Immer mehr Menschen fliehen aus ihrer Heimat und suchen Schutz in anderen Ländern. In Deutschland angekommen sind meist Unterkünfte für Geflüchtete der erste Anlaufpunkt und oftmals auch längerfristig Lebensmittelpunkt. Hier leben Menschen oftmals sehr isoliert und gesellschaftliche Teilhabe ist nur bedingt möglich. Gerade für besonders schutzbedürftige Menschen, wie Betroffene von Menschenhandel, müssen Lösungen gefunden werden, um sie schnell zu identifizieren, ihnen einen flächendeckenden Schutz zu garantieren und auf ihre Bedarfe einzugehen. Um diesen Schutz in Unterkünften sicherzustellen, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam mit UNICEF erstmals im Jahr 2016 die Bundesinitiative Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften mit 13 Partner*innen, darunter auch der KOK, gestartet. Das Ergebnis waren bundesweit einheitliche Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften. Diese sollten kontinuierlich weiterentwickelt werden, weshalb bereits 2018 und nun 2021 eine aktualisierte Version veröffentlicht wurde. Während des Prozesses konnten neue Partnerschaften gewonnen und auf gesetzliche Regelungen, wie auch politische Entwicklungen eingegangen werden. Eine dieser gesetzlichen Änderungen war das 2019 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Hierdurch wurde in § 44 Abs. 2 a AsylG eingefügt, dass die Länder „geeignete Maßnahmen treffen [sollen], um bei der Unterbringung Asylbegehrender nach Absatz 1 den Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen“ zu gewährleisten. Nach § 53 Abs. 3 AsylG gilt dies auch für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften.
Neuerungen in den Mindeststandards legen einen Fokus auf Prävention und Empowerment. Zudem sollen Qualitätsstandards bei der Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen hervorgehoben werden. Schon in der ersten Veröffentlichung wurden sechs Mindeststandards festgelegt, diese sind u.a. Prävention und Umgang mit Gewalt- und Gefährdungssituationen/ Risikomanagement, ein unterkunftsspezifisches Schutzkonzept und menschenwürdige, schützende und fördernde Rahmenbedingungen. Es ist vorgesehen, dass bestimmte Gruppen, hier sind Betroffene von Menschenhandel explizit genannt, leicht Zugang zu spezifischer medizinischer, rechtlicher und psychosozialer Beratung erhalten und für ihre Betreuung gesorgt wird. Die Unterkünfte sollen mit spezialisierten Fachberatungsstellen kooperieren und den Betroffenen eine engmaschige Betreuung ermöglichen. All diese Bereiche sollen Prävention, Intervention und Monitoring/Evaluation mitdenken. Die Expertise und Belange von Geflüchteten sollen auch durch diese selbst vertreten werden und Partizipationsmöglichkeiten an der Erarbeitung wie auch der Umsetzung der Mindeststandards geboten werden.
Die Mindeststandards sind ein wichtiger Baustein, um Gewaltschutz besonders vulnerabler Gruppen zu gewährleisten und diese zu schützen. Jedoch werden sie bisher nicht bundesweit umgesetzt und eher als Expertise beim Erarbeiten von Konzepten hinzugezogen. Auch eine Studie vom Deutschen Institut für Menschenrechte DIMR e.V. (DIMR) zeigt, dass die meisten Bundesländer die Mindeststandards als Orientierung benutzen, lediglich das Saarland und Bremen gaben an, dass die Mindeststandards im jeweiligen Gewaltschutzkonzept eingearbeitet seien. Schleswig-Holstein habe „einen gezielten Prozess zur Implementierung der Standards in den Landeseinrichtungen“. Der Bund sollte in Zusammenarbeit mit den Bundesländern verbindliche Standards implementieren, wie sie die Mindeststandards zum Schutz für geflüchtete Menschen in Flüchtlingsunterkünften vorsehen und eine einheitliche Aufsichtsstruktur etablieren, damit die Mindeststandards nicht weiterhin nur als Orientierung dienen. Des Weiteren müssen die Bundesländer dafür sorgen, dass es verbindliche Gewaltschutzkonzepte in den Unterkünften für Geflüchtete gibt und diese regelmäßig überarbeitet werden, wie dies bereits seit 2019 gesetzlich vorgesehen ist.