Bemerkenswerte höchstrichterliche Entscheidung im Sozialgerichtsverfahren um Anspruch eines Krankenhauses auf Ersatz von Kosten für medizinische Notversorgung eines wohnungslosen EU-Staatsangehörigen bei Überbrückungsleistungen; Senat bejaht Anspruch auch bei fehlender Ausreisebereitschaft
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) spricht einem Krankenhaus einen Anspruch gegen das Sozialamt auf Ersatz von Behandlungskosten für einen obdachlosen Polen zu und stellt fest, dass für einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3ff des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) eine Ausreisebereitschaft der Anspruchsberechtigten nicht erforderlich ist.
Dem Verfahren liegt der Fall eines polnischen Staatsangehörigen zugrunde, der in Deutschland ohne festen Wohnsitz lebte und seinen Unterhalt durch Betteln bestritt. Da er nicht freizügigkeitsberechtigt war, hatte er keinen Anspruch auf Sozialhilfe und war nicht krankenversichert. An einem Freitagnachmittag (nach Schließung des Sozialamtes) kam er mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses. Da der Verdacht sich nicht bestätigte, wurde er am selben Tag wieder entlassen. Das Krankenhaus forderte vom Sozialamt Ersatz der Behandlungskosten, da es den Mann als Nothelfer behandelt habe. Das Sozialamt lehnte eine Ersatzpflicht ab mit der Begründung, es sei nur eine Diagnostik durchgeführt worden und keine Behandlung einer akuten Erkrankung erfolgt. Außerdem habe der Mann auch kein Aufenthaltsrecht. Daher bestünde höchstens ein Anspruch auf Überbrückungsgeld. Dafür müsse der Mann aber ausreisebereit sein bzw. erklären, innerhalb eines Monats auszureisen, dies habe er aber nicht getan.
Dies sieht das BSG anders. Auch ein Verdacht auf einen Herzinfarkt stelle einen akuten Notfall dar und mache eine sofortige medizinische Hilfe notwendig. Da das Sozialamt geschlossen war, greife der Nothelferparagraf (§ 25 SGB XII). Dem nicht versicherten Mann stünden auch ohne Aufenthaltsrecht Überbrückungsleistungen in Form von Hilfen bei Krankheit zu. Auf eine Ausreisebereitschaft komme es hierfür nicht an.
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