Umfassende Entscheidung im Strafverfahren wegen Ausbeutung der Arbeitskraft von Artist*innen; Ausführungen zu den Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals `ausbeuterisches Beschäftigungsverhältnis´; Abgrenzung zu Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft; mehrjährige Haftstrafen
Das Landgericht (LG) verurteilt den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländer*innen, Ausbeutung der Arbeitskraft und Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten.
Der aus Simbabwe stammende Angeklagte hat eine Ausbildung als Artist und sowohl in Deutschland als auch in afrikanischen Ländern als Akrobat gearbeitet. Bei einem Aufenthalt in Simbabwe lernte er die in einem abgetrennten Verfahren verfolgte B kennen, die er später heiratete und mit der er, zusammen mit den drei gemeinsamen Kindern, nach Deutschland kam und dort weiter als Artist arbeitete. Er betrieb außerdem eine Vermittlungsagentur, mit der er ausländische Künstler*innen vermittelte und Veranstaltungen organisierte.
Der Angeklagte hatte in afrikanischen Ländern Castings durchgeführt und Akrobat*innen und Tänzer*innen angeworben, denen er Arbeitsverträge für afrikanische Shows in Deutschland anbot. Versprochen wurde dabei ein Gehalt von rund 1.000 EUR monatlich. Auf diese Weise organisierte er die Einreise von insgesamt vierzehn Künstler*innen. Diese hatten die Hoffnung, durch regelmäßige Auftritte ihren Lebensunterhalt verdienen und darüber hinaus ihren Familien in Simbabwe Geld schicken zu können (S. 22ff).
Es gelang dem Angeklagten jedoch nur zu Beginn, ihnen einige Auftritte zu vermitteln. Danach gab es keine Arbeitsmöglichkeiten mehr und die Situation der Künstler*innen, die über den Angeklagten in desolaten Wohnwagen, Lagerräumen oder Wohnungen nur notdürftig untergebracht waren, verschlechterte sich zusehends. Daher schickte der Angeklagte sie in verschiedene Städte, wo sie in Fußgängerzonen auftreten und ihre jeweiligen Einnahmen fast vollständig bei dem Angeklagten abliefern mussten und höchstens für ihre Grundbedürfnisse Mittel zur Verfügung behielten. Der Angeklagte hatte demgegenüber für die Künstler*innen jedoch kaum Ausgaben. Die Künstler*innen konnten kein Deutsch und mangels Kenntnis der Umstände in Deutschland auch nicht bei Behörden oder Polizei um Hilfe bitten. Da der Angeklagte gedroht hatte, sie nach Simbabwe zurückzuschicken, wenn sie sich seinen Anweisungen widersetzen würden, sahen die Künstler*innen keine andere Möglichkeit, als ihm das für die insgesamt 29 Straßenshows eingenommene Geld von jeweils mindestens 50,00 EUR zu übergeben, ohne dafür eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten.
Das Landgericht sah hierdurch den Tatbestand der Ausbeutung der Arbeitskraft gemäß §§ 233 Abs. 1 Nr. 1, 232 Abs. 1 Satz 2, 53 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt.
Es macht Ausführungen zu den Voraussetzungen des Tatbestandmerkmals der `ausbeuterischen Beschäftigung´. Eine solche läge vor, wenn die Beschäftigung von rücksichtslosem Gewinnstreben geleitet unter Arbeitsbedingungen erfolge, die in auffälligem Missverhältnis zu denen anderer Arbeitnehmer*innen in vergleichbarer Beschäftigung stünden (S.39). Kriterien bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen seien neben dem Lohn und der Arbeitszeit auch alle andere Leistungen der Arbeitgeber*innen wie Unterbringung und Verpflegung (S. 39f).
Vorliegend hätten die Betroffenen mit rund 4,50 EUR weniger als die Hälfte des Mindestlohns erhalten und seien menschenunwürdig untergebracht gewesen. Der Angeklagte habe dabei ihre Hilflosigkeit im fremden Land ausgenutzt, da die Betroffenen weder die deutsche Sprache beherrschten, noch sich im Sozialsystem auskannten und somit nicht die Möglichkeit hatten, sich der Ausbeutungssituation zu entziehen (S. 40).
Den ebenfalls angeklagten Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft im Sinne des § 232 Abs. 1 b) StGB sah das Gericht jedoch nicht erfüllt, da dem Angeklagten nicht nachzuweisen sei, dass er schon bei der Anwerbung der Betroffenen in Simbabwe die Absicht hatte, sie wie erfolgt auszubeuten. Zu seinen Gunsten sei vielmehr anzunehmen, dass er diese Idee erst entwickelte, als sich rausstellte, dass er die Künstler*innen nicht wie geplant für Tourneen vermitteln konnte.
Im Rahmen der Strafzumessung wertet das Gericht die lange Dauer von 3 Monaten und die menschenunwürdige Unterbringung strafschärfend (S. 46).
Der Angeklagte hatte darüber hinaus für die B, die Bordelle betrieb, die Einreise ukrainischer Frauen unterstützt, die der Prostitution nachgehen wollten, aber nicht die erforderlichen Papiere besaßen (S.14ff).
Außerdem hatte er SGB II-Leistungen bezogen aber seine Einnahmen nicht angegeben. Entsprechend wurde er auch wegen Einschleusens von Ausländer*innen und Betruges verurteilt.
Entscheidung im Volltext: