Aktuelles im KOK

Forderungen des KOK zur Bundestagswahl 2009

An alle Parteien

Forderungskatalog des KOK e.V. zur Bundestagswahl 2009 

„Frauenhandel und Gewalt gegen Migrantinnen sind eklatante Menschenrechtsverletzungen.“

Frauenhandel ist ein komplexes Phänomen, das sich im nationalen und vor allem im internationalen Kontext als Gewalt gegen Frauen im Migrationsprozess zeigt. Sie sind Opfer von struktureller, psychischer oder physischer Gewalt. Auch andere Formen der Gewalt gegen Migrantinnen wie (drohende) Zwangsverheiratungen sind eine schwere Verletzung der Menschenwürde. Der Staat ist aufgefordert Schutz und Hilfe für die Betroffenen zu gewährleisten. 

Der KOK e.V.[1] ruft alle Parteien auf, den Auftrag zur Verwirklichung der Opferrechte und des Opferschutzes explizit zu verankern sowie konkrete Initiativen zu benennen um das Selbstbestimmungsrecht und die Eigenständigkeit der Frauen zu fördern. 

Der KOK stellt immer wieder fest, dass eine große Diskrepanz zwischen den geltenden Rechtsvorschriften und deren tatsächlicher Anwendung sowohl im Bereich des Strafrechts als auch der Opferhilfe besteht. Diese Auffassung wird von der Kommission der europäischen Gemeinschaften in ihrem Bericht[2] vom November 2008 geteilt. Die Kommission führt aus, dass sich dies vor allen Dingen in Bezug auf die Unterstützung und den Schutz von Opfern feststellen lasse, da es an einer effizienten Umsetzung der wesentlichen Rechtsvorschriften für die Opferhilfe und den Opferschutz mangelt. 

Daher fordert der KOK umgehende Verbesserungen im Rahmen der Opferhilfe und des Opferschutzes, insbesondere da die Kommission ebenfalls in dem genannten Bericht anmerkt, dass in Ländern mit einer signifikanten Zahl unterstützter Opfer auch die Zahl strafrechtlicher Verfahren deutlich höher liegt.

Menschenhandel ist kein statisches und gleichförmiges Phänomen. Vielmehr handelt es sich um ein Phänomen, welches immer wieder einem Wandel unterliegt. Dem zugrunde liegen oftmals strukturelle Veränderungen in den Herkunfts- und Zielländern. Diese stellen die Praxis immer wieder vor neue Herausforderungen.

·        Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass sich vermehrt Migrantinnen, die von 
         Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung betroffen sind, an die 
         Fachberatungsstellen wenden. 

·        Ebenso gibt es in den letzten Jahren zunehmende Kontakte der Fachberatungsstellen zu 
         Betroffenen aus afrikanischen Ländern. 

·        Ferner steigt in einigen Fachberatungsstellen die Zahl der minderjährigen Betroffenen. 

·        Einige Fachberatungsstellen verzeichnen eine Zunahme in der Beratung und Betreuung 
         Betroffener von Menschenhandel aus Deutschland. 

 

Einige dieser Erfahrungen aus der Praxis finden sich auch im Bundeslagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2007 bestätigt. 

Diese Entwicklungen zeigen die Notwendigkeit auf, die Opferhilfe und den Opferschutz, sowohl für Betroffene von Menschenhandel als auch für von Gewalt betroffene Menschen im Migrationsprozess dringend zu verbessern. Diese Deliktsbereiche sprengen die bisherigen Personalkapazitäten sowohl der Fachberatungsstellen als auch die der Strafverfolgungsbehörden. 

Ein effektives Vorgehen gegen die neuen Formen des Menschenhandels erfordert jedoch noch mehr. Notwendig sind die Entwicklung von neuen Kooperationsmodellen und die Zusammenarbeit mit anderen KooperationspartnerInnen, wie beispielsweise in den Bereichen Arbeitsausbeutung und Zwangsverheiratung. Es muss hier ein Umdenken in der Politik erfolgen. Es ist nicht ausreichend, auf die bestehenden Strukturen und Angebote zu verweisen, vielmehr müssen neue Wege in der Opferarbeit ausgebaut und gesichert werden. Der Zugang zu den betroffenen Frauen ist schwierig. Daher sind in der Praxis die Sicherung der aufsuchenden sozialen Arbeit, der Ausbau von niedrigschwelligen und anonymen Angeboten sowie die Einrichtung von Hotlines dringend notwendig. Der Aufbau dieser neuen Strategien für die Opferhilfe muss sich an den einzelnen Gruppen entsprechend den jeweiligen Erfordernissen orientieren. 

Es gibt verschiedene Formen der Gewalt gegen Migrantinnen. Eine dieser Formen ist die Zwangsverheiratung oder die häusliche Gewalt gegen Migrantinnen. Um die Zwangsverheiratung zu bekämpfen bedarf es neben der Strafverfolgung in erster Linie Maßnahmen zum Opferschutz und der Stärkung der zivilrechtlichen und ausländerrechtlichen Stellung von Zwangsverheirateten sowie der Prävention. Stigmatisierungen von hier lebenden MigrantInnen sowie Instrumentalisierungen des Themas zur Verschärfung des Aufenthaltsrechts, wie beim Ehegattennachzug, lehnen wir ab.

