Die Entscheidung des EuGH vom 15.02.2023 erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) zur Auslegung von Art. 5 Buchst. a und b der sog. Rückführungsrichtlinie. Bisher wurden in Deutschland das Kindeswohl und die familiäre Bindung in der Praxis erst beim Verfahren zum Vollzug einer Rückkehrentscheidung (Abschiebung) berücksichtigt. Diesen beiden Grundrechten des Kindes wurde hingegen in früheren Verfahrensstadien, namentlich beim Erlass der Rückkehrentscheidung, keine Bedeutung beigemessen. Der EuGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass diese verwaltungsmäßige Praxis der deutschen Behörden mit dem EU-Recht nicht vereinbar sei. Denn das widerspricht dem Wortlaut von Art. 5 der sog. Rückführungsrichtlinie, der die Wahrung der Grundrechte des Kindes (Art. 24 EU-Grundrechtecharta, Art. 8 EMRK) zu gewährleisten bezweckt. Laut Entscheidung des EuGH sind das Wohl des Kindes sowie die familiären Bindungen in allen Stadien des Verfahrens, folglich auch bei Erlass einer Rückkehrentscheidung und der Vollstreckung der Abschiebung, zu berücksichtigen. Daraus folgt zudem, dass das BAMF beim Erlass einer Rückkehrentscheidung auch inlandsbezogene Abschiebungsverbote prüfen muss.