BGH, Beschluss vom 7.7.2022
Aktenzeichen 4 StR 370/21

Stichpunkte

Höchstrichterliche Entscheidung im Strafverfahren wegen Zwangsprostitution; Senat bestätigt Qualifizierung als schwere Zwangsprostitution allein aufgrund Minderjährigkeit der Betroffenen auch ohne Verwirklichung weiterer Merkmale wie Zwangslage

Zusammenfassung

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) ändert den Schuldspruch einer Verurteilung auf Revision des Angeklagten nur unerheblich. Der Angeklagte war vom Landgericht (LG) wegen schwerer Zwangsprostitution gemäß § 232a Abs. 1 2. Alt. Nr. 1 1. Alt. und Abs. 4 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Der Senat ändert den Schuldspruch nur im Hinblick auf die Konkurrenzen, nicht aber auf das Strafmaß.

Der Angeklagte hatte mit einem anderen zusammen zwei unter 18-jährige Frauen zur Prostitution veranlasst. Das Landgericht hatte im Rahmen der konkurrenzrechtlichen Bewertung, also wie die Strafe zu bestimmen ist, wenn verschiedene Straftatbestände oder ein Straftatbestand mehrfach verwirklicht werden, zwei Fälle angenommen, da zwei Frauen betroffen waren. Der Senat führt aus, dass dies zwar bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter, wie bei Taten nach § 232a StGB, grundsätzlich zutreffend sei. Wenn jedoch teilweise eine Identität der Tatausführung vorliege, sei von nur einer Tat auszugehen. Dies sei hier der Fall, da der Angeklagte in einem Gespräch mit den beiden Geschädigten gleichzeitig, diese zur Prostitution veranlasst hätte. Dies habe aber auf das Strafmaß keinen Einfluss.

Nicht zu beanstanden sei jedoch nach Ansicht des Senats, dass das LG eine schwere Zwangsprostitution nach § 232a Abs. 1 2. Alt. Nr. 1 1. Alt., Abs. 4 StGB in Verbindung mit § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB allein aufgrund des Umstandes angenommen habe, dass die Frauen unter 18 Jahre alt waren und somit die Schutzaltersgrenze unterschritten wurde.

Zwar würde teilweise vertreten, es müsse außerdem die Ausnutzung einer Zwangslage oder ausländerspezifischen Hilflosigkeit vorliegen oder ein Ausbeutungserfolg festzustellen sei. Dem folgt der Senat unter Verweis auf den Wortlaut und die Systematik des § 232a StGB nicht. Nach dem Wortlaut des § 232a Abs. 4 StGB seien keine weiteren Bedingungen gefordert.

Hierfür spräche auch die Entstehungsgeschichte des § 232a StGB, dessen Schaffung der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer diene. In Art. 2 Abs. 5 seien Kinder allein wegen ihres Alters von unter 18 Jahren unter Schutz gestellt und ihre Anwerbung zur Prostitution solle auch dann strafbar sein, wenn keine Nötigung, Täuschung oder Machtmissbrauch vorliegen.

 

Entscheidung im Volltext:

bgh_07_07_2022 (PDF, 151 KB, nicht barrierefrei)

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