BGH, Beschluss vom 24.1.2023
Aktenzeichen 3 StR 418/22

Stichpunkte

Höchstrichterliche Entscheidung im Strafverfahren wegen Zwangsprostitution und Zuhälterei; Ausführungen zu den Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals `Ausbeutung´; wesentliche Beschränkung der persönlichen und finanziellen Freiheit durch Einbehalt der Einkünfte erforderlich; zweifelsfrei gegeben bei Abgabe aller, anzunehmen bei Einbehalt von 50% der Einnahmen

Zusammenfassung

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hebt auf die Revision eines Angeklagten dessen Verurteilung teilweise auf und verweist zur Neuentscheidung zurück. Der Angeklagte war u.a. wegen versuchter schwerer Zwangsprostitution und Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von fast 6 Jahren und zur Zahlung von je 2000 EUR an zwei Nebenklägerinnen verurteilt worden. Außerdem waren Taterträge von rund 75.000 EUR eingezogen worden. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Mann eine Beziehung mit einer Sexarbeiterin eingegangen und in ihre Wohnung miteingezogen. In den rund 6 Monaten ihres Zusammenlebens erwirtschaftete die Frau ca. 97.000 EUR, wovon monatlich knapp 4000 EUR für Lebenshaltungskosten und die Miete bezahlt wurde. Die Frau behielt ca. 2000 EUR in der Woche für sich, der Angeklagte mindestens 26.000 EUR. Die Nebenklägerin war mit dieser Aufteilung unzufrieden, wurde aber vom Angeklagten damit hingehalten, er wolle sie an zukünftigen Einnahmen, die er angeblich erwartete, beteiligen. Zugleich forderte er mehrfach telefonisch von der Frau die Einkünfte aus ihrer Arbeit.

Dass das Landgericht (LG) dies als ausbeuterische Zuhälterei i.S.v. § 181a Strafgesetzbuch (StGB) gewertet hatte, hält der Senat für rechtlich unzutreffend. Dabei macht er, unter Verweis auf weitere Rechtsprechung, Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Ausbeutung i.S.d. Gesetzes. Eine solche läge erst vor, wenn den Betroffenen ein so wesentlicher Teil ihrer Einnahmen weggenommen würde, dass dadurch deren persönliche und finanzielle Bewegungs- und auch Entscheidungsfreiheit erheblich beschnitten würde, so dass ihnen eine Loslösung aus der Prostitution erschwert sei. Dies sei sicher der Fall, wenn die gesamten Einkünfte abgegeben werden müssten. Ebenso sei dies anzunehmen bei Abgabe von 50 % der Einkünfte.

Nach diesen Maßstäben sah der Senat bei der Nebenklägerin eine Ausbeutung nicht gegeben, da diese in dem fraglichen Zeitraum von 6 Monaten ca. 72.000 EUR für sich behalten habe, was ungefähr 74 % der Einnahmen entspräche. Dadurch, dass er den Rest ihres Verdienstes für sich behielt, habe der Angeklagte die Entscheidungsfreiheit der Frau nicht einschneidend eingeschränkt, auch sei nicht ersichtlich, dass sie sich deswegen aus der Prostitution nicht habe lösen können.

Eine Ausbeutung sei, anders als vom LG angenommen, auch nicht darin zu sehen, dass der Angeklagte der Frau vorgespiegelt habe, sie zum Ausgleich ihrer Abgaben an ihn an zukünftigen eigenen Einnahmen zu beteiligen. Insoweit hebt der Senat teilweise auf und verweist zurück.

Bezogen auf die Adhäsionsansprüche ändert er nur den Zeitpunkt der Verzinsung.

Entscheidung im Volltext:

Bgh_24_01_2023 (PDF, 153 KB, nicht barrierefrei)

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