Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) veröffentlichte am 14.07.2023 ein Policy Paper, in dem die Reform des § 31 AufenthG gefordert wird. Ziel sei es, Frauen in prekären Abhängigkeitsverhältnissen besser vor häuslicher Gewalt zu schützen.
Eine besonders vulnerable Gruppe stellen laut djb Frauen dar, die ihr Aufenthaltsrecht im Zuge des Familiennachzugs von ihrem gewalttätigen Ehepartner ableiten. Die aktuelle Rechtslage nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 sieht vor, dass die eheliche Lebensgemeinschaft drei Jahre im Bundesgebiet bestanden haben muss, damit eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis nach Auflösung der Ehe erteilt wird. Von Gewalt betroffene Frauen sind durch diese Regelbestandszeit über mehrere Jahre in einer Ehe mit ihrem gewalttätigen Partner gefangen. Durch ihre aufenthaltsrechtliche Abhängigkeit sind sie einem missbrauchsanfälligen Machtverhältnis ausgesetzt, aus dem heraus sie nicht in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland aufzubauen.
Die derzeitige Härtefallklausel in § 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG, die unter anderem eine vorzeitige Verlängerung des eigenständigen Aufenthalts für Betroffene von häuslicher Gewalt vorsieht, genügt laut djb nicht den Anforderungen des Art. 59 Abs. 2, Abs. 3 der Istanbul-Konvention und gewährt keinen umfassenden Schutz für gewaltbetroffene Frauen. Schutzlücken der Härtefallregelung identifiziert der djb unter anderem in den hohen Voraussetzungen (Höhe und Ausmaß der Gewalt) sowie der Tatsache, dass den Frauen die volle Beweislast aufgebürdet wird.
Der djb fordert:
• die Herabsetzung der Ehebestandszeit auf ein Jahr; maßgebend hierfür ist der Bestand in der Europäischen Union und nicht allein in der Bundesrepublik,
• nach Ablauf einer Ehebestandszeit der gewaltbetroffenen Person ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen,
• die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis um zwei Jahre anstatt um ein Jahr,
• Übernahme der Definition der häuslichen Gewalt aus Artikel 3 lit. b der Istanbul-Konvention als Legaldefinition in § 2 des AufenthG,
• konsequente Berücksichtigung der Istanbul-Konvention als Auslegungsgrundlage,
• Klarstellung im Gesetzestext, dass es lediglich einer Darlegung der häuslichen Gewalt bedarf.
Von Menschenhandel und Ausbeutung betroffene Frauen können sich im Zuge der sog. Heiratsmigration aufenthaltsrechtlich in Abhängigkeiten zu Täter*innen befinden. So kommt es vor, dass sie diesbezüglich Rat bei spezialisierten Fachberatungsstellen suchen. Durch eine Reform des § 31 AufenthG und der Gewährung des Schutzes durch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht könnte ihnen ermöglicht werden, ihre Ausbeutungssituation frühzeitiger zu verlassen.