Aktuelles im KOK

Die Kraft der europäischen Vernetzung im Kampf gegen den Menschenhandel

Seit vielen Jahren arbeiten La Strada International und KOK bei wichtigen Initiativen zusammen, setzen sich für politische Veränderungen ein und vertreten einen Menschenrechtsansatz bei der Bekämpfung des Menschenhandels in ganz Europa.

Text von Suzanne Hoff, Internationale Koordinatorin bei La Strada International, Originaltext in Englisch

Vernetzung ist für alle NGOs, die sich gegen Menschenhandel einsetzen, von zentraler Bedeutung. Von Anfang an war es unser Ziel, ein Netzwerk von Anti-Menschenhandels-NGOs aufzubauen, die direkte Hilfe für Betroffene von Menschenhandel und verwandte vulnerablen Gruppen leisten, und ein angemessenes Netzwerk für Vermittlung und Unterstützung von Betroffenen innerhalb und über die Grenzen hinweg zu schaffen, damit sie Zugang zur Justiz erhalten können. Die Vernetzung zwischen NGOs hilft dabei, eine Gemeinschaft und ein gemeinsames Engagement zu schaffen und bietet die Möglichkeit, sich zu treffen, Gedanken auszutauschen, Informationen zu teilen und voneinander zu lernen, um gemeinsame Aktionen zu ermöglichen.

Neben dem Austausch über Arbeit im Einsatz gegen Menschenhandel und die praktischen Herausforderungen, denen sich NGOs in der direkten Hilfeleistung stellen, bietet die europäische Vernetzung auch die Möglichkeit für gemeinsames Monitoring und den Austausch über bewährte und weniger erfolgreiche Praktiken, Richtlinien und Gesetze gegen Menschenhandel und verwandter Bereiche. So bekommen wir Einblicke, wie wir Entwicklungen, Richtlinien und Maßnahmen effektiv nutzen oder wo wir gegensteuern sollten.

Die Vernetzung geht über die Blase der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die den Fokus Menschenhandel haben, hinaus und zielt auch auf den Aufbau von Allianzen sowie die Stärkung strategischer Partnerschaften mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie umfasst die Teilnahme an breiteren sozialen Bewegungen zu Themen wie Frauen-, Kinder- und Menschenrechte sowie Arbeitsrechte, Migration, Entwicklung und Umwelt, um Schnittstellen auf Grundlage einer breiten Stakeholder-Bewertung und Strategie zu adressieren.

Solche europäische Vernetzung stärkt uns und ermöglicht es uns, uns mit denen abzustimmen, die unsere Ziele unterstützen, und unsere Forderungen gegenüber anderen, die die Macht zur Veränderung haben, sichtbarer zu machen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Rechtsvertreter*innen, Strafverfolgungsbehörden und Medien sowie mit Geldgeber*innen und dem Unternehmenssektor und ein gemeinsamer Ansatz gegenüber Regierungen. Da rechtspopulistische Parteien und Bewegungen in mehreren EU-Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene zunehmend an Einfluss gewinnen und eine starke Anti-Migrations-Agenda vertreten, wird dies umso wichtiger.

Die europäische Vernetzung durch (soziale) Medienarbeit und Kampagnen kann dazu beitragen, mehr Aufmerksamkeit für eine alternative Erzählung zu gewinnen und sicherzustellen, dass Menschenhandel von den Medien und der Politik weniger sensationsgeladen und mehr entsprechend der Realitäten, Erfahrungen und Bedürfnissen der Betroffenen dargestellt und diskutiert wird.

Ziele von La Strada International

La Strada International glaubt an eine Welt, in der Menschen frei migrieren und im Arbeitsbereich ihrer Wahl tätig sein können, frei von Menschenhandel, Ausbeutung und Missbrauch, in dem Wissen, dass ihre Rechte im In- oder Ausland geachtet werden. Zu diesem Zweck setzt sich La Strada International für Menschenrechte, Frauenrechte, Arbeitsrechte und die Rechte von Migrant*innen ein, um sicherzustellen, dass Menschen gesetzlich vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden. Wir erreichen dies gemeinsam mit unseren Mitgliedern durch den Zugang zu angemessener Hilfe und Unterstützung, zu Gerechtigkeit und effektiven Rechtsmitteln sowie durch Zusammenarbeit mit anderen.

Die Zusammenarbeit mit dem KOK

Die Zusammenarbeit von La Strada mit dem KOK reicht viele Jahre zurück. 2004 organisierten wir das erste La Strada–KOK-Treffen gemeinsam in Berlin, um mit zivilgesellschaftlichen Organisationen über die Hindernisse im Kampf gegen Menschenhandel zu sprechen, denen wir begegneten, und über mögliche Wege in die Zukunft – ein Dialog, den wir bis heute führen. 2009, anlässlich des 20. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer, organisierten wir gemeinsam mit dem KOK und seiner Mitgliedsorganisation Ban Ying die LSI NGO-Plattform in Berlin, nachdem beide Organisationen 2005 an den informellen Plattformtreffen teilgenommen hatten.

Mit der formellen Vollmitgliedschaft des KOK bei La Strada International im Jahr 2019 wurde diese Zusammenarbeit noch weiter gestärkt. In den letzten Jahren haben wir Informationen und bewährte Verfahren ausgetauscht, Projekte und Advocacy-Aktionen gemeinsam durchgeführt und zusätzlich den Austausch zwischen unseren Mitgliedern über direkte Hilfe und Unterstützung gefördert.

