Interessante Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz im Verwaltungsgerichtsverfahren um aufschiebende Wirkung von Klage gegen Dublin-Abschiebung nach Italien; Gericht ordnet aufschiebende Wirkung an; Abschiebeanordnung erfordert für besonders schutzwürdige Personen individualisierte Garantieerklärung der italienischen Behörden; Verweis auf `Tarakhel-Entscheidung´ des EGMR
Das Verwaltungsgericht (VG) ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Dublin-Abschiebung nach Italien an. Die Klägerin ist Nigerianerin, hat neun Jahre in Italien gelebt und ist von dort 2018 nach Deutschland gekommen und hat für sich und ihre zwischenzeitlich geborene Tochter einen Asylantrag gestellt. Bei ihrer Anhörung hatte sie angegeben, in Italien zur Prostitution gezwungen worden zu sein. Als sie schwanger geworden sei, sei sie mit Ihrem Lebensgefährten nach Deutschland geflohen.
Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfolglos ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien gerichtet hatte, lehnte es die Asylanträge, auch im Hinblick auf subsidiären Schutz und Abschiebeverbote, ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an, das nach der Dublin-Verordnung zuständig sei. Zwar glaubte das BAMF der Frau, in Italien Opfer von Menschenhandel gewesen zu sein, aber da sie nun ein Kind habe, sei nicht davon auszugehen, dass sie noch zur Zielgruppe von Menschenhändlern gehöre. Aufgrund der allgemeinen Garantieerklärung Italiens zur Gewährung von Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen sei auch unerheblich, dass die Frau mit ihrem Kind zu den besonders schutzwürdigen Personen gehöre.
Das VG sah jedoch im Rahmen der summarischen Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung von Frau und Kind nach Italien. Es sei zwar zutreffend, dass Italien nach der Dublin-III-Verordnung zuständig sei, die Zulässigkeit einer Abschiebung sei aber fraglich. Zwar bestünden keine systemischen Mängel im italienischen Asylsystem, die grundsätzlich die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung mit sich bringen würden, es sei aber zu berücksichtigen, dass die Frau mit ihrem Kleinkind zu einem besonders vulnerablen Personenkreis gehöre. Für diesen sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in seiner sogenannten `Tarakhel-Entscheidung´ vom 04.11.2014 eine individuelle Garantieerklärung erforderlich, in der zum Beispiel eine konkrete Einrichtung benannt werde, in der eine Unterbringung erfolge. Nur so sei überprüfbar, dass es nach der Überstellung nicht zu einer Gefährdung der Rechte aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention komme.
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