LG Regensburg, Urteil vom 25.6.2020
Aktenzeichen KLs 503 Js 29487/19 jug

Stichpunkte

Bemerkenswerte Entscheidung des Landgerichts Regensburg zu Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren; Verurteilung wegen Vergewaltigung und (gefährlicher) Körperverletzung in mehreren Fällen

Zusammenfassung

In seiner Entscheidung vom 25.06.2020 verurteilt das LG den Angeklagten wegen Körperverletzung seiner damaligen Partnerin (Geschädigte A. H.). Zudem verurteilt das AG den Angeklagten wegen (gefährlicher) Körperverletzung und Vergewaltigung zu Lasten von einer weiteren früheren Partnerin (Geschädigte K. B.) und wegen gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Schwester der Geschädigten K. B. (Geschädigte M. B.). Die Geschädigte K. B. machte zudem im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens Schmerzensgeld geltend. Daraufhin verurteilt das LG den Angeklagten, an diese ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 EUR zu zahlen. Das Gericht stellt fest, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus den zu ihrem Nachteil begangenen, der Verurteilung des Angeklagten zu Grunde liegenden Taten, zu ersetzen.

Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt Heranwachsender, weshalb die Jugendkammer zuständig war. Zu den Tatzeitpunkten war der Angeklagte zunächst von Februar 2017 bis Januar 2019 mit der Geschädigten A. H. liiert und von Januar 2019 bis Ende des Jahres 2019 mit der Geschädigten K. B. Von beiden Frauen verlangte er, dass sie sich von ihren Freundinnen zurückzogen und ihre Hobbys aufgaben, um mehr Zeit mit dem Angeklagten zu verbringen. Dem Angeklagten wurde eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung attestiert. Zudem verfügt er nur über eine herabgesetzte Fähigkeit zur Impulskontrolle und reagiert auf Zurückweisung mit schwer kontrollierbaren Wutausbrüchen.

Im Januar 2019 geriet der Angeklagte in einen Streit mit A. H. Er würgte und schlug diese mehrfach. Am darauffolgenden Tag drang er unbefugt in das Elternhaus der A. H. ein und drohte damit, sie zu erstechen. A. H. berichtete ihren Eltern von dem Vorfall, erstattete jedoch zunächst keine Anzeige. Nach der Trennung vom Angeklagten ging A. H. keine Partnerschaft mehr ein, da sie Angst hatte, erneut emotionaler oder körperlicher Gewalt ausgesetzt zu sein.

Auch gegenüber K. B., mit der er seit Januar des Jahres 2019 eine Beziehung führte, wurde der Angeklagte gewalttätig. Nach einem Streit würgte er sie mehrfach und schubste sie, sodass sie gegen eine Zimmertür flog und zu Boden ging. Im Anschluss vergewaltigte er sie und würgte sie erneut, um ihren Widerstand zu brechen. K. B. führte die Beziehung zunächst fort, da sie Angst vor weiteren Übergriffen hatte und der Angeklagte damit drohte, ihrer Familie etwas anzutun. Auch hoffte sie, dass er sich ändern würde. K. B. und der Angeklagte gerieten in der Folge erneut in Streit, da der Angeklagte es unterbinden wollte, dass K. B. Zeit mit ihrer Familie verbrachte. Daraufhin würgte der Angeklagte K. B. erneut und fügte ihr zudem Hämatome an den Handgelenken zu. In der Folge litt sie wochenlang unter Schluckbeschwerden und konnte keine feste Nahrung zu sich nehmen. Einige Tage später nahm der Angeklagte die K. B. im Laufe einer Auseinandersetzung in den Schwitzkasten, wodurch ihr schwarz vor Augen wurde und zog sie an den Haaren. Er versuchte zudem, sie zu entkleiden und ließ erst von ihr ab, als sie versprach, zu einem späteren Zeitpunkt den Geschlechtsverkehr mit ihm zu vollziehen.

