In der Debatte um Zuwanderung und Asyl, die auch zum Flüchtlingsgipfel der Länder am 6. November Thema sein wird, wird nicht genügend berücksichtigt, dass etwa ein Drittel der nach Deutschland geflüchteten Menschen unter 18 Jahre alt ist und damit unter die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention fällt. Der Flüchtlingsgipfel bietet eine Chance, die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen für die Aufnahme von schutzsuchenden Kindern mit ihren Familien und von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten neu zu gestalten. Bei diesem Austausch sollten künftig auch zivilgesellschaftliche Organisationen zu Rate gezogen und gehört werden.
Für den Austausch zwischen Bund, Ländern und Kommunen fordern ziviligesellschaftliche Organisationen:
Dezentrale Unterbringung von geflüchteten Kindern ermöglichen
- Bund, Länder und Kommunen sollten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit geflüchtete Kinder und ihre Familien unmittelbar in Wohnungen oder wohnungsähnlichen Kontexten leben können. Hierfür sollte die Wohnverpflichtung in Aufnahmeeinrichtungen aufgehoben, zumindest aber verkürzt, werden.
- Sofern die dezentrale Unterbringung nicht möglich ist, sollten Länder und Kommunen sicherstellen, dass in allen Unterkunftsformen für geflüchtete Menschen kinderrechtliche Mindeststandards verbindlich gelten und überprüft werden.
Zugang zur öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe für begleitete und unbegleitete geflüchtete Kinder sicherstellen
- Die Kommunen sollten geflüchtete Kinder umfassend in der Jugendhilfeplanung berücksichtigen, die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe entsprechend ausbauen und geflüchtete Kinder und ihre Familien in verständlicher Weise über ihre Möglichkeiten informieren.
- Länder und Kommunen sollten die Absenkung von Standards in der Kinder- und Jugendhilfe zurücknehmen und unbegleitete minderjährige Geflüchtete konsequent nach den regulären Standards des SGB VIII unterbringen und versorgen. Wo erforderlich, sollten entsprechende Voraussetzungen hierfür geschaffen werden.
- Unsicherheiten bei den Alterseinschätzungsverfahren dürfen nicht zum Nachteil junger Geflüchteter ausgelegt werden. Ebenso braucht es verbindliche Mindeststandards bei der Durchführung der qualifizierten Inaugenscheinnahme.
Zugang zu frühkindlicher Bildung und Regelschulen ermöglichen
- Bund, Länder und Kommunen sollten dafür sorgen, dass geflüchtete Kinder unmittelbar faktischen Zugang zu frühkindlicher Bildung erhalten.
- Alle Bundesländer sollten geflüchteten Kinder unmittelbar, spätestens jedoch nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland, einen faktischen Zugang zur Regelschule ermöglichen.
- Beschulungsangebote in Aufnahmeeinrichtungen ersetzen die Regelschule nicht. Diese Angebote sollten sich am Lernstand orientieren, altersdifferenziert sein und von staatlich anerkannten Lehrkräften durchgeführt werden.
Frühzeitige Identifizierung von besonderen Bedarfen und Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherstellen
- Bund und Länder sollten Verfahren für die Identifizierung und Versorgung von besonderen Schutzbedarfen verbindlich verankern und die Umsetzung sicherstellen.
- Bund, Länder und Kommunen sollten den Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems und der Eingliederungshilfe für geflüchtete Kinder sicherstellen, insbesondere für Kinder mit besonderen Unterstützungs- oder Behandlungsbedarfen.
- Bund und Länder sollten auf Kinder und Familien spezialisierte Fachberatungsstellen strukturell unterstützen und deren Finanzierung sicherstellen.
Der vollständige Appell steht hier als online PDF zur Verfügung.