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Auswirkungen der Kriminalisierung des "wissentlichen Gebrauchs" von Menschenhandel

Policy Paper von La Strada International zur bevorstehenden Überarbeitung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel

Cover LSI Policy Paper 2011/36/EU

Die Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer ist das wichtigste Legislativinstrument der EU zur Bekämpfung dieses Phänomens. Da die Anwendung der Richtlinie nach wie vor nicht genügend umgesetzt wird, veranlasste veranlasste das Europäische Parlament im Februar 2021 ein Evaluierung der EU-Menschenhandelsrichtlinie.

Einige Akteure und Entscheidungsträger*innen drängen auf eine Überarbeitung der Richtlinie, um Artikel 18 Absatz 4 in eine verbindliche Bestimmung umzuwandeln. Mit dem Ziel, die Nachfrage nach Menschenhandel einzudämmen, empfiehlt Artikel 18 Absatz 4 der EU-Richtlinie 2011/36/EU die Kriminalisierung der "wissentlichen Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die Gegenstand von Ausbeutung sind". Der Konsum solcher Dienstleistungen soll unter Strafe gestellt werden.

La Strada International (LSI) hat zahlreiche Expert*innen aus 10 EU-Ländern geführt, um mehr über die Anwendung des Gesetzes auf alle ausbeuterischen Dienstleistungen sowie über mögliche positive Auswirkungen und Bedenken und schädliche Auswirkungen zu erfahren, die sich ergeben könnten, wenn der "wissentliche Konsum" kriminalisiert wird. Auf Grundlage dieser Interviews, ergänzt durch Sekundärforschung, hat LSI ein Policy Paper veröffentlicht, Schlussfolgerungen und Empfehlungen hinsichtlich einer möglichen Umwandlung von Artikel 18 Absatz 4 der EU-Richtlinie 2011/36/EU in eine gesetzlich verankerte Bestimmung.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es noch zu wenige Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen und Nebenaffekten der Kriminalisierung des „wissentlichen Konsums“ auf die Bekämpfung des Menschenhandels gibt. Bislang gibt es nur wenige Strafverfolgungen für den "wissentlichen Konsum" und eine relevante Reduzierung der Nachfrage ist bislang nicht bestätigt.

Häufig wird der rechtliche Geltungsbereich dieser Bestimmung auf die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen von Betroffenen von Menschenhandel beschränkt. Diese Beschränkung des Anwendungsbereiches birgt laut Bericht die Gefahr des Missbrauchs der Kriminalisierung, um „verdeckt gegen Prostitution vorzugehen“. Darüberhinaus ergebe sich in der Praxis die Schwierigkeit die „wissentliche Nutzung“ anderer Dienstleistungen nachzuweisen.

In der Befragung durch LSI äußerten Expert*innen Bedenken hinsichtlich der schädlichen Nebenwirkungen für Betroffene und prekär beschäftigte (Sex)Arbeiter*innen. Beispiele hierfür sind die verstärkte Gefährdung und Stigmatisierung sowie die Gefahr einer sekundären Viktimisierung und einer Aushöhlung der Rechte der Betroffenen von Menschenhandel.

La Strada International ist der Ansicht, dass die Überarbeitung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel nicht zu einer verbindlichen Bestimmung führen sollte, da diese nicht nur sehr begrenzte Auswirkungen auf die Bekämpfung des Menschenhandels zu haben scheint, sondern auch sehr wahrscheinlich schwerwiegende schädliche Folgen haben wird.

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