der Angeklagten stellt rechtsstaatswidrige Verteidigung dar, vor der das Opfer zu schützen ist
Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) lehnt die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung durch das Landgericht (LG) ab. Der Senat hebt hervor, dass die Hauptverhandlung vor dem LG gegen den Angeklagten wegen eines einzigen Falles der Vergewaltigung mit Körperverletzung über einen Zeitraum von einem Jahr und 2 Monaten angedauert hat. Der Angeklagte hatte sich mit seiner Revision unter anderem dagegen gerichtet, dass ein von ihm gestellter Befangenheitsantrag wegen Prozessverschleppung abgelehnt worden war. Der Senat stellt dazu fest, dass das Prozessverhalten des Angeklagten durch die Stellung zahlreicher Anträge offensichtlich nur dem Ziel gedient habe, die Durchführung des Verfahrens und damit seine Verurteilung zu verhindern. Es sei daher als Prozessverschleppung einzuordnen. Der Senat betont unter Hinweis auf seine Rechtsprechung (BGH 1 StR 498/04), dass das Gericht aufgrund seiner Fürsorgepflicht dem Opfer gegenüber verpflichtet ist, Opferschutzinteressen in Entscheidungen über den Umfang der Beweisaufnahme einzubeziehen und das Opfer vor rechtsstaatswidriger Verteidigung zu schützen. Ein Angeklagter, der Prozessverschleppung betreibe, könne sich auch nicht auf das Beschleunigungsgebot in Artikel 6 der Menschenrechtskonvention berufen.
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