BGH, Beschluss vom 7.7.2009
Aktenzeichen 3 StR 132/09

Stichpunkte

Strafverfahren um Menschenhandel und Zuhälterei zum Nachteil von sechs Brasilianerinnen; Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal "Dazu-Bringen"; erforderlich ein ursächliches Hervorrufen eines bislang nicht vorhandenen Entschlusses zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution; Gegenüberstellung mit § 181 Strafgesetzbuch alte Fassung.

Zusammenfassung

Der Bundesgerichtshof (BGH) ändert das Urteil des Landgerichts (LG) Duisburg auf die Revision des Angeklagten hin in Teilen und verweist zur Neuverhandlung der aufgehobenen Punkte an dieses zurück. Der Angeklagte war vom Landgericht wegen Beihilfe zu Menschenhandel, Zuhälterei sowie Einschleusung von Ausländern zum Nachteil von sechs Brasilianerinnen verurteilt worden. Vier der betroffenen Frauen waren bereits in Brasilien der Prostitution nachgegangen, zwei hatten diese Tätigkeit erst in Deutschland aufgenommen.
 
Der Bundesgerichtshof sieht in den Handlungen des Haupttäters G. keinen Menschenhandel. Mangels einer Haupttat Menschenhandel entfällt auch die  Beihilfe zur Tat. Ein "Anwerben" im Sinne des zur Tatzeit geltenden § 181, Absatz 1, Nr. 3, Strafgesetzbuch (StGB) alter Fassung ist laut dem BGH eng auszulegen und erfordert eine massive Beeinflussung des Tatopfers. Hierzu hatte aber das Landgericht keine Tatsachen festgestellt  gemacht. Für ein "Dazu-Bringen" im Sinne des seit Februar 2005 geltenden § 232 StGB muss der Entschluss des Tatopfers, die Prostitution aufzunehmen oder fortzusetzen, ebenfalls ursächlich durch eine Einflussnahme des Täters hervorgerufen worden sein. Auch hierzu fehlten Feststellungen des Landgerichts. Die übrigen dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen legen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eher nahe, dass die betroffenen Frauen bereits zur Prostitutionsaufnahme bzw. -fortsetzung entschlossen waren. Zwar hatte das Landgericht festgestellt, dass G. den Frauen gegenüber teilweise Gewalt angewendet und ihre Pässe an sich genommen hatte, nicht jedoch, dass dies geschah, um sie zur Prostitution zu bringen.

Der Bundesgerichtshof ändert die Verurteilung des Angeklagten daher von "Beihilfe zu Menschenhandel" in "Beihilfe zur Zuhälterei und Einschleusung von Ausländern", da die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts ohne Rechtsfehler waren. Es verweist zur neuen Strafzumessung an das Landgericht zurück.

Entscheidung im Volltext:

BGH_07_07_2009 (PDF, 85 KB, nicht barrierefrei)

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