Die Geschädigte offenbarte sich in der Folge schließlich ihrer Schwester M. B., die sie überredete, die Beziehung zu beenden. Nach der Trennung kam der Angeklagte erneut zum Elternhaus der K. B., um ihr Kleidungsstücke zurückzugeben. Die Schwester, M. B. öffnete dem Angeklagten die Tür. Der Angeklagte versuchte, sich an ihr vorbei ins Haus zu drängen, was M. B. zu verhindern versuchte. Dabei zog der Angeklagte ein Messer und versetzte M. B. eine tiefe Stichwunde am Unterarm. Sie musste im Krankenhaus stationär behandelt werden.Nach einer Woche traten bei ihr Angstzustände, Panikattacken und Schlafstörungen auf, die bis heute andauern. Die Geschädigte M. B. konnte zunächst keine Alltagsgeschäfte, wie Einkäufe, erledigen, da sie nicht imstande war, die Wohnung allein zu verlassen. Auch ihren Beruf als Physiotherapeutin konnte sie lange Zeit nicht ausüben, da sie fremden Menschen, v.a. Männern, misstraute.

K. B. setzte die Geschädigte A. H. von den Gewalttaten in Kenntnis. A. H. wurde dadurch an ihre eigenen negativen Erfahrungen mit dem Angeklagten erinnert und litt infolgedessen unter Ängsten, Unruhe und Schlafstörungen. Daraufhin entschloss sie sich, doch Anzeige zu erstatten.

Der Angeklagte hat die Taten eingestanden. Dieses Geständnis wird durch die glaubhaften Angaben der Geschädigten sowie einiger Zeug*innen gestützt.

Im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs verpflichtete sich der Angeklagte, der M. B. ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zu bezahlen.

Im Adhäsionsverfahren forderte K. B. ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR. Die Kammer hält ein Schmerzensgeld von nur 6.000 EUR für angemessen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt das Gericht, dass die Adhäsionsklägerin K. B. zum Zeitpunkt der Übergriffe des Angeklagten zwischen Oktober und Dezember 2019 erst 17 bzw. 18 Jahre alt war und dem Angeklagten aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit schutzlos ausgeliefert war. Der Angeklagte misshandelte die Adhäsionsklägerin mehrfach körperlich und

ging dabei äußerst grob und rücksichtslos vor. Bei der Vergewaltigung fügte der Angeklagte der Adhäsionsklägerin absichtlich Schmerzen zu und bezeichnete diese als sein Eigentum, was dem Gericht zufolge Ausdruck einer besonders verwerflichen Gesinnung ist. Darüber hinaus musste die Adhäsionsklägerin im Dezember 2019 mit ansehen, wie der Angeklagte ihre Schwester M. B. mit einem Küchenmesser lebensgefährlich verletzte. Der Angeklagte fügte der Geschädigten K. B. durch die vorgenannten Taten einen erheblichen seelischen Schaden zu. Die Geschädigte K. B. leidet seither unter Schlafstörungen, Angstzuständen und Panikattacken und musste sich deshalb in ärztliche und psychologische Behandlung begeben. Der

Abschluss der psychotherapeutischen Behandlung ist noch nicht absehbar.

Andererseits berücksichtigt das Gericht aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Adhäsionsklägerin und des Angeklagten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. Es stellt fest, dass die Adhäsionsklägerin Abiturientin sei und kein eigenes Einkommen erziele. Sie verfüge lediglich über ein monatliches Taschengeld in Höhe von 30 EUR und werde in absehbarer Zeit kein nennenswertes Einkommen erwirtschaften. Ein Geldbetrag von 6.000 EUR erscheine daher angemessen, um der Adhäsionsklägerin einen Ausgleich für das erlittene Unrecht zu gewähren. Der Angeklagte erziele aufgrund seiner Inhaftierung ebenfalls kein regelmäßiges Einkommen und verfüge lediglich über ein bescheidenes Sparvermögen in Höhe von 2.000 EUR. Im Hinblick auf die zu erwartende Dauer der Strafvollstreckung würde der Angeklagte in nächster Zeit kaum leistungsfähig sein.

Eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 6.000 EUR stelle für den Angeklagten somit eine empfindliche Vermögenseinbuße dar und erscheine daher geeignet, der Adhäsionsklägerin Genugtuung zu verschaffen.

 

Entscheidung im Volltext:

LG_Regensburg_25_06_2020 (PDF, 148 KB, nicht barrierefrei)

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