2008 schloss sich der KOK der ersten Initiative zur Einführung von COMP.ACT an, der europäischen Initiative für Entschädigung für Betroffene von Menschenhandel, die von 2009 bis 2012 lief. Von 2010 bis 2012 kooperierten wir auch im Rahmen des ENPATES-Projekts, das darauf abzielte, ein System für den funktionalen Austausch von Wissen, bewährten Verfahren und politischen Initiativen in den Bereichen Prävention, Unterstützung, Schutz und soziale Integration von Betroffenen von Menschenhandel aufzubauen. Auf dieses Projekt folgte E-NOTES (2012–2014), das eingerichtet wurde, um einen europaweiten dauerhaften Überwachungsmechanismus zu etablieren. 2013 beteiligte sich der KOK an LSIs Kampagne One Story Two Outcomes, einer Kampagne, die Regierungen dazu aufrief, die Gesetzgebung gegen Menschenhandel durch konkrete Umsetzungsmaßnahmen vor Ort vollständig umzusetzen, indem sie zeigte, wie die Bereitstellung von Dienstleistungen einen Unterschied macht. Von 2012 bis 2014 startete der KOK datACT, eine gemeinsame Initiative des KOK und La Strada International, die Forschung, Schulungen und öffentliche Debatten beinhaltete, um die Rechte der Betroffenen von Menschenhandel auf Privatsphäre, Autonomie und den Schutz ihrer persönlichen Daten zu fördern. Weitere gemeinsame Projekte folgten, darunter die Beteiligung des KOK am Projekt NGO & CO, das sich mit dem Engagement von NGOs und Unternehmen zur Bekämpfung von Menschenhandel (2012–2014) befasst. In der Kampagne Used in Europe und im Projekt Justice at Last (2017–2019), das sich erneut auf die Verbesserung des Zugangs zu Entschädigungen für Betroffene von Straftaten konzentrierte.

In den letzten Jahren haben wir außerdem eng an gemeinsamen politischen Maßnahmen und Stellungnahmen zur Überarbeitung der EU-Gesetzgebung gearbeitet, insbesondere zur Änderung der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel. Dazu gehörten auch die Überwachung des UN-Überprüfungsmechanismus, die Arbeit der OSZE sowie des Monitoringmechanismus durch die Expert*innengruppe des Europarates für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA). Außerdem führte La Strada International gemeinsam mit seinen Mitgliedern Forschung zum Thema abnehmender Handlungsspielraum „Shrinking Spaces“ der Zivilgesellschaft durch, zum Non-Punishment Prinzip, Identifikation, Zwangsheirat und zur Ausbeutung durch Leihmutterschaft, wobei einige dieser Projekte noch andauern.

Wichtige gemeinsame Meilensteine

Zu den wichtigsten Meilensteinen gehörten die Verabschiedung des Palermo-Protokolls im Jahr 2000 und die erste gemeinsame Definition von Menschenhandel auf globaler Ebene. Sowohl der KOK als auch La Strada International verfolgten diesen Prozess intensiv und brachten ihre Vorschläge in die Verhandlungen ein. Außerdem haben wir eng bei den Vorschlägen und Verabschiedungen der Konvention des Europarats gegen Menschenhandel im Jahr 2005 sowie bei der Einrichtung des GRETA-Monitoringmechanismus und der ersten EU-Richtlinie gegen Menschenhandel im Jahr 2011 zusammengearbeitet, deren Umsetzung sowie die aktuellen Änderungen und die derzeitige Umsetzung dieser Änderungen ebenfalls begleitet werden. Dass wir gemeinsam – zusammen mit anderen – an diesen Prozessen mitwirken konnten, ist ein bedeutender Meilenstein, nicht nur für uns, sondern insbesondere für betroffene Menschen und alle, die in diesem Bereich arbeiten, da diese Rechtsinstrumente ihnen Rechte und Zugang zur Justiz gewähren.

Ziele für die Zukunft

Gemeinsam mit dem KOK wollen wir unsere Plattform weiter ausbauen, unsere Mitglieder stärken und unsere Dienstleistungen und Sichtbarkeit weiterentwickeln. Wir möchten weiterhin als kritische Beobachter*innen agieren, die für ihre Expertise, ihre Erkenntnisse und ihre verlässlichen Dienstleistungen bekannt sind – basierend auf gesammelten Informationen und Beweisen, die durch den Informationsaustausch, Monitoring und Advocacy sowie die direkte Arbeit mit Betroffenen gewonnen wurden. Wir werden weiterhin gegen Missstände vorgehen und sicherstellen, dass Gerechtigkeit, Rechenschaftspflicht sowie effiziente Richtlinien und Maßnahmen umgesetzt werden. Dabei ist es uns wichtig, Fehlinformationen, unzureichende Beweise und unvollständige Informationen anzugehen und eine andere Erzählweise aufzubauen.

Durch die Zusammenarbeit mit anderen glauben wir, dass wir unsere gemeinsamen Aktionen verstärken und vervielfachen und so eine größere Wirkung erzielen können. Unsere leitende Frage bleibt: „Haben die Menschen, die wir unterstützen, Zugang zur Justiz, und falls nicht, warum und was muss sich ändern?“ Diese Frage wird uns erlauben, unsere Arbeit noch viele Jahre fortzusetzen, da es noch viel zu tun gibt.

 

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KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.
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Tel.: 030 / 263 911 76
E-Mail: info@kok-buero.de

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