BGH, Beschluss vom 11.1.2022
Aktenzeichen 3 StR 177/21

Stichpunkte

Klarstellende Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs in einem Verfahren wegen Ausbeutung der Arbeitskraft; Verwerfung der Revision als unbegründet; der Straftatbestand des § 233 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) setzt weder nach dem Wortlaut der Norm noch nach dem Willen des Gesetzgebers über das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung hinaus ein ‘besonderes Abhängigkeitsverhältnis‘ voraus

Zusammenfassung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verwirft die Revision gegen das Urteil des Landgerichts (LG) Kleve vom 18. Dezember 2020.

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Ausbeutung der Arbeitskraft in Tateinheit mit Anstiftung zum Diebstahl verurteilt. Der Straftatbestand der Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 233 StGB erfasst in seinem Absatz 1 u.a. das Ausbeuten einer unter 21-jährigen Person. Die in § 233 Abs. 1 Nr. 3 StGB genannte Ausbeutungshandlung liegt in der Begehung strafbarer Handlungen.

Die Revision hatte ausgeführt, dass der Straftatbestand des § 233 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 2 Nr. 1 StGB über den Wortlaut des Gesetzes hinaus ein ‘besonderes Abhängigkeitsverhältnis‘ voraussetze. Dieses sei nur gegeben, wenn ein länger andauerndes Verhältnis der betroffenen Person zur ausbeutenden Person vorliege. Das Verhältnis erschöpfe sich nicht allein in der vom Gesetz beschriebenen Schwächesituation. Dieses ‘besondere Abhängigkeitsverhältnis‘ könne persönlicher oder wirtschaftlicher Art sein. Der Angeklagte rügte mit der Revision, dass die Feststellungen des LG ein solches ‘besondere Abhängigkeitsverhältnis‘ nicht belegten.

Der BGH macht Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung. Darunter sei eine gewissenlose und unangemessene Nutzung der Leistungen oder Tätigkeiten der Betroffenen zu verstehen, ohne dass diesen ein (wirtschaftlich betrachtet) angemessener Teil der Taterträge verbleibe. Dies sei im vorliegenden Fall durch das Urteil des LG belegt.

Der BGH stellt fest, dass offenbleiben kann, ob die Feststellungen im Urteil des LG ein solches Verhältnis belegen und stellt klar, dass entgegen der Revisionsbegründung der Tatbestand des § 233 Abs. 1 Nr. 3 StGB über das Merkmal der Ausbeutung hinaus kein solches Verhältnis ('besonderes Abhängigkeitsverhältnis') zwischen Täter*in und betroffener Person voraussetzt. Weder der Wortlaut der Norm noch der Sinn und Zweck des Gesetzes oder gesetzessystematische Erwägungen legten eine solche Voraussetzung nahe. Der Gesetzgeber habe explizit Taten gegen Betroffene unter 21 Jahren ohne zusätzliche Voraussetzungen der Ausnutzung in den Tatbestand einbeziehen wollen. Der BGH widerspricht einer in der juristischen Literatur vorgebrachten Meinung, dass solche Taten bereits ausreichend über den Straftatbestand der Nötigung und über Vermögensdelikte, wie z.B. Hehlerei, erfasst seien. Ohnehin stelle dies lediglich eine kriminalpolitische Erwägung dar, die für die Auslegung des Gesetzes unerheblich sei.

Entscheidung im Volltext:

bgh_3_StR_177_21 (PDF, 38 KB, nicht barrierefrei)

Gefördert vom
Logo BMFSFJ
KOK ist Mitglied bei

Kontakt

KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
Lützowstr.102-104
Hof 1, Aufgang A
10785 Berlin

Tel.: 030 / 263 911 76
E-Mail: info@kok-buero.de

KOK auf bluesky