Pressemitteilung des KOK e.V. zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel 2023
Berlin, 26. Juli 2023 – Anlässlich des Internationalen Tages gegen Menschenhandel am 30. Juli fordert der KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. die Bundesregierung auf, ihr Versprechen auf einen neuen Aufenthaltstitel für Betroffene von Menschenhandel einzulösen. Der Auftrag im Koalitionsvertrag ist deutlich: „Auch Opfer von Menschenhandel sollen ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft erhalten.“
Große Hürden beim Zugang zu Aufenthalt und Alimentierung
Grundsätzlich besteht für ausländische Betroffene von Menschenhandel die Möglichkeit zum Erhalt eines Aufenthaltstitels (§ 25 Abs. 4a und 4b AufenthG), wenn sie im Strafverfahren als Opferzeug*innen gegen Täter*innen aussagen. Das setzt jedoch voraus, dass ein Strafverfahren überhaupt stattfindet und nicht, wie so oft in diesem Bereich, eingestellt wird. „Nach einer Ausbeutungssituation sind Betroffene von Menschenhandel oft körperlich und psychisch hoch belastet. In dieser Situation stellt eine Aussage im Strafverfahren eine große Hürde dar, auch wenn sie grundsätzlich bereit sind, als Zeug*innen zur Verfügung zu stehen“, schildert Andrea Hitzke, KOK-Vorstand und Leiterin der Fachberatungsstelle Dortmunder Mitternachtsmission e.V.
Betroffene von Menschenhandel brauchen Zeit zur Stabilisierung, für Beratung, Zugang zu sicherer Unterkunft, zu medizinischer und psychotherapeutischer Versorgung. Nur dann können sie auch Strafverfahren unterstützen.
Aufenthalt unabhängig von Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden garantieren
Alle Betroffenen von Menschenhandel erreichen, niemanden zurücklassen! ist das Thema des diesjährigen Internationalen Tages gegen Menschenhandel. „Dies kann nur gelingen, wenn auch Betroffene ohne deutsche Staatsbürgerschaft Zugang zu Schutz und Opferrechten haben. Ein humanitärer Aufenthaltstitel ist dafür die Grundvoraussetzung“, erklärt Sophia Wirsching, Geschäftsführerin des KOK. Sie fordert deshalb: „Die Bundesregierung muss ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zügig einlösen.“
Der KOK e.V. hat Empfehlungen zur Neuregelung des Aufenthaltsrechts für Betroffene von Menschenhandel unabhängig vom Strafverfahren entwickelt.
Fallbeispiel
Daniela (Name geändert) kommt aus Albanien. Dort wird sie bereits von ihrem Mann zur Prostitution gezwungen. Ihr wird gedroht, dass ihren Kindern etwas Schlimmes angetan wird, wenn sie sich weigert. Die Polizei hilft ihr nicht. Damit sie mehr Geld verdient, wird sie von dem Mann und seinen Freunden nach Deutschland gebracht. Da die Täter die Kinder in ihrer Gewalt haben, wendet sie sich nicht an die deutsche Polizei.
Nach einiger Zeit dürfen die Kinder zu ihrer Mutter nach Deutschland. Irgendwann gelingt es Daniela, vor den Tätern zu flüchten, und sie wendet sich an eine spezialisierte Fachberatungsstelle, um Hilfe und Schutz zu bekommen. Sie stellt einen Asylantrag, der abgelehnt wird, da Albanien als sicheres Herkunftsland gilt. Auch das Verwaltungsgericht entscheidet gegen Daniela.
Daniela hat große Angst, dass sie und die Kinder nach Albanien abgeschoben werden. Die Täter haben ihr immer wieder versichert, dass sie sie finden werden, wenn sie sich ihnen entzieht. Daher kann sie auch nicht zu ihrer Familie zurück. Sie hat kein Vertrauen in die albanische Polizei und die Behörden, die ihr nicht geholfen haben.
Während des Aufenthalts in Deutschland hat sie sich gut integriert. Sie hat die Zusage für einen Ausbildungsplatz zur Altenpflegehelferin, wenn sie einen entsprechenden Aufenthalt erhalten würde.
Rückfragen an: Nadine Rosenkranz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit | n.rosenkranz(at)kok-buero.de