Die Verantwortung darf aber nicht allein bei der Zivilgesellschaft liegen, die politischen und andere gesellschaftliche EntscheidungsträgerInnen müssen sich ihrer Verantwortung gerade auch im Bereich des Opferschutzes bewusst werden und handeln.  

Der KOK fordert: 

Prüfung eines Fonds zur direkten Entschädigung von Betroffenen des Menschenhandels

Die bestehenden Rechtsvorschriften zu Entschädigungszahlungen für Betroffene von Menschenhandel konnten in der Vergangenheit bundesweit nur in Einzelfällen durchgesetzt werden. Ebenso problematisch ist der oftmals vorliegende mangelnde Zugriff auf das Vermögen der TäterInnen. Die Geltendmachung von Ansprüchen ausgereister ZeugInnen aus den Herkunftsländern müssen ermöglicht und gewährleistet werden. Im Sinne eines menschenrechtlichen Ansatzes auf die Schaffung eines Zugangs zu Entschädigung unabhängig von der Bereitschaft zur Mitwirkung als Zeugin oder Zeuge im Strafverfahren fordern wir daher, die Prüfung der Errichtung eines staatlichen Fonds für die direkte Entschädigung von Betroffenen in Härtefällen. 

Die umgehende Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels[3] durch Deutschland und Umsetzung in die Praxis 

Wir fordern eine umgehende Ratifizierung und Umsetzung der Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels, welche am 01.02.2008 in Kraft getreten ist. Diese Konvention stellt erstmalig als internationales Dokument den Opferschutz der betroffenen Kinder, Frauen und Männer in den Vordergrund und nicht die Strafverfolgung der TäterInnen. Deutschland hat zwar die Konvention unterzeichnet, ratifizierte diese bis Dato jedoch nicht. 

Schaffung von einheitlichen bundesweiten Regelungen für die Alimentierung der Betroffenen und die Gewährleistung eines gesicherten und gebundenen Aufenthaltstitels 

Der KOK fordert klare bundesweite Regelungen, die eine bedarfsgerechte Existenzsicherung von Betroffenen von Menschenhandel und Betroffenen von Gewalt im Migrationsprozess im Hinblick auf ihre Grundversorgung, ihren Lebensunterhalt, ihre sichere Unterbringung und ihre medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung gewährleisten. 

Hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Regelungen fordert der KOK, den Betroffenen von Menschenhandel einen gesicherten gebundenen Aufenthaltstitel unabhängig von der Kooperationsbereitschaft und Zeuginneneigenschaft zu gewähren, wie es auch die Europaratskonvention vorsieht. Ferner muss der Aufenthalt über das Prozess-ende hinaus gesichert werden.

Betroffenen von Zwangsverheiratung sollten einen Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ohne Wartefrist haben. Konkret heißt dies, dass die Aufnahme von Zwangsverheiratung als besonderer Härtefallgrund in den § 31 Aufenthaltsgesetz aufzunehmen ist. Bislang ist eine Trennung vom Ehepartner/Ehepartnerin vor Ablauf der zweijährigen Frist nicht ohne die sofortige Beendigung es Aufenthaltsrechts möglich. Zudem sollten die Betroffenen bei erzwungener Ausreise ihre Aufenthaltserlaubnis nicht nach sechs Monaten verlieren, sondern ein unbefristetes Recht auf Wiederkehr erhalten. 

Zugang zu Bildungs- und Integrationsmaßnahmen für Opfer von Menschenhandel sowie Sicherstellung von Ausbildungsmaßnahmen und Schulbesuchen für alle von Gewalt betroffenen Migrantinnen

Opfer von Menschenhandel müssen unabhängig von ihrer Lebenssituation gleichberechtigt zu anderen MigrantInnengruppen den gesetzlichen Anspruch auf Bildungs- und Integrationsmaßnahmen (Deutschkurse) wahrnehmen können. Für von Gewalt betroffene MigrantInnen müssen, bei der Flucht von einem Bundesland in ein anderes, Möglichkeiten geschaffen werden, Bildungsabschlüsse (Schule oder Ausbildung) unkonventionell/unbürokratisch anzuerkennen oder weiterzuführen. 

Sicherung und Ausbau der Arbeit der Fachberatungsstellen

Wir fordern bundesweit eine ausreichende und sichere Finanzierung aller Fachberatungsstellen und des Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess. Um alle Formen des Menschenhandels sowie der Gewalt gegen Migrantinnen entsprechend und wirksam entgegenzuwirken, müssen zusätzliche spezifische Schutz- und Hilfsstrukturen für Betroffene aufgebaut und zusätzliche Finanzierungsquellen erschlossen bzw. bereit gestellt werden. 

Berlin, den 14.07.2009

 


[1] Der KOK e.V. ist der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen    im Migrationsprozess. Wir sind ein bundesweiter Zusammenschluss von derzeit 36 Nichtregierungsorganisationen, die zu den Themen Frauenhandel und Gewalt an Migrantinnen arbeiten. www.kok-buero.de

[2] Arbeitsunterlagen der Kommission, Brüssel, 17.10.2008, KOM(2008) 657 endgültig.

[3] Council of Europe Convention on Action Against Trafficking in Human Beings, CETS No 197


Den Forderungskatalog des KOK als PDF finden Sie hier